Datensammeln spaltet Partei SPD-Spitze wirbt in letzter Minute für Ja
20.06.2015, 06:51 Uhr
Ist Sigmar Gabriel zu weit gegangen oder folgt ihm seine Partei?
(Foto: picture alliance / dpa)
SPD-Chef Gabriel muss um die Gefolgschaft seiner Genossen bangen: Beim Parteikonvent bildet sich eine Front gegen die von ihm durchgeboxte Vorratsdatenspeicherung. Die Partei muss auf Linie gebracht werden - koste es, was es wolle.
Die SPD trifft sich zu einem Parteikonvent - und das Treffen wird zur Nagelprobe für Parteichef Sigmar Gabriel und den Kurs der Großen Koalition. Stein des Anstoßes ist für viele SPD-Mitgliedsverbände der Beschluss der Bundesregierung zu einem Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung. Gabriel persönlich hatte eine Kurswende der SPD verkündet, Justizminister Heiko Maas - bis dahin Gegner des Sammelns von Daten - stellte das neue Gesetz vor.
Etwa 100 SPD-Gliederungen sollen die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, um die übrigen kämpft die Parteispitze noch. Zuletzt hatte es Berichte über das Gerücht gegeben, Gabriel drohe mit seinem Rücktritt, sollte die SPD ihm die Gefolgschaft verweigern. Unmittelbar vor der wichtigen parteiinternen Entscheidung machte sich nun noch einmal Fraktionschef Thomas Oppermann für ein Ja stark. "Das Gesetz ist gut für den Datenschutz und schlecht für alle Verbrecher", sagte Oppermann der "Passauer Neuen Presse". "Deswegen hat die SPD-Bundestagsfraktion mit großer Mehrheit der Einbringung des Gesetzentwurfs zugestimmt."
Justizminister Heiko Maas habe "einen Gesetzentwurf mit Augenmaß" vorgelegt: "Er verbindet unsere zwei Ziele: einerseits höchstmöglicher Datenschutz, andererseits ein gutes Instrument zu schaffen, mit dem schwere Verbrechen aufgeklärt werden können", erklärte der Fraktionschef.
Gegner: "Tür bekommen wir nicht mehr zu"
Dagegen sprach der designierte Sprecher der Parlamentarischen Linken in der Fraktion, Matthias Miersch, in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" von einem "nicht akzeptablen Paradigmenwechsel". Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil sagte der "Stuttgarter Zeitung", wenn der Staat festlege, "dass von den Telekommunikationsunternehmen flächendeckend und anlasslos die Vorratsdaten aller Menschen gespeichert werden, dann wird eine Tür aufgemacht, die wir nicht mehr zu bekommen".
Miersch kritisierte auch, dass SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Abstimmung mit der Frage der Regierungsfähigkeit der Partei verbunden hatte. Das halte er "grundsätzlich nicht für richtig". Er fügte hinzu: "Sachfragen sollte keine Partei und niemand mit Personalfragen verknüpfen."
Die SPD-Spitze geht mit einem eigenen Antrag ins Rennen, der von Maas vorgestellt wird. Darin wird argumentiert, dass sein mit der Union verhandelter Gesetzentwurf sich im Rahmen eines Parteitagsbeschlusses von 2011 zugunsten einer eng begrenzten Vorratsdatenspeicherung bewege.
Göring-Eckardt: SPD wird "Abnickerpartei"
Laut Gesetzentwurf sollen Anbieter künftig die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefonaten zehn Wochen speichern und Standortdaten bei Handy-Gesprächen vier Wochen. Der Bundestag wird im Herbst endgültig entscheiden.
Opposition und FDP wollen die Pläne notfalls mit Klagen erneut vor dem Verfassungsgericht stoppen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stichelte: "Gabriel macht die SPD zu einer Abnickerpartei." In der "Rheinischen Post" fügte sie hinzu: "Es ist zu hoffen, dass sich die SPD-Basis auf dem Parteikonvent dem widersetzt."
Beim SPD-Konvent sollen auch die angestrebten Freihandelsabkommen Europas mit den USA (TTIP) und Kanada (Ceta) diskutiert werden, außerdem Hilfen für Alleinerziehende, Lohnunterschiede von Frauen und Männern und die Begrenzung von Leiharbeit.
Quelle: ntv.de, jog/dpa