Zweite Amtszeit angetretenRechtspopulist Babis will Tschechien "zum besten Ort zum Leben" machen

Deutschlands Nachbar Tschechien hat eine neue Regierung. Und die Einstellung Prags zu der EU und Kiew dürfte sich ändern. Premier Babis will der Ukraine die Hilfen kürzen und zu Europa mehr Distanz. Zu seinen politischen Gegnern zählt der Staatschef.
Mehr als zwei Monate nach seinem Sieg bei der Parlamentswahl in Tschechien ist der rechtspopulistische Milliardär Andrej Babis offiziell von Tschechiens Präsident Petr Pavel zum Regierungschef ernannt worden. "Ich verspreche allen Bürgern der Tschechischen Republik, mich im In- und Ausland für ihre Interessen einzusetzen", sagte der 71-Jährige bei einer feierlichen Zeremonie auf der Prager Burg. Seine Kabinettsliste enthielt eigenen Angaben zufolge nicht mehr den wegen des Vorwurfs der sexuellen Gewalt kritisierten Politiker Filip Turek von der Autofahrerpartei.
Babis' Partei Ano war Anfang Oktober als Sieger aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Er steht nun an der Spitze einer EU-skeptischen Koalition mit der rechtsgerichteten Autofahrerpartei und der rechtsextremen SPD. "Ich werde alles dafür tun, dass die Tschechische Republik zum besten Ort zum Leben auf unserem Planeten wird", versprach er nun.
Die neue Regierung dürfte einen europa- und ukrainekritischeren Kurs als die vorherige einschlagen. Im Wahlkampf hatte Babis verkündet, Hilfen für die Ukraine zu kürzen. In ihrem Grundsatzprogramm erklärte die Koalition, die EU habe "ihre Grenzen" und kein Recht, Mitgliedstaaten Entscheidungen aufzuzwingen, die deren Souveränität verletzen. Präsident Pavel betonte vor diesem Hintergrund, Prag müsse sich zu "unseren Beziehungen sowohl innerhalb der EU als auch der Nato" bekennen. Er forderte Babis auf, "Weitsicht, aber auch Mut" zu zeigen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wünschte Babis Erfolg. Er erklärte im Onlinedienst X, er wolle die Zusammenarbeit zwischen Kiew und Prag stärken. "Wir müssen gemeinsam stark sein, um des dauerhaften Friedens, der Widerstandsfähigkeit und der Sicherheit Europas willen."
Vergewaltigung, Gewalt, Hitlergruß
Pavel muss nun noch den Rest des tschechischen Regierungskabinetts ernennen. Die Aufnahme des Ex-Rennfahrers und Ehrenvorsitzenden der Motoristen, Turek, auf Babis' ursprünglicher Kabinettsliste hatte für Aufruhr gesorgt. Turek sollte nach Babis' Wunsch Umweltminister werden. Ihm werden von einer früheren Partnerin Vergewaltigung und häusliche Gewalt vorgeworfen, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Zuvor war gegen ihn zudem wegen des Vorwurfs ermittelt worden, Nazi-Devotionalien besessen und einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Das Verfahren wurde jedoch später eingestellt. Präsident Pavel hatte bei Treffen mit Babis Einwände gegen Turek geäußert.
Der Präsident hatte Babis außerdem aufgefordert, seinen Interessenkonflikt als Eigentümer des Lebensmittel- und Chemiekonzerns Agrofert und als Spitzenpolitiker zu lösen. Babis, der bereits von 2017 bis 2021 Regierungschef von Tschechien war, sagte in der vergangenen Woche, er werde Agrofert vorerst einem unabhängigen Verwalter übergeben. Nach seinem Tod würden seine Kinder den Konzern erben.
Der neue Ministerpräsident muss der Verfassung zufolge innerhalb von 30 Tagen die Vertrauensfrage stellen. Gemeinsam verfügt das neue Dreierbündnis über 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus. Bis zur Ernennung aller neuen Kabinettsmitglieder bleiben die bisherigen Minister geschäftsführend im Amt. Deutschland und Tschechien, das knapp 10,9 Millionen Einwohner hat, verbindet eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze.