Politik

Neue Corona-Rekordwerte Rivlin staucht Israels Regierung zusammen

Der Druck auf Israels Gesundheitssystem ist groß: Zuletzt gab es mehr als 2000 Neuinfektionen pro Tag.

Der Druck auf Israels Gesundheitssystem ist groß: Zuletzt gab es mehr als 2000 Neuinfektionen pro Tag.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Corona-Krise trifft Israel schwer. Während die Infektionszahlen erneut einen Höchststand erreichen, bestimmt die Regierung einen Corona-Beauftragten, der künftige Schutzmaßnahmen koordinieren soll. Zeitgleich liest Präsident Rivlin der Regierung die Leviten.

Nach massiver Kritik an ihrem Krisenmanagement hat die israelische Regierung einen Corona-Beauftragten ernannt. Ronni Gamzu, der den Sourasky-Medizinkomplex in Tel Aviv leitet, soll die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie koordinieren, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitteilte. Gamzu habe jahrelange Erfahrung im Gesundheitswesen, unter anderem als Verwaltungschef des Gesundheitsministeriums.

Die Besetzung der Position kommt zur rechten Zeit: Laut Gesundheitsministerium sind am Mittwoch 2032 Fälle gemeldet worden - ein Rekordhoch. Ein Wert von 2000 Neuinfektionen pro Tag gilt als Marke für noch schärfere Einschränkungen bis hin zu einem kompletten Lockdown.

"Reißt euch zusammen!"

Das Parlament billigte in der Nacht zum Donnerstag zudem ein umstrittenes Gesetz, das der Regierung rasche Entscheidungen im Kampf gegen das Coronavirus ermöglichen soll. Das Gesetz, das am 10. August in Kraft tritt, schwächt die Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Es erlaubt der Regierung, Beschränkungen zu verhängen, während das Parlament nur 24 Stunden Zeit hat, sie zu billigen oder zurückzuweisen. Im Notfall kann das Parlament auch umgangen werden, Knesset-Ausschüsse können Verordnungen dann erst nach einer Woche und höchstens binnen zwei Wochen rückgängig machen.

Israels Präsident Reuven Rivlin ermahnte bei Twitter unterdessen die Regierung, sich in der Corona-Krise auf Sacharbeit zu konzentrieren. "Wie alle Bürger dieses Landes betrachte ich die Entwicklungen in der Knesset mit großer Sorge, da sie die ohnehin fragilen Beziehungen der Koalitionspartner erschüttern", schrieb er. "Als Bürger und im Namen aller sage ich: Reißt euch zusammen!" Rivlin forderte: "Stoppt das Gerede von vorgezogenen Wahlen, von dieser schrecklichen Option zu dieser Zeit." Der israelische Staat sei keine Puppe, die im Streit herumgeschubst werden könnte.

Seit der Bildung der großen Koalition aus der Likud-Partei des rechtskonservativen Netanjahu und dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß des Verteidigungsministers Benny Gantz im Mai knirscht es in der Partnerschaft, etwa in der Frage des Vorgehens bei der Umsetzung der Annexionspläne im Westjordanland. Die Zeitung "Haaretz" berichtete unter anderem unter Berufung auf Netanjahu nahestehende Personen, der Regierungschef habe entschieden, keinen Haushalt für das laufende Jahr zu verabschieden und eine Neuwahl für den 18. November auszurufen.

In Israel war erst Anfang März gewählt worden. Es war die dritte Abstimmung binnen eines Jahres. Netanjahu muss sich wegen Korruptionsvorwürfen in drei Fällen vor Gericht verantworten. Das Verfahren könnte ihm sein Amt kosten. Dem "Haaretz"-Bericht zufolge ist Netanjahu überzeugt davon, dass noch vor dem Beginn der Beweisaufnahme im Januar eine Petition beim Obersten Gerichtshof eingereicht wird, die ihn dazu zwingen soll, zu erklären, dass er die Regierungsgeschäfte nicht fortführen kann, während er dreimal wöchentlich auf der Anklagebank sitzen muss.

Massenproteste formieren sich

Netanjahus Regierung steht zudem wegen der zweiten Corona-Infektionswelle und ihres chaotischen Umgangs mit der Pandemie massiv in der Kritik. Restaurants, Strände und Sportstudios wurden geschlossen, wieder geöffnet und dann wieder geschlossen. Die Corona-Beschränkungen haben zu einer Wirtschaftskrise geführt, die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als 20 Prozent. In Tel Aviv und Jerusalem gibt es immer wieder Massenproteste gegen die Regierung.

Mitte März wurde zunächst eine strikte Ausgangssperre verhängt und damit eine großflächige Ausbreitung des Virus verhindert. Mitte Mai hatte die Zahl der täglichen Neuinfektionen noch im zweistelligen Bereich gelegen. Ende Mai wurden wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen aber viele Einschränkungen wieder gelockert, in der Folge schnellten die Infektionszahlen in die Höhe.

Insgesamt wurden in Israel bislang mehr als 56.700 Sars-CoV-2-Infektionen registriert. Aktive Fälle gibt es derzeit mehr als 32.750, davon sind 295 Personen schwer erkrankt. 433 Menschen sind in Israel bislang nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.

Quelle: ntv.de, hek/dpa/AFP

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