Fragen zu Absturz weiter offen Russland veröffentlicht Namen getöteter Flugzeug-Besatzung
25.01.2024, 10:13 Uhr Artikel anhören
Ein russisches Transportflugzeug stürzt nahe der Grenze zur Ukraine ab. An Bord sollen Dutzende Kriegsgefangene gewesen sein. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für den Vorfall verantwortlich. Jetzt geben russische Behörden die Namen der Crew bekannt.
Nach dem Absturz des russischen Militärflugzeugs Il-76 haben Behörden die Namen des getöteten Piloten und weiterer fünf Besatzungsmitglieder veröffentlicht. "Das ist für alle ein nicht wieder gutzumachender Verlust. Unser Beileid gilt den Familien und Freunden der Helden", teilten die Behörden der Region Orenburg mit. An Bord der Maschine waren nach russischen Angaben insgesamt 74 Menschen, darunter laut Verteidigungsministerium in Moskau auch 65 ukrainische Kriegsgefangene.
Im Fall der am Mittwoch im Gebiet Belgorod abgestürzten Iljuschin sind viele Fragen offen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine internationale Untersuchung zu dem Vorfall gefordert. Laut ukrainischen Medien hat der Staatschef eine für Donnerstag geplante Reise abgesagt und gebeten, auf feierliche Gratulationen zu seinem 46. Geburtstag zu verzichten.
Laut Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington können weder die russischen noch die ukrainischen Angaben unabhängig überprüft werden: Russische Stellen behaupten, die Maschine sei auf dem Weg zu einem Gefangenenaustausch abgeschossen worden. In der Ukraine war zwar bestätigt worden, dass für den Tag ein Austausch geplant gewesen war. Kiew hat sich aber nicht zu den Gefangenen an Bord der Maschine geäußert.
Nur zwei Fakten bekannt
Sicherheitsexpertin Claudia Major warnte vor voreiligen Schlüssen. Es seien derzeit zwei Fakten bekannt, sagte die Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im ZDF-"Morgenmagazin". "Das Flugzeug ist abgeschossen worden. Und es war ein Gefangenenaustausch geplant, der nicht stattgefunden hat." Dies seien derzeit "die einzigen verlässlichen Informationen".
Der Vorfall mache Major zufolge noch einmal deutlich, "dass dieser Krieg auch im Informationsraum stattfindet". Russland versuche "ganz klar", diesen Krieg auch mit Desinformation zu führen. Daher sei bei den Spekulationen Vorsicht geboten. Am Frontgeschehen ändere der Vorfall nichts, betonte die Expertin. Die Expertin sieht vor allem einen "Propaganda-Effekt". Der Vorfall sei "ein Beispiel mehr, wie Russland auch mit den ukrainischen Kriegsgefangenen umgeht", so Major.
Auf den Tag genau
Nach ISW-Angaben instrumentalisiert die russische Führung den Vorfall, um in der ukrainischen Gesellschaft Misstrauen zu säen gegen die Regierung in Kiew. Besonders die Frage des Austauschs von Kriegsgefangenen gelte für Ukrainer und Russen gleichermaßen als sensibles Thema, das Emotionen auslöse. Zudem wollten russische Funktionäre mit unbewiesenen Behauptungen, dass die Ukraine für den mutmaßlichen Abschuss deutsche oder US-Raketen eingesetzt habe, die militärische Unterstützung des Westens für das Land schwächen.
Das russische Flugzeug stürzte auf den Tag genau 23 Monate nach Beginn des Moskauer Angriffskrieges gegen das Nachbarland ab. Kremlchef Wladimir Putin hatte den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 befohlen. Das Land verteidigt sich mit westlichen Waffen gegen die russische Invasion. Dabei hatten ukrainische Verteidiger zuletzt auch massiv die Region Belgorod beschossen, von der aus Russland auch seine Truppen versorgt.
Quelle: ntv.de, hny/dpa