Franzosen, Italiener, Griechen? Wo Europa die Schuldenregeln bricht
25.10.2025, 11:15 Uhr Artikel anhören
Steigende Schuldenlasten im Staatshaushalt: Frankreich ist bei weitem nicht der einzige Defizitsünder in der EU.
(Foto: ntv.de | Blondet Eliot/ABACA)
Die ansteigende Staatsverschuldung verdüstert nicht nur im französischen Staatshaushalt den Ausblick. Mehr als die Hälfte aller EU-Staaten verstößt bei den Schuldenquoten gegen die vereinbarte Obergrenze. Es gibt jedoch erstaunlich konsequente Ausnahmen.
Bekommt Europa die ausufernde Staatsverschuldung in den Griff? Im vergangenen Jahr haben 12 der 27 EU-Länder mit ihrer Schuldenquote die Schwelle von 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung überschritten.
Fast alle dieser hoch verschuldeten Staaten liegen in der Eurozone, wie aus Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervorgeht. Einzige Ausnahme ist demnach das EU-Land Ungarn, das nicht der Währungsgemeinschaft angehört und derzeit eine Schuldenquote von 73,5 Prozent aufweist.
Richtschnur für das zulässige Ausmaß der Staatsverschuldung ist das Verhältnis der Verbindlichkeiten im Staatshaushalt zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Summe der Schulden zur jährlichen Wirtschaftsleistung.
Gemäß der geltenden Maastricht-Kriterien darf die jährliche Neuverschuldung in den nationalen Haushalten im Regelfall die 3-Prozent-Grenze nicht überschreiten. Die Summe der staatlichen Schulden sollte demnach nicht höher als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen.
Die Regeln zum Umgang mit der Staatsverschuldung sind eigentlich verbindlich vereinbart. Als sogenannte Konvergenzkriterien sollen sie die finanzielle Stabilität der Staaten garantieren und die Verhältnisse im gemeinsamen Wirtschaftsraum harmonisieren. Einzelne Staaten verstoßen jedoch seit Jahren gegen die Maßgabe.
Die höchste Schuldenquote zum Beispiel weist nach wie vor das Eurozonen-Mitglied Griechenland auf. Fast 15 Jahre nach dem Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise liegt die Schuldenquote dort laut Eurostat noch bei 154,2 Prozent, Tendenz allerdings fallend.
Die zweithöchste Schuldenquote aller EU-Staaten erreicht Italien mit zuletzt 134,9 Prozent. In Frankreich stieg die Schuldenquote im vergangenen Jahr auf 113,2 Prozent. Die deutsche Schuldenquote lag 2024 nach Eurostat-Angaben bei 62,2 Prozent.
Da die Wirtschaftsleistung je nach EU-Mitglied sehr unterschiedlich ausfällt, lohnt ein Blick auf die absoluten Summen: In Deutschland zum Beispiel - der stärksten Wirtschaftsmacht innerhalb der EU - entsprechen 62,2 Prozent der Wirtschaftsleistung einer Schuldenlast im Umfang von 2693,8 Milliarden Euro.
Im Nachbarland Frankreich - der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU - ächzt der Pariser Staatshaushalt unter einem Schuldenberg von 3305,3 Milliarden Euro. Italien hat Außenstände in Höhe von 2966,9 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Das sehr viel kleinere Griechenland hat derzeit nur rund 365 Milliarden Euro an Schulden, Portugal sogar nur 270,9 Milliarden. Das in absoluten Zahlen kleinste Schuldenproblem hat in Europa Estland: Dort sind es laut Eurostat nur 9,4 Milliarden Euro.
Mit Ausnahme von Luxemburg, Griechenland, Zypern, Dänemark, Irland und Portugal gaben alle 27 EU-Länder im vergangenen Jahr mehr Geld aus als sie einnahmen, heißt es im Anfang der Woche veröffentlichten Zahlenwerk der EU-Statistiker zur Lage der europäischen Staatsfinanzen.
Bei den jährlichen Einnahmen und Ausgaben attestiert Eurostat zwölf EU-Mitgliedstaaten Haushaltsdefizite von drei Prozent oder mehr bezogen auf die jeweilige Wirtschaftsleistung. Das höchste Defizit hatte 2024 den Daten zufolge Rumänien mit 9,3 Prozent. Deutschlands Defizit lag zuletzt bei 2,7 Prozent.
Regelbrecher riskieren Strafverfahren
Die europäischen Schuldenregeln, auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt, gelten für alle Mitgliedsländer der EU. Das Regelwerk schreibt unter anderem vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben.
EU-Staaten, die die selbst auferlegten Obergrenzen dauerhaft übertreten, riskieren blaue Briefe aus Brüssel und die Einleitung eines formellen Strafverfahrens. Gegen hoch verschuldeten Länder wie Frankreich und Italien sowie einige andere EU-Länder laufen derzeit solche Defizitverfahren.
Quelle: ntv.de, mit Material von dpa