Der Kriegstag im Überblick Russen bombardieren Odessa - Getreide-Blockade als "echtes Kriegsverbrechen"
20.06.2022, 21:28 Uhr
In der heftig umkämpften Stadt Sjewjerodonezk sind russische Truppen mittlerweile in das Industriegebiet vorgedrungen.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die südukrainische Stadt Odessa wird stundenlang bombardiert. Derweil nehmen russische Truppen ein Dorf nahe Sjewjerodonezk ein und dringen ins Industriegebiet der schwer umkämpften Stadt ein. Deutschland beschlagnahmt erstmals Immobilien von Russen. Während der EU-Außenbeauftragte ein "Kriegsverbrechen" beklagt, will US-Präsident Biden im Sommer nicht in die Ukraine reisen. Der 117. Kriegstag im Überblick.
Ukraine verliert Kontrolle über Dorf nahe Sjewjerodonezk
Die ukrainischen Behörden räumten den Verlust der Ortschaft Metjolkine, südöstlich des Verwaltungszentrums Sjewjerodonezk im Osten des Landes ein. "Die Kontrolle über Metjolkine nahe Sjewjerodonezk ist verloren", teilte der Militärgouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, auf seinem Telegram-Kanal mit. Das russische Verteidigungsministerium meldete bereits am Sonntag die Eroberung der Ortschaft. Laut Hajdaj sind in der heftig umkämpften Stadt Sjewjerodonezk russische Truppen in das Industriegebiet vorgedrungen. Dort werde bereits gekämpft, schrieb der Gouverneur.
Mehrere Explosionen in Odessa - Nahrungsmittel-Lager laut ukrainischem Militär zerstört
Die südukrainische Stadt Odessa ist nach Angaben eines Sprechers der Regionalverwaltung von mehreren Explosionen erschüttert worden. Die Detonationen seien nach dem Ertönen von Alarmsirenen zu hören gewesen. Nach Angaben des ukrainischen Militärs wurde ein Lagerhaus für Nahrungsmittel zerstört. Die russischen Streitkräfte hätten während eines dreistündigen Bombardements 14 Raketen abgefeuert, teilte das Militär mit.
Deutschland beschlagnahmt erstmals Immobilien von Russen
In Deutschland wurden zum ersten Mal auf Grundlage der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine Immobilien beschlagnahmt. Wie die Staatsanwaltschaft München I mitteilte, wurden drei Privatwohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt sowie das Konto für die Mietzahlungen beschlagnahmt. Betroffen seien ein namentlich nicht genanntes Mitglied der russischen Staatsduma und dessen in München mit Wohnsitz gemeldete Ehefrau.
Selenskyj: Russland nimmt Afrika als Geisel
Die Verhandlungen zur Aufhebung der Blockade ukrainischer Häfen gestalten sich nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schwierig. "Wir führen komplexe Verhandlungen auf mehreren Ebenen, um die Blockade unserer ukrainischen Häfen aufzuheben. Aber es gibt noch keine Fortschritte", sagte er in einer Videoansprache bei einem Treffen der Afrikanischen Union (AU). "Es wurde noch kein wirkliches Instrument gefunden, um sicherzustellen, dass Russland (die Häfen) nicht erneut angreift", so Selenskyj. Russland warf er vor, Afrika in dem Konflikt als "Geisel" zu nehmen. "Die weltweite Lebensmittel-Krise wird so lange dauern, wie dieser Kolonialkrieg andauert", sagte der Staatschef.
Getreide-Blockade laut EU-Außenbeauftragtem "echtes Kriegsverbrechen"
Das Problem der in der Ukraine blockierten Getreideexporte wird nach Einschätzung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gelöst werden. "Wir kommen voran und (...) ich bin mir sicher, dass die Vereinten Nationen am Ende eine Einigung erzielen werden", sagte der Spanier bei einem EU-Treffen zu den Verhandlungen insbesondere mit Russland und der Ukraine. Es sei unvorstellbar, dass Millionen Tonnen Weizen in der Ukraine noch immer blockiert seien, während im Rest der Welt Menschen Hunger litten. Zum Zeitpunkt einer möglichen Einigung sagte Borrell, er könne sich nicht vorstellen, dass es noch viel länger dauern werde. Wenn doch, werde Russland dafür verantwortlich sein. Die Blockade von Getreideexporten sei ein "echtes Kriegsverbrechen". Man dürfe den Hunger von Menschen nicht als Kriegswaffe missbrauchen.
Krim-Chef: Ukraine beschießt Gasförderplattformen im Schwarzen Meer
Die ukrainische Küstenverteidigung griff prorussischen Angaben zufolge schwimmende Gasförderplattformen im Schwarzen Meer mit Raketen an. Krim-Chef Sergej Aksjonow sprach von bislang 21 geretteten Menschen. Insgesamt hätten sich auf den Plattformen zuletzt 109 Menschen aufgehalten. Zuvor hatte der ukrainische Parlamentsabgeordnete Olexij Hontscharenko von Raketenschlägen gegen die Förderplattformen berichtet. Das ukrainische Militär kommentierte den Vorgang zunächst nicht. Die Plattformen befinden sich etwa 100 Kilometer von der Küste des Gebiets Odessa und 150 Kilometer von der Halbinsel Krim im Schwarzmeerschelf.
Während EU-Beratungen: Selenskyj rechnet mit verstärkten Angriffen
Russland wird nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seine Angriffe in den kommenden Tagen angesichts der Beratungen über das Beitrittsgesuch seines Landes zur Europäischen Union verstärken. "Diese Woche sollten wir von Russland eine Intensivierung seiner feindlichen Aktivitäten erwarten", sagte Selenskyj in einer Videoansprache. "Wir sind bereit." Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs werden bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag voraussichtlich entscheiden, dass die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten erhält.
US-Präsident Biden reist im Sommer nicht in die Ukraine
US-Präsident Joe Biden hat einen Besuch der Ukraine im Zuge der anstehenden Reisen nach Europa und in den Nahen Osten als "unwahrscheinlich" bezeichnet. Generell hänge eine solche Reise auch immer davon ab, ob sie Schwierigkeiten und Ablenkung für die Ukraine bringen würde, sagte Biden in Rehoboth Beach in seinem Heimatstaat Delaware. Ende Juni nimmt Biden in Deutschland am Gipfel der G7-Staaten in Elmau teil, anschließend reist er nach Madrid zum NATO-Gipfel. Für Mitte Juli plant Biden eine Reise nach Israel und Saudi-Arabien. "Und dann werde ich direkt nach Hause kommen", sagte er. Der US-Präsident ist seit Kriegsausbruch am 24. Februar noch nicht in die Ukraine gereist.
Medwedew will mit USA nicht über atomare Abrüstung sprechen
Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew lehnt Atomabrüstungsgespräche mit den USA zum jetzigen Zeitpunkt ab. Er begründete dies mit dem erkalteten Verhältnis der beiden Länder: "Wir haben derzeit keine Beziehungen zu den USA. Sie sind auf der Kelvin-Skala bei null", schrieb der Vertraute von Präsident Wladimir Putin und derzeitige Vizechef des nationalen Sicherheitsrates in einem Beitrag auf Telegram. Derzeit gebe es keinen Bedarf, mit den USA über nukleare Abrüstung zu verhandeln.
Moskau wirft Litauen "feindselige" Begrenzung der Lieferungen an Kaliningrad vor
Russland hat Litauen "offen feindselige" Beschränkungen des Bahn-Frachtverkehrs in die russische Exklave Kaliningrad im Zuge der EU-Sanktionen vorgeworfen und damit die Spannungen mit den baltischen Staaten angeheizt. Sollte der Frachttransit zwischen Kaliningrad und dem Rest Russlands über litauisches Gebiet nicht rasch vollständig wiederhergestellt werden, behalte sich Russland "das Recht auf Handlungen zum Schutz seiner nationalen Interessen vor", warnte das Außenministerium in Moskau.
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Quelle: ntv.de, dbe/dpa