"Meiner Berechnung nach" Putin spricht von riesigen Verlusten aufseiten der Ukraine
13.06.2023, 18:16 Uhr Artikel anhören
Die ukrainischen Truppen haben bei ihrer Gegenoffensive nach Einschätzung westlicher Experten noch nicht die Hauptverteidigungslinie der russischen Streitkräfte erreicht. Die Verluste sollen nach Behauptungen von Kremlchef Putin aber schon horrend sein. Seine Aussagen widersprechen teilweise den Angaben der eigenen Leute.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat von katastrophalen Verlusten für die Ukraine bei deren Gegenoffensive gesprochen. "Meiner Berechnung nach hat die Ukraine 25 bis 30 Prozent der vom Ausland gelieferten Technik verloren", behauptete er bei einem Treffen mit russischen Militärkorrespondenten. Zudem seien die Verluste der Ukrainer zehnmal höher als auf russischer Seite. "Nicht an einem Frontabschnitt hat der Gegner Erfolg gehabt", so Putin. Kiew hatte zuvor die Rückeroberung mehrerer Siedlungen im Süden des Landes gemeldet. Internationale Experten und russische Militärblogger gaben zuletzt andere Einschätzungen als der russische Präsident ab und sprachen von kleineren Erfolgen der ukrainischen Streitkräfte. Auch der auf russischer Seite kämpfende Feldkommandeur Alexander Chodakowski hatte zuletzt Moskau widersprochen.
Laut dem Kremlchef handelt es sich bei den ukrainischen Verlusten zur Hälfte um Gefallene und Schwerverletzte, die nicht wieder einsatzfähig gemacht werden könnten. Zahlen wollte er nicht nennen. Er verwies stattdessen auf das Verteidigungsministerium in Moskau. "Konkret" wurde Putin immerhin bei den Kampf- und Schützenpanzern. Während ihrer Offensive habe die Ukraine über 160 Kampfpanzer und mehr als 360 gepanzerte Fahrzeuge verloren, behauptete er. Die eigenen Verluste bezifferte der russische Präsident auf 54 Panzer, wobei ein Teil davon wieder repariert werden könne. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
"Wenn es so weitergeht, kämpft Russland bald mit Aliens"
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte ebenfalls zuletzt von hohen Verlusten der Ukrainer gesprochen und die Abwehr aller Angriffe vermeldet. Allerdings haben sich die Angaben des Ministeriums in der Vergangenheit mehrfach als übertrieben und teilweise falsch herausgestellt. Der Chef der Söldnereinheit Wagner, Jewgeni Prigoschin, hatte für die verkündeten gigantischen Abschusszahlen der Behörde zuletzt nur Spott übrig. Als Minister Sergej Schoigu vor einer Woche bereits den Abschuss von acht Leopard-Kampfpanzern verkündete, kommentierte er sarkastisch: "Da erblasst sogar Baron Münchhausen vor Neid." Wenn es so weitergehe, kämpfe Russlands bald mit Aliens.
Wie viel letztlich dran ist an den Aussagen Putins, ist unklar. Beide Konfliktparteien befinden sich in einem Informationskrieg. Auch die ukrainischen Angaben zu Verlusten Russlands werden im Westen in der Regel als übertrieben eingestuft. Der Kremlchef gab sich nach einem Sektempfang zum nationalen Feiertag Tag Russlands am Montag bei verletzten Soldaten im Krankenhaus noch eher kleinlaut. Als er diese besuchte und auszeichnete, verzichtete er auf Standardsätze wie "Der Sieg wird unser sein" oder "Alles läuft nach Plan".
ISW: "Harter Kampf" für ukrainische Truppen
Kiew hatte zuletzt von sechs befreiten Dörfern im Gebiet Donezk und einem Ort im Gebiet Saporischschja gesprochen - mehr als 90 Quadratkilometer insgesamt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "harten Kampf" - auch weil Regen im Moment die Böden aufweicht. Schweres Militärgerät kommt so kaum voran. Zwar liegt die Initiative nach tagelangen Offensivhandlungen des ukrainischen Militärs ganz klar bei Kiew: Moskau und die russische Armee sind in der Defensive, aber noch sind Kiews Truppen nach Einschätzung von Experten auch nicht an die Hauptverteidigungslinie der Russen vorgedrungen. Die Ukraine versucht, mit taktischen Operationen in dem verminten Gebiet an die gut gesicherten Linien der Russen vorzustoßen und Schwachstellen zu finden, um dort einzubrechen.
Von einem Durchbruch könne bisher aber keine Rede sein, stellen auch die Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) fest. Erschwert würden die ukrainischen Vorstöße auch durch die russische Dominanz im Luftraum. Die Ukrainer erlitten Verluste gegen einige "der am besten vorbereiteten russischen Streitkräfte", heißt es in der ISW-Analyse. "Das russische Militär bleibt gefährlich, und die ukrainischen Truppen sehen sich einem harten Kampf ausgesetzt."
Quelle: ntv.de, rog/dpa