"Folge hybrider Kriegsführung" Russland schleust wohl gezielt Asylsuchende nach Europa ein
02.10.2023, 07:16 Uhr Artikel anhören
Die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt stößt allmählich an ihre Kapazitätsgrenzen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Jeden Tag erreichen 100 Geflüchtete Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze. Die Hälfte der Menschen kommt nach Behördenangaben inzwischen über Moskau und Belarus. Es seien gezielte Manöver von Russland, um Europa zu destabilisieren, sagt SPD-Bundestagsfraktionschef Mützenich.
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich macht für den starken Anstieg der Zahl der Asylanträge in Deutschland gezielte Manöver Russlands und Belarus mitverantwortlich. "Wir erleben eine Folge hybrider Kriegsführung vonseiten Russlands, bei der gezielt Flüchtlinge unmittelbar aus Syrien und anderen Krisengebieten eingeflogen und durchgeschleust werden, mit dem Ziel, Europa zu destabilisieren", sagte Mützenich der "Augsburger Allgemeinen".
Der starke Anstieg der Einreisen von Asylsuchenden über die Grenzen von Polen und Tschechien nach Deutschland spreche dafür, dass viele Flüchtlinge bewusst von Russland über Belarus über Umwege in die EU eingeschleust würden. "Natürlich flüchten diese Menschen vor Krieg und Unterdrückung, aber Russland nutzt diese Situation schamlos aus", sagte Mützenich.
Schleuser verlangen Tausende Euro
So kommen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt in Brandenburg täglich 100 Menschen an, Tendenz steigend. Ihr Weg nach Deutschland führt sie teils über die Balkanroute, aber inzwischen auch immer häufiger über Russland und Belarus. Schleuser verlangen für die Reise nach Deutschland Tausende Euro. "Täglich kommen hier sieben Tage die Woche etwa um die 100 Personen", sagt Olaf Jansen, Leiter der Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt, wo in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu 1550 Menschen untergebracht werden können. Jansen rechnet damit, dass es bald 120 täglich sein werden.
Er sieht von der Auslastung der Kapazitäten inzwischen eine ähnliche Lage wie zu Zeiten der Flüchtlingskrise von 2015/2016, wenn auch Geflüchtete aus der Ukraine einbezogen werden, die ohne Asylantrag in Deutschland bleiben können. Gleichzeitig wurden aber von Januar bis August deutschlandweit mehr als 220.000 Asylanträge anderer Nationalitäten registriert. Das ist schon jetzt mehr als in jedem Jahr seit 2016.
In Eisenhüttenstadt komme die Hälfte der Geflüchteten "über Moskau und Weißrussland" nach Deutschland, sagt Jansen. "Die andere Hälfte über die sogenannte Balkanroute, die mittlerweile über Ungarn und die Slowakei auch durch Polen verläuft." Schleuser verlangten von den Menschen "3000 bis 15.000 Dollar" (2800 bis 14.000 Euro), "je nachdem, wie komfortabel die Reise ist".
Flüchtlinge werden wohl instrumentalisiert
An der Grenze zu Belarus hat Polen eigentlich seit 2021 einen gut befestigten Grenzzaun errichtet. Schon damals warf die EU dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, bewusst eine Flüchtlingskrise auslösen zu wollen, um die Europäer unter Druck zu setzen. Jüngst warf auch Thüringens Innenminister Georg Maier Russland und Belarus erneut vor, Flüchtlinge zu instrumentalisieren. Demnach werden syrische Flüchtlinge aus der Türkei "organisiert" nach Russland geflogen, um dann über Belarus und Polen nach Deutschland zu kommen.
"Wir haben immer wieder Hinweise von einzelnen Geflüchteten, dass sie ganz konkret Hilfe bei der Überwindung der relativ gut ausgebauten polnisch-belarussischen Grenzanlagen erhalten", sagt Jansen. So erhielten sie etwa Leitern und Gerät, um Löcher in den Zaun zu schneiden.
Angesichts der steigenden Ankunftszahlen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun mit Polen und Tschechien mehr gemeinsame Kontrollen vereinbart, um Schleuser dingfest zu machen. Jansen begrüßt das: "Jeder Schleuser, der gefasst wird, bedeutet, dass er einige Dutzend Leute nicht mehr schleusen kann."
Quelle: ntv.de, hny/AFP