Kompromiss in Sicht? Polen meldet Einigung im EU-Haushaltsstreit
09.12.2020, 15:27 Uhr
Morawiecki (l.) und Orban sollen sich mit Berlin auf einen Kompromiss geeinigt haben.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Weil Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Zukunft sanktioniert werden sollen, blockieren Ungarn und Polen den EU-Haushalt. Nun meldet Warschau, dass der Streit beigelegt sei. Die Bundesregierung hält sich mit einer Bestätigung allerdings zurück.
Im Streit um die Blockade des EU-Haushalts durch Polen und Ungarn gibt es offenbar einen konkreten Lösungsvorschlag. Nach Angaben aus EU-Kreisen will die derzeitige deutsche Ratspräsidentschaft vermutlich am späten Nachmittag zu einer Sondersitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel einladen. Bei ihr soll nach Angaben von Diplomaten das Konzept für eine mögliche Einigung vorgestellt werden.
Zu Details des Vorschlags gab es zunächst keine Angaben. Ebenso war offen, ob er bereits im Vorfeld zwischen EU-Regierungen abgestimmt wurde. Vor allem Länder wie die Niederlande und Luxemburg hatten zuletzt gewarnt, dass eine Einigung nicht zu einer Verwässerung des geplanten neuen Verfahrens zur Ahndung von Rechtsstaatsverstößen in der EU führen dürfe. Ungarn und Polen wollten gerade dies aber mit ihrer Blockade des EU-Haushalts erreichen.
Polens Vizeregierungschef Jaroslaw Gowin hatte am Vormittag ohne Angabe von Details mitgeteilt, es gebe in dem Streit eine "Absprache im Dreieck-Warschau-Berlin-Budapest". Er glaube auch an eine Einigung mit den anderen 24 Ländern. Der Kompromiss bewahre sowohl die polnische Souveränität als auch die Einheit der EU, sagte Gowin weiter. Die Bundesregierung bestätigte eine Einigung zunächst nicht. Sie führte als derzeitige EU-Ratspräsidentschaft in den vergangenen Wochen die Vermittlungsgespräche.
EU-Haushalt umfasst 1,8 Billionen Euro
Gowin hatte schon in den vergangenen Wochen für einen Kompromiss geworben. Er hatte vorgeschlagen, den umstrittenen EU-Rechtsstaatsmechanismus um eine verbindliche Erklärung zu ergänzen, die den Bedenken in Warschau und Budapest Rechnung trägt. Bereits am Dienstagabend hatte Ungarns Regierungschef Viktor Orban nach Gesprächen mit Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki in Warschau gesagt, man sei nur noch "einen Zentimeter" von einer Lösung entfernt.
Der EU-Haushalt umfasst bis zum Jahr 2027 eine Summe von 1,8 Billionen Euro. Sollte es in dem Streit keine Lösung geben, wird der EU vermutlich ab Januar nur noch eine Art Nothaushalt zur Verfügung stehen. Zahlreiche Programme aus Bereichen wie Forschung, Gesundheit, Bildung und Jugend könnten dann nicht starten, darunter auch das geplante 750 Milliarden Euro schwere Corona-Konjunkturprogramm.
Vor dem EU-Gipfel, der am morgigen Donnerstag beginnt, hatten die anderen Mitgliedstaaten deshalb den Druck auf Warschau und Budapest erhöht und gedroht, das Corona-Konjunkturprogramm notfalls ohne die beiden Länder umzusetzen. Die Staats- und Regierungschefs hätten dann bei ihrem Treffen in Brüssel nach Angaben aus EU-Kreisen der Europäischen Kommission den Auftrag geben können, eine konkrete Lösung für diesen Weg auszuarbeiten.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa/DJ/AFP