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Sicherheitskonferenz in Estland Pistorius erklärt Deutschland zur NATO-Führungsmacht

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Klarer Fingerzeig: Deutschland will nach Aussage von Verteidigungsminister Pistorius im Baltikum vorangehen.

Klarer Fingerzeig: Deutschland will nach Aussage von Verteidigungsminister Pistorius im Baltikum vorangehen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Zahlreiche NATO-Staaten, allen voran die USA, fordern von Deutschland mehr militärisches Engagement. Das will man laut Verteidigungsminister Pistorius zeigen. Man übernehme Verantwortung und wolle führen, erklärt er auf einer Sicherheitskonferenz. Gastgeber Estland fordert aber noch mehr.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat den NATO-Verbündeten im Baltikum die militärische Verlässlichkeit Deutschlands bei der Abschreckung Russlands zugesichert. "Deutschland übernimmt Verantwortung. Und Deutschland übernimmt eine Führungsrolle", sagte der SPD-Politiker auf der Sicherheitskonferenz in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Zugleich sicherte Pistorius der Ukraine die langfristige Unterstützung bei der Verteidigung gegen die russischen Angreifer zu. "Wir werden an ihrer Seite stehen, solange es nötig ist", sagte er.

Er warnte vor schrecklichen Konsequenzen, sollte der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem Vorgehen Erfolg haben. Dieser verachte die internationalen Regeln. "Putin benutzt abscheuliche, kriminelle und unmenschliche Methoden", sagte Pistorius.

Er bekräftigte Pläne für die Stationierung einer Brigade der Bundeswehr in Litauen. Pläne - die Details sollen bis Jahresende ausgearbeitet werden - sehen vor, 4000 Männer und Frauen der Bundeswehr permanent in dem Land zu stationieren, auch mit Familien oder Kindern. "Wir werden deutsche Soldaten und Soldatinnen in Litauen stationieren, sobald die nötige Infrastruktur vorhanden ist", sagte Pistorius.

Pistorius reagiert dünnhäutig auf Beschaffungsproblem

In der Heimat haben Pistorius und die Bundeswehr dagegen weiterhin mit Problemen zu kämpfen. Die Sorgen bezüglich der Umrüstung von Fahrzeugen begleiten den Minister auch ins Baltikum, wie der "Spiegel" berichtet. Auf Nachfragen nach Lieferverzögerungen und dem schwerfälligen Beschaffungsapparat bügelt Pistorius demnach patzig ab. "Es verrottet überhaupt nichts", soll er auf die Frage nach ungenutzt in Depots lagernden Funkgeräten geantwortet haben. Später schiebt er nach: "Ich bin darüber einigermaßen verärgert. Der Auftrag ist erteilt worden im Dezember - also vor meiner Zeit".

Er rudert laut "Spiegel" später jedoch zurück und beklagt: "Ich wäre davon ausgegangen, dass man sich vor der Bestellung, aber mindestens mit der Bestellung darüber Gedanken macht, wie die Integration erfolgt", sagt er mit Blick auf den Einbau der Geräte. Er werde nun "versuchen zu heilen, was zu heilen ist".

Die gastgebende estnische Regierungschefin Kaja Kallas forderte andere NATO-Staaten auf dem Treffen auf, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Sie verwies auf ihr eigenes Land, das diesen Etatposten im kommenden Jahr auf 3,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen werde. "Und das ist etwas, für das ich auch auf Ebene der NATO werbe", sagte Kallas am Rande der baltischen Sicherheitskonferenz.

Kallas: "Gefahr größer als im Kalten Krieg"

"Schauen Sie auf das Jahr 1988, als alle NATO-Verbündeten mehr als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgaben. Und warum? Weil sie die Gefahr als ernsthaft betrachteten. Nun aber ist die Gefahr größer als während des Kaltes Krieges, weil der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist", sagte sie.

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Sie plädierte leidenschaftlich für den Wehrdienst in ihrem Land, der für die Streitkräfte die Basis der Personalbeschaffung sei. Es sei in Estland anders als sie es aus anderen europäischen Ländern höre, wo der Wehrdienst nicht beliebt sei, sagte Kallas. "Hier ist es andersrum. Mehr Leute melden sich sogar freiwillig." Ganze Schulklassen gingen zum Militär und blieben als Freundesgruppe zusammen. "Man lernt viel dazu. Es ist lehrreich. Außerdem erlangt man die Fähigkeit zur Selbstverteidigung und auch sonst alles, was man im Leben braucht. Und auch die Managementfähigkeiten", sagte sie. Und: "Die jungen Frauen sagen bei einem Mann, der nicht im Militär war, ist das überhaupt ein richtiger Mann? Da unterscheiden wir uns etwas von anderen."

An dem Treffen ("Annual Baltic Conference on Defence/ABCD") nehmen Vertreter der baltischen Republiken sowie aus weiteren NATO-Staaten und aus der Ukraine teil. Die Rede des Ministers ist auch Abschluss seines dreitägigen Besuchs in Lettland und Estland.

Quelle: ntv.de, als/dpa

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