Frist läuft am Abend aus Macron unter Zeitdruck: Frankreich spekuliert über neuen Premier
10.10.2025, 13:44 Uhr Artikel anhören
Präsident Emmanuel Macron muss seinen achten Regierungschef ernennen.
(Foto: picture alliance / SIPA)
Präsident Macron sucht händeringend nach einem Weg aus der französischen Regierungskrise. Bis zum Abend will er den nächsten Premierminister ernennen, denn: Ein neuer Haushalt muss schnell her. Offen ist, ob Macron es erneut mit Kurzzeit-Premier Lecornu probiert oder ein noch größeres Wagnis eingeht.
Vier Tage nach dem überraschenden Rücktritt des französischen Premierministers Sébastien Lecornu will Präsident Emmanuel Macron noch an diesem Freitag seinen nächsten Regierungschef ernennen, der Spekulationen zufolge erneut Lecornu sein könnte. Am Abend läuft die Frist ab, die Macron sich für die Ernennung eines Premierministers selbst gesetzt hatte. Zuvor hat der Präsident um 14.30 Uhr alle Partei- und Fraktionschefs, mit Ausnahme der Vertreter der links- und rechtspopulistischen Parteien, in den Elysée eingeladen. Ein Grund für dieses Treffen wurde nicht genannt.
Derweil gibt es zahlreiche Spekulationen über den künftigen Premierminister, wobei weibliche Namen kaum genannt werden. Häufig wird gemutmaßt, dass Macron Lecornu erneut ernennen könnte. Macron hatte ihn gleich nach seinem Rücktritt damit beauftragt, weiterzuverhandeln, um Grundzüge eines Regierungsprogramms festzulegen.
Lecornu hatte am Mittwoch betont, dass er "dem Job nicht hinterherlaufe" und seine Mission für beendet ansehe. Er hatte sich aber auch optimistisch gezeigt, dass eine "absolute Mehrheit der Abgeordneten" sich auf einen Haushalt einigen könne.
Geht Macron aufs linke Lager zu?
Auch der Name des 75 Jahre alten früheren Ministers Jean-Louis Borloo als möglicher neuer Premierminister fiel mehrfach. Er hat seit mehr als zehn Jahren kein politisches Amt mehr inne, soll aber nach wie vor gut vernetzt sein. Borloo erklärte allerdings, dass der Elysée ihn bislang nicht kontaktiert habe.
Es gibt auch die Hypothese, dass Macron sich schließlich doch noch für einen Premierminister aus dem linken Lager entscheiden könnte, das bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr stark abgeschnitten hatte. Als Kandidaten werden der ehemalige Premierminister Bernard Cazeneuve und der Vorsitzende des Rechnungshofs, Pierre Moscovici gesehen.
Moscovici erinnerte daran, dass der Haushaltsentwurf für 2026 am Montag im Kabinett vorgelegt werden müsse, um bis Jahresende verabschiedet werden zu können. Dabei müsse es derselbe Entwurf sein, der vor Lecornus Rücktritt bereits zur Prüfung an den Rechnungshof gegangen war. Dieser sehe ein Defizit von höchstens 4,7 Prozent vor, betonte Moscovici in einem Interview mit "Le Parisien". Lecornu hatte nach den jüngsten Beratungen mit Parteivertretern angedeutet, dass ein Defizitziel von fünf Prozent denkbar sei.
Staatsdefizit und Haushalt im Fokus
"Die Zinsen für die Schulden betragen inzwischen 70 Milliarden Euro, 2021 waren es noch 25 Milliarden", sagte Moscovici. Mit Blick auf die Staatsfinanzen warnte er vor einem "Schneeballeffekt, der eine Lawine auslösen könnte".
Der neue Premierminister wird der achte seit Beginn von Macrons Amtszeit 2017 und der vierte seit den vorgezogenen Parlamentswahlen 2024. Diese Wahl hatte zu einer Spaltung der Nationalversammlung in drei Blöcke geführt - das linke Lager, das Regierungslager in der Mitte und das rechtspopulistische Lager - von denen keines mehrheitsfähig ist.
Die wichtigste Aufgabe des neuen Premierministers wird es sein, einen Haushalt durch das Parlament zu bekommen, der der dramatischen Finanzlage des Landes gerecht wird. Die Stimmen der Links- und Rechtspopulisten reichen gemeinsam allerdings weiterhin aus, um auch die nächste Regierung wieder zu stürzen.
Quelle: ntv.de, dsc/AFP