Politik

Kein Zugpferd bei Kongresswahlen Biden macht es gut, nur kaum einer merkt's

Biden hat einiges vorzuweisen, doch seine Umfragewerte sind im Keller. Bei den anstehenden Kongresswahlen ist er für seine Partei kein Zugpferd.

Biden hat einiges vorzuweisen, doch seine Umfragewerte sind im Keller. Bei den anstehenden Kongresswahlen ist er für seine Partei kein Zugpferd.

(Foto: IMAGO/UPI Photo)

Im Fernsehen wirkt US-Präsident Biden manchmal alt und verwirrt. Damit flößt er nur wenigen Amerikanern Vertrauen ein. Seine Umfragewerte sind schlecht. Dabei hat Biden einiges vorzuweisen. Nicht nur das macht den Demokraten Hoffnung für die Kongresswahl.

Joe Biden hatte schon immer ein Faible für Fettnäpfchen - in Washington ist er seit Jahrzehnten berühmt dafür, kaum eines auszulassen. Und so gesehen bleibt sich der US-Präsident treu. Auch in den letzten Wochen und Monaten leistete er sich Patzer. Zum Beispiel die Sache mit der Kongressabgeordneten, die er bei einer Veranstaltung mit Namen aufrief, obwohl sie einige Wochen zuvor gestorben war. Oder wie er versuchte, eine Bühne zu verlassen und dann orientierungslos herumstand, so wie ein Grandpa, der vom Seniorenachmittag abgeholt werden muss.

Keine guten Voraussetzungen im Fernsehland USA. Und damit auch nicht für einen Wahlerfolg bei den Kongresswahlen am 8. November. Dann werden das Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats neu gewählt. Bidens Mehrheit in beiden Kammern steht auf dem Spiel. Auch wenn seine Demokraten es schaffen sollten, den Senat zu verteidigen, wird das im Repräsentantenhaus wahrscheinlich nicht gelingen. Damit droht Biden zur "lahmen Ente" zu werden, von der innenpolitisch nichts mehr erwartet würde.

Bidens Beliebtheit ist im Keller. Auch wenn er sich aus den katastrophalen Niederungen der Umfragen wieder etwas befreien konnte, sagen nur rund 42 Prozent der Wähler, sie mögen ihren Präsidenten. Das ist besser als vor wenigen Monaten, als es noch 10 Prozentpunkte weniger waren - gut ist der Wert aber wirklich nicht. Die Wahrheit ist: Biden ist genauso unbeliebt wie sein Vorgänger Donald Trump. Sein großes Ziel, das Land mit sich selbst zu versöhnen, ist ihm bisher nicht gelungen.

Ein Problem ist sein Alter von beinahe 80 Jahren, das er trotz eigentlich guter Fitness nur schwer verbergen kann. Entsprechend kritisch sehen viele eine mögliche erneute Kandidatur Bidens 2024. Dazu hat er sich offiziell noch nicht geäußert. Doch sieht es zumindest so aus, als ob er ernsthaft erwägt, noch einmal anzutreten. Übrigens genau wie Donald Trump.

Dabei polarisiert Biden nicht so wie sein Vorgänger. Der Tenor ist eher: Er ist sicher ein netter Typ, aber er ist zu alt und kann sich nicht durchsetzen. Wobei genau das so nicht stimmt. Bidens Bilanz kann sich sehen lassen. Hätte Trump so viel vorzuweisen gehabt, wäre er vermutlich gar nicht mehr aus dem Prahlen herausgekommen. Doch das ist nicht Bidens Sache. Und so verhallen seine mittlerweile zahlreichen Erfolge geradezu im Land. Hier die wichtigsten:

