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"Thema verfehlt, setzen, sechs" Pistorius watscht Wehr-Kritik von Lindner und Buschmann ab

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Von einem Finanzminister, der auch noch Major der Reserve sei, hätte er sich gewünscht, die Notwendigkeiten der Truppe klar zu sehen, sagt Pistorius.

Von einem Finanzminister, der auch noch Major der Reserve sei, hätte er sich gewünscht, die Notwendigkeiten der Truppe klar zu sehen, sagt Pistorius.

(Foto: picture alliance / photothek)

Die Bundeswehr hat Personalprobleme. Verteidigungsminister Pistorius setzt auf eine neue Form des Wehrdienstes, doch die FDP-Kollegen Lindner und Buschmann sehen mehrere Probleme: zu teuer, ungerecht und ohne Akzeptanz. Dazu fällt Pistorius nur Kopfschütteln ein.

Die FDP lehnt das von Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegte Modell für eine neue Art von Wehrdienst strikt ab. In einem Schreiben an Pistorius begrüßen Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann zwar die von ihm angestoßene Debatte zur Steigerung der Wehrfähigkeit. Eine allgemeine Wehr- oder Dienstpflicht halten sie aber aus finanziellen, volkswirtschaftlichen und rechtlichen Gründen für nicht realistisch. Stattdessen setzen die beiden FDP-Politiker auf eine Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufes und eine stärkere Rolle der Reserve.

"Uns eint das Ziel, die Bundeswehr zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen zu machen", heißt es in dem Brief der beiden FDP-Minister. "Dieses Ziel können und werden wir nur mit der entsprechenden gesellschaftlichen Akzeptanz erreichen. Dies schließt die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht bzw. Dienstpflicht nach unserer Auffassung aus."

Pistorius weist die Kritik deutlich zurück. Der Brief setze sich mit Dingen auseinander, die nicht im Mittelpunkt des Vorschlags stünden, sagte er am Rande des NATO-Gipfels in Washington. "In der Schule hätte man wahrscheinlich gesagt: Aufsatzthema verfehlt, setzen, sechs."

Praktiker und Profis stärken

In ihrem Schreiben weisen Lindner und Buschmann darauf hin, dass für eine allgemeine Wehr- oder Dienstpflicht neue Strukturen aufgebaut werden müssten, was ein "langwieriger und extrem kostenintensiver Prozess" wäre. Auch könnte eine neue Wehr- oder Dienstpflicht zu erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten führen, wie das Ifo-Institut in einer Kurzexpertise für das Bundesfinanzministerium ermittelt habe. "Allein die jährliche Verpflichtung eines Viertels einer Alterskohorte im Rahmen einer Wehr- oder Dienstpflicht, also von ca. 195.000 Personen, würde nach den Berechnungen des Ifo-Instituts zu einem Rückgang des Bruttonationaleinkommens um 17,1 Milliarden Euro führen."

Lindner und Buschmann halten es demnach für eine "Maßnahme vorausschauender Klugheit", eine Bestandsaufnahme der Menschen in Deutschland vorzunehmen, die im Verteidigungsfall eingezogen werden könnten. "Eine darüber hinausgehende Verpflichtung von kleinen Teilen eines Jahrgangs, sich mustern zu lassen oder gar einen Wehrdienst abzuleisten, würde aber unvermeidliche Fragen der Wehrgerechtigkeit aufwerfen", schreiben sie. Zudem stelle dies für die Betroffenen einen tiefen Einschnitt in ihre Freiheit und persönliche Lebensplanung dar.

Um die Personalprobleme der Bundeswehr zu beheben, setzen die beiden FDP-Politiker stattdessen darauf, die Streitkräfte zu einem "noch attraktiveren Arbeitgeber zu machen". Außerdem solle die Rolle von Reservistinnen und Reservisten gestärkt werden. Diese müssten stärker in die Strukturen der Bundeswehr eingebunden werden, weil es sich bei ihnen um die Praktiker und Profis handele, die die Truppe dringend benötige.

"Aufsatzthema verfehlt, setzen, sechs"

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Der Verteidigungsminister kann diese Argumentattion nicht nachvollziehen. Von einem Finanzminister, der auch noch Major der Reserve sei, hätte er sich gewünscht, die Notwendigkeiten der Truppe klar zu sehen, sagte Pistorius. Es sei auch kein Ifo-Gutachten nötig, um zu wissen, dass der Wehrdienst oder eine Wehrpflicht wirtschaftliche Folgen haben werde: "Verteidigung, Sicherheit hat volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Implikationen. Das habe ich immer gesagt."

Das neue Modell von Pistorius sieht einen Grundwehrdienst von sechs Monaten mit einer Option für einen zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst von bis zu zusätzlichen 17 Monaten vor. Dazu wird eine verpflichtende Erfassung eingeführt, in der junge Männer ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müssen . Junge Frauen können dies freiwillig tun. Aus dem Pool von 400.000 Kandidaten eines Jahrgangs sollen von 2025 an jährlich zunächst 5.000 zusätzliche Wehrpflichtige, später auch mehr gewonnen werden.

Quelle: ntv.de, chr/dpa

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