Trumps Verschwörungstheorien Präsident greift US-Medien frontal an
07.02.2017, 11:38 Uhr
Steht im "Briefing Room" im Weißen Haus für Donald Trump Rede und Antwort: Pressesprecher Sean Spicer.
(Foto: AP)
Der Vorwurf wiegt schwer: US-Präsident Trump behauptet, die "sehr, sehr verlogene Presse" habe absichtlich Terroranschläge verschwiegen. Zum Beweis präsentiert das Weiße Haus eine Liste, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.
Das Weiße Haus hat eine Liste von Terroranschlägen veröffentlicht, die angeblich Vorfälle benennt, über die US-Journalisten nicht ausreichend berichtet haben sollen - darunter Attentate mit vielen Toten wie die von Paris, Nizza oder Berlin. Mit der Liste wollte die US-Regierung entsprechende Vorwürfe des Präsidenten Donald Trump an die Adresse der Medien untermauern.
"Es ist ein Punkt erreicht, an dem gar nicht mehr darüber berichtet wird", hatte Trump zuvor in einer Rede vor Vertretern des US-Militärs in Tampa im US-Bundesstaat Florida gesagt. "Überall in Europa passiert es", sagte Trump mit Blick auf Anschläge von Islamisten. "Und in vielen Fällen will die sehr, sehr verlogene Presse gar nicht darüber berichten."
Anschlagsliste veröffentlicht
"Sie haben ihre Gründe dafür und ihr versteht das", erklärte Trump vor rund 300 US-Soldaten. Konkrete Beispiele dazu, welche Medien er beschuldigt oder um welche Anschläge es sich gehandelt haben soll, nannte Trump nicht. Dafür erwähnte er in seiner Rede Anschläge in Paris und Nizza, über die auch in den USA ausführlich berichtet wurde.
Trumps kühnen Vorwurf wollten US-Journalisten nicht auf sich sitzen lassen. Ein prominenter Autor der "Washington Post" nannte die Unterstellung Trumps "sehr, sehr gefährlich". Erstens sei die Behauptung schlicht weg vollkommen falsch, wie der prominente Kolumnist Chris Cillizza der Form halber festhält.

Muslime unter Pauschalverdacht: Die sieben von Trumps Einreisestopp betroffenen Staaten.
(Foto: n-tv.de / stepmap.de)
Und zweitens sei es zutiefst unverantwortlich, den Medien eine Art geheime Agenda zu unterstellen. Die Annahme, dass US-Journalisten - aus welchen Gründen auch immer - gemeinsame Sache mit islamistischen Terroristen machen würden, sei, so Cillizza weiter, selbst für jemanden wie Donald Trump "atemberaubendes Zeug".
"Haarsträubende" Behauptung
Medienwissenschaftler wiesen Trumps Unterstellungen umgehend zurück. "Anzudeuten, Journalisten hätten ihre Gründe, nicht über IS-Angriffe zu berichten, ist haarsträubend", meinte etwa Al Tompkins vom Poynter Institute, einer Journalistenschule aus Florida. Trump wollte mit der Aussage offenbar nur seine Position im Rechtsstreit um sein Einreiseverbot für Bürger aus sieben vordringlich islamisch Ländern stärken - unabhängig von der tatsächlichen Faktenlage.
Im Weißen Haus bemühten sich Mitarbeiter aus Trumps Team, die Aussagen des Präsidenten zu unterstützen. Beim Versuch einer Erläuterung warf ein Mitarbeiter des Präsidialamts den Medien vor, nicht mehr so intensiv wie früher über islamistische Gewalt zu berichten. "Es kann nicht erlaubt werden, dass das eine neue Normalität wird", hieß es.
Auf die Behauptung Trumps angesprochen, kündigte sein Sprecher Sean Spicer schließlich an, schriftliche Belege nachzureichen. Am Tag danach legte das Weiße Haus schließlich eine Liste mit Anschlägen in verschiedenen Ländern zwischen September 2014 und Dezember 2016 vor, um die Behauptungen des Präsidenten zu untermauern.
Attacken in Deutschland als Beweis
Doch selbst bei wohlwollender Betrachtung kann die Anschlagsliste Trumps Unterstellung, die Medien hätten die Nachrichten über Terroranschläge unterdrückt, nicht stützen: Zu jedem einzelnen aufgeführten Vorfall lassen sich Beispiele für eine ausführliche Berichterstattung finden. Abgesehen davon taugt eine Auflistung mehr oder weniger willkürlich ausgewählter Anschläge nicht, die umstrittene Politik Trumps zu verteidigen: Die meisten der genannten Anschläge hätten durch einen pauschalen Einreisebann, wie ihn Trump befürwortet, wohl nicht verhindert werden können - schlicht, weil sie sich außerhalb der USA ereigneten.
Die Liste aus dem Weißen Haus wurde zudem offenbar in großer Hektik zusammengestellt. In dem von der "Washington Post" veröffentlichten Papier klaffen Lücken. Rechtschreibfehler ("Attaker" statt "Attacker") zeugen zudem davon, dass die Auflistung nicht mit der bislang im Weißen Haus üblichen Sorgfalt überprüft wurde.
Die Liste mit "78 Angriffen" im Zeitraum von September 2014 bis Dezember 2016 umfasst weltweit beachtete Anschläge wie etwa in Orlando, Brüssel und Istanbul ebenso wie kleinere Anschläge, bei denen US-Staatsbürger als Täter identifiziert werden konnten. Daneben führte das Weiße Haus auch mehrere Vorfälle in Deutschland auf: Erwähnt wird etwa der Messerangriff der 16-jährigen Safia S. auf einen Polizisten in Hannover sowie die Attentate von Würzburg und Ansbach im vergangenen Jahr.
Auf der Liste fehlen dafür große Anschläge ohne westliche Opfer, wie etwa ein Selbstmordattentat mit einem Laster in Bagdad, bei dem im vergangenen November mehr als 70 Menschen ums Leben kamen. Auch Gewalt durch Rechtsradikale, etwa der Amoklauf eines Weißen mit neun Toten in einer von Afroamerikanern besuchten Kirche im US-Staat South Carolina im Juni 2015, kommt darin nicht vor.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts