Politik

Gericht begründet Böhmermann-Urteil "Schmähkritik" wegen Rassismus verboten

Sein "Schähgedicht" wird vom Landgericht Hamburg zur Kunst erhoben - und dennoch teilweise verboten.

Sein "Schähgedicht" wird vom Landgericht Hamburg zur Kunst erhoben - und dennoch teilweise verboten.

(Foto: dpa)

Das Teilverbot von Böhmermanns Erdogan-Gedicht hatte eine heftige Debatte ausgelöst. Nun reicht das Gericht seine ausführliche Begründung nach. Demnach sei das Werk zwar "eindeutig Satire", gehe aber in Teilen dennoch zu weit.

Knapp einen Monat nachdem es Moderator Jan Böhmermann die Wiederholung großer Teile seines Schmähgedichts auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verboten hatte, hat das Landgericht Hamburg nun die ausführliche, schriftliche Begründung der Entscheidung veröffentlicht. Demnach kann Böhmermann sich für sein Werk zwar grundsätzlich sowohl auf die Satire- als auch die Kunstfreiheit berufen. Doch einige Teile des Gedichts überschritten selbst die weitgefassten Maßstäbe, die bei der Beurteilung künstlerischer und satirischer Werke anzulegen seien. Deshalb sei dem Antrag auf einstweilige Verfügung in Bezug auf einige Zeilen des Gedichts stattgegeben worden. Laut dem Beschluss vom 19. Mai muss Böhmermann 250.000 Euro zahlen, sollte er die entsprechