"Nazis verspüren Gegenwind" Rechtsextreme marschieren weniger
21.03.2020, 07:13 Uhr
Zumindest die Aufmärsche von Rechtsextremen werden weniger
(Foto: imago/Christian Mang)
Linken-Politikerin Jelpke hält die Entwicklung für "ermutigend": 2019 gab es weniger Aufmärsche von Rechtsextremen im Vergleich zu 2018 - dafür allerdings mehr Rechtsrock-Konzerte. Und der Verfassungsschutz hat keinen Zweifel, wo die größte Gefahr für die Demokratie lauert.
Die Zahl der Aufmärsche von Rechtsextremen ist 2019 laut einem Zeitungsbericht deutlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr fanden in Deutschland 124 solcher Veranstaltungen statt, einschließlich der sogenannten "Gida"-Treffen von Gruppen wie "Pegida", wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet.
2018 seien es noch insgesamt 195 rechtsextreme Aufmärsche und "Gida"-Treffen gewesen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Links-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Die höchste Zahl lag demnach in den vergangenen zehn Jahren bei 590 Treffen im Jahr der Migrationskrise 2015.
Dem Bericht zufolge gingen auch die Teilnehmerzahlen bei den Aufmärschen der Rechten zurück - von 32.000 im Jahr 2018 auf knapp 20.000 Teilnehmer im vergangenen Jahr. 2015 waren es einschließlich der "Gida"-Treffen noch knapp 100.000 Teilnehmer. Jelpke bezeichnete die Entwicklung als "ermutigend". "Andererseits muss man leider feststellen, dass viele rechtsextreme Hetzer mittlerweile auch in Parlamenten sitzen und dort die Parolen von der Straße verbreiten", sagte Jelpke der Zeitung.
Gleichzeitig stieg laut dem Bericht die Zahl der Musikveranstaltungen der Szene wie Rechtsrock-Konzerte und Liederabende. 372 solcher Veranstaltungen gab es 2019, 2018 waren es noch 320, 2015 waren es 211 Veranstaltungen. Allerdings gingen auch hier die Teilnehmerzahlen zurück. 22.232 Teilnehmer zählte die Bundesregierung im Jahr 2019, in den Vorjahren lag die Zahl kontinuierlich bei etwa 30.000 Teilnehmern. "Die Nazis verspüren Gegenwind durch die demokratische Gesellschaft, die im vergangenen Jahr gezeigt hat, dass Großevents wie im thüringischen Themar effektiv behindert werden können", sagte Jelpke der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung beschlossen, dass sich künftig ein Kabinettsausschuss mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus befassen wird. Der Ausschuss soll weitere, auch präventive Maßnahmen zur Bekämpfung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ergreifen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Einsetzung des Ausschusses nach dem Anschlag von Hanau angekündigt.
In Hanau hatte ein 43-jähriger Deutscher am 19. Februar neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Er tötete auch seine Mutter und sich selbst. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Mann eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank. Die Zahl rechtsextremer Anschläge in Deutschland ist nach Angaben der Sicherheitsbehörden deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr hatte ein Rechtsextremist versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen und zwei Menschen erschossen. Auch bei der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gehen die Ermittler von einem rechtsextremen Hintergrund der Tat aus.
Laut Verfassungsschutz ist Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus die derzeit "größte Gefahr" für die Demokratie in Deutschland. Das Gewaltpotenzial entlade sich "in realer Gewalt", sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang kürzlich mit Blick auf die jüngsten Anschläge. Diese Taten seien "blutende Wunden in der historischen Blutspur des Rechtsextremismus".
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer betonte Anfang des Monats, dass die größte Gefahr derzeit in Deutschland von rechts drohe. Die Entwicklungen von der rechten Terrorzelle NSU bis heute machten deutlich, dass "die Bedrohungslage durch den Rechtsextremismus in diesem Land sehr hoch ist und durch nichts relativiert werden kann".
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa