Woher stammt das Gift?Russland fordert UN-Sitzung zu Skripal-Fall

Die Sondersitzung der Organisation für ein Chemiewaffenverbot bringt keine Annäherung. Russland will nun, dass sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Streit um den Skripal-Anschlag befasst. Derweil sind sich Experten immer noch uneins über die Herkunft des Gifts.
Die Auseinandersetzung um den Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal zieht immer weitere Kreise. Dem Antrag von Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja zufolge soll die Dringlichkeitssitzung bereits am Donnerstag in New York stattfinden. Sofern es zu dem Treffen kommt, ist eine direkte Konfrontation Nebensjas mit Großbritanniens UN-Botschafterin Karen Pierce wahrscheinlich.
Russlands Präsident Wladimir Putin forderte eine Lösung im Sinne des "gesunden Menschenverstands". Sein Auslandsgeheimdienstchef prangerte eine britisch-amerikanische Geheimdienstverschwörung an. Eine Sondersitzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) brachte zuletzt keine Annäherung zwischen Moskau und London.
Eine Abstimmung der Organisation brachte nicht genügend Stimmen, um eine gemeinsame Ermittlung zu starten. Dies hatte die Regierung in Moskau beantragt. 15 Länder stimmten gegen und sechs Länder für den russischen Vorschlag. China, der Iran, Aserbaidschan, Algerien und der Sudan votierten mit Russland. 17 Staaten enthielten sich. Die britische OPCW-Delegation hatte eine gemeinsame Untersuchung zuvor als "pervers" zurückgewiesen.
Moskau weist jede Verantwortung für den Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Skripal und dessen Tochter Julia am 4. März zurück. Während eines Besuchs in Ankara sagte Putin, der Konflikt müsse "basierend auf den grundlegenden Normen internationalen Rechts" beigelegt werden.
OPCW-Experten untersuchen Blut
Der Skripal-Fall hat zu der schwersten diplomatischen Krise zwischen Russland und Großbritannien sowie zahlreichen weiteren westlichen Staaten seit dem Kalten Krieg geführt. Viele westliche Staaten wiesen russische Diplomaten aus, worauf Russland ebenfalls mit Ausweisungen reagierte.
Der OPCW-Exekutivrat war kurzfristig auf Bitten Russlands in Den Haag zusammengekommen, um den Giftanschlag hinter verschlossenen Türen zu beraten. Die britische Regierung hatte bereits zuvor die internationalen Chemiewaffenexperten der OPCW gebeten zu ermitteln. OPCW-Experten untersuchten Blutproben von Skripal und dessen Tochter. Ein Ergebnis liegt bislang noch nicht vor.
Vor dem Exekutivrat bezeichnete der Chemielabor-Leiter des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Ribaltschenko, die britischen Vorwürfe als "falsch und absurd". Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax sagte Ribaltschenko, jedes moderne Labor könne die bei dem Anschlag verwendeten Substanzen herstellen. "Es gibt keinen einzigartigen Marker, der es erlaubt, ein Land als Hersteller der Substanz zu bestimmen."
Der deutsche Chemiker und Toxikologe Ralf Trapp erklärte indes: "Ich bin sicher, dass das Gift aus einem Labor kommt, das Bestandteil eines staatlichen Programms ist und Erfahrungen mit solchen Substanzen hat." Trapp schließt Labors von Terror-Organisationen oder kriminellen Banden aus. "Es braucht einen Grad von Erfahrung im Umgang mit diesen Stoffen und eine Kenntnis der dahinter stehenden Chemie." Infrage kämen einerseits Labors, die sich - wie die staatlichen Einrichtungen in der Sowjetunion und später in Russland - mit der Entwicklung solcher Stoffe befasst hätten. Fähig zur Produktion des Nowitschok-Giftes seien andererseits aber auch Einrichtungen, die zum Zwecke des Schutzes mit solchen Substanzen gearbeitet hätten. "Publiziert ist das zum Beispiel aus der ehemaligen Tschechoslowakei und aus dem Iran." Auch die Forschungsanlage im britischen Porton Down zähle dazu.