  • Das Infrastruktur-Paket, das im vergangenen November mit Hängen und Würgen zwar, aber dann eben doch durch den Kongress ging. Das sieht Maßnahmen in Höhe von einer Billion Dollar vor, die in Straßen, Brücken, Schienen, Wasserleitungen, Internet fließen sollen - wobei gut die Hälfte der Mittel neue Ausgaben sind. Bidens Demokraten bekamen dabei auch 19 Stimmen von republikanischen Senatoren. So schaffte es der Präsident, sein Versprechen zu halten, wieder mehr mit der anderen Seite zusammenzuarbeiten und die Überparteilichkeit zu stärken.
  • Das CHIPS-Paket, das die Produktion von Mikroprozessoren und Halbleitern in den USA stärken soll. Dabei sollen in den kommenden Jahren 200 Milliarden Dollar Fördermittel verteilt werden, um sich unabhängiger von Produzenten in Ostasien, insbesondere China, zu machen. In der Folge kündigten Konzerne wie Intel und Micron bereits den Bau neuer Fabriken in den Vereinigten Staaten an. Auch hier bekamen die Demokraten Zustimmung der Republikaner. Schließlich hatte Trump stets gegen China gewettert. Da wäre es wenig glaubwürdig gewesen, so ein Förderprogramm zu verhindern.
  • Das Gesetz zur Reduzierung der Inflation, das vor allem die größte Investition der US-Regierung in den Klimaschutz überhaupt ist - 391 Milliarden Dollar sind dafür in den kommenden Jahren vorgesehen. Außerdem sollen Medikamente günstiger werden und Unternehmen eine Mindeststeuer zahlen. Dass dieses große Paket im August den Kongress passierte war eine Sensation. Denn lange schien der Widerstand in den eigenen Reihen zu groß, um es durch den Senat zu bringen.
  • Die entschlossene Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Ohne die Waffenlieferungen aus den USA wäre die Ukraine wohl längst in russischer Hand. Es sind Systeme wie der HIMARS-Raketenwerfer aus dem US-Arsenal, die Russland das Leben schwer machen. Biden ist überzeugter Transatlantiker und kennt Putin seit Jahren persönlich. Er musste nicht erst lange unterrichtet werden, was zu tun ist. Er kannte sich aus und hielt die NATO zusammen. Alles keine Selbstverständlichkeit, insbesondere wenn man an seinen Vorgänger denkt.

Hinzu kommen ein großes Corona-Hilfspaket aus dem ersten Amtsjahr ("American Rescue Plan"), das strengste Waffen-Beschränkungsgesetz seit Jahrzehnten und eine verbesserte Krankenversicherung für Veteranen. Wenig beachtet wurde, dass Biden sich persönlich erfolgreich dafür einsetzte, einen Bahnstreik zu verhindern, der die Lieferkettenprobleme dramatisch verschlimmert hätte.

Dennoch sind die USA in einer schwierigen Lage - wegen der Inflation. Die Benzin-Preise haben sich zwar wieder etwas erholt, dafür sind Lebensmittel immer noch sehr teuer. Mit dafür verantwortlich ist ausgerechnet der boomende Arbeitsmarkt, eigentlich ein Pluspunkt für Biden. Da fast überall Fachkräfte gesucht werden, zahlen Unternehmen bessere Löhne, erhöhen aber in der Folge ihre Preise, um die Kosten wieder hereinzuholen. Die hohen Preise werden auch Biden vorgeworfen, auch wenn deren Bekämpfung eigentlich Job der Zentralbank ist.

Für viele seiner Gegner ist Biden ohnehin ein Sozialist oder eine von Linksextremen gesteuerte Marionette. Die Republikaner machen ihn für die Inflation verantwortlich, weil seine Administration so viel Geld ausgibt. Sie werfen ihm auch vor, zu wenig gegen illegale Einwanderung und Kriminalität zu tun. Sie attackieren ihn zudem wegen seines Sohnes Hunter, der alkohol- und drogensüchtig war und für ein Energieunternehmen in der Ukraine arbeitete, als Biden Vizepräsident war - was zumindest ein "Geschmäckle" hatte. Ein Fehlverhalten wurde Biden aber nicht nachgewiesen.

Wollen die Demokraten bei den "Midterms" eine schwere Niederlage verhindern, müssen sie die eigenen Wähler mobilisieren. Die dürften Bidens vergangenen Leistungen zur Kenntnis nehmen - doch bei Wahlen geht es in erster Linie um die Zukunft. Da kommt das Thema Abtreibung ins Spiel. Als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten das Recht darauf aus der Verfassung strich, ging ein Aufschrei durchs Land. Die Empörung könnte besonders die Demokraten an die Urnen treiben. Ebenso die Aussicht, dass ein Sieg der Republikaner auch als Sieg Trumps verstanden werden würde. Begeisterung für ihren Präsidenten wird es nicht sein.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 30. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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