Politik

Zehntausende auf der Straße Protest gegen Lukaschenko ebbt nicht ab

Demonstranten in Belarus schwenken die historische Nationalflagge des Landes. Trotz Warnungen vor neuen Protesten gegen Staatschef Lukaschenko sind wieder Tausende Menschen in der Hauptstadt Minsk unterwegs.

Demonstranten in Belarus schwenken die historische Nationalflagge des Landes. Trotz Warnungen vor neuen Protesten gegen Staatschef Lukaschenko sind wieder Tausende Menschen in der Hauptstadt Minsk unterwegs.

(Foto: picture alliance/dpa)

Vier Wochen ist die Präsidentenwahl in Belarus nun her. Die Behörden wollten die landesweiten Demonstrationen gegen Staatschef Lukaschenko zunächst mit Gewalt beenden. Doch obwohl es immer wieder zu Festnahmen kommt, bringt die Demokratiebewegung die Menschen weiter auf die Straße.

Trotz eindringlicher Warnungen haben in Belarus Zehntausende Menschen landesweit gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko protestiert. Die meisten Menschen versammelten sich am Nachmittag in der Hauptstadt Minsk mit historischen weiß-rot-weißen Landesflaggen. In anderen Städten gab es ebenfalls Protestaktionen. Menschen riefen etwa "Es lebe Belarus". Die Proteste dauern bereits einen Monat an - seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August.

In Minsk waren Beobachtern zufolge trotz Regenwetter Zehntausende Menschen unterwegs, den vierten Sonntag in Folge. In einigen Berichten war von mehr als 100.000 Teilnehmern die Rede. Viele zogen zum Palast der Unabhängigkeit, dem Sitz Lukaschenkos. Einige schwenkten auch Regenbogenfahnen und spielten Musik. Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa marschierte mit. Der Unabhängigkeitsplatz war komplett mit Metallgittern abgeriegelt. Einsatzkräfte versperrten den friedlichen Demonstranten mit Barrikaden und Stacheldraht den Weg. Uniformierten reihten sich mit Schutzschildern aneinander.

Bereitschaftspolizisten in schwerer Montur sichern eine Straße zum Palast der Unabhängigkeit.

Bereitschaftspolizisten in schwerer Montur sichern eine Straße zum Palast der Unabhängigkeit.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Sonntag ist für die Opposition der wichtigste Tag für Aktionen gegen den autoritären Präsidenten, der als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird. Regelmäßig warnt das Innenministerium in Minsk, dem Aufruf der Demokratiebewegung zu folgen. Dennoch beteiligten sich vor einer Woche Zehntausende an den Protesten. An den Sonntag zuvor waren es mehr als 100.000 Menschen.

"Gemeinsam sind wir stark"

Die Lukaschenko-Gegner hatten in den vergangenen Tagen übers Internet zu dem "Marsch der Einheit" aufgerufen. Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja, die unter dem Druck der Behörden in das EU-Land Litauen geflohen war, forderte ihre Landsleute auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. "Denkt daran: Gemeinsam sind wir stark", sagte sie in einem Video. Die Demonstranten sehen die Oppositionelle als wahre Siegerin der Abstimmung vom 9. August an. Lukaschenko will aber nach einem angeblichen Sieg mit rund 80 Prozent der Stimmen im November eine sechste Amtszeit beginnen. Die EU erkennt die Wahl nicht an. Der 66-jährige Lukaschenko lehnt zudem einen Dialog mit dem Koordinierungsrat der Bürgerbewegung ab.

Die Polizei ging gegen die Demonstranten vor. Uniformierte steckten vor allem Männer in Gefangenentransporter, wie auf Bildern und Videos zu sehen war. Laut Innenministerium wurden rund 100 Menschen festgenommen. Das Menschenrechtszentrum Wesna sprach landesweit von mehr als 165 Festnahmen. Auf Bildern war zu sehen, wie Sicherheitskräfte die Menschen in Polizeibusse zerrten. Vor allem Männer wurden abgeführt.

In anderen Städten des zwischen Russland und Polen gelegenen Landes gingen die Menschen auf die Straßen. In Brest und Grodno gab es Berichte, dass schwarz gekleidete Uniformierte Demonstrationen auflösten und viele Menschen festnahmen. Die Einsatzkräfte stürmten auf eine Gruppe von Demonstranten los und trieben die Menschen auseinander, wie auf Bildern zu sehen war. Es sei Tränengas eingesetzt worden, berichteten oppositionsnahe Kanäle im Nachrichtendienst Telegram.

Die Proteste dauern bereits seit genau vier Wochen an, jeden Tag gehen Menschen auf die Straßen. Zu Beginn ging die Polizei mit Gewalt vor und ließ zeitweise rund 7000 Menschen einsperren. Das sorgte international für Entsetzen und trieb in Belarus die Menschen weiter auf die Straße. Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt Lukaschenkos, Neuwahlen und die Freilassung politischer Gefangener.

Am Samstag waren zahlreiche Studenten und Frauen unterwegs. Berichten zufolge sollen es einige Tausende gewesen sein. Viele trugen Blumen bei sich und bildeten Menschenketten. Tichanowskajas Vertraute, Olga Kowalkowa, reiste nach einer Haftstrafe ins Nachbarland Polen aus. Die Behörden hätten ihr zur Wahl gestellt, das Land zu verlassen oder noch lange im Gefängnis zu bleiben, sagte sie in Warschau. Kowalkowa ist im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt.

Maas droht mit Sanktionen

Angesichts des Machtkampfes in dem osteuropäischen Land drohte Bundesaußenminister Heiko Maas mit einer Verschärfung von Strafmaßnahmen gegen Lukaschenko. "Wir erkennen als Europäische Union die Wahl nicht an und haben Sanktionen beschlossen. Diese setzen wir jetzt um. Wenn Lukaschenko nicht reagiert, wird es weitere Sanktionen geben", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". Zugleich stellte Maas klar, was er von der Führung in Minsk erwartet: "Ich fordere von Lukaschenko, dass er mit der Opposition verhandelt, dass die Wahl wiederholt wird, dass Lukaschenko sofort damit aufhört, friedliche Demonstranten einzusperren und zu misshandeln, dass er die Menschenrechte und die Pressefreiheit achtet."

Unterdessen wächst der Unmut über das Einreiseverbot für den Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz. "Diese Vorgehensweise der Behörden ist absolut inakzeptabel", sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der deutschen Bischofskonferenz. Dies sei ein Zeichen dafür, wie sehr sich die Regierung in Minsk von den friedlichen Protesten bedroht fühle. Kondrusiewicz ist das Oberhaupt der Katholiken in Belarus. Er hatte wiederholt zu Gewaltlosigkeit und Gebeten aufgerufen. Die katholische Kirche beklagte zuletzt Druck der Behörden in dem Land.

Quelle: ntv.de, hek/dpa

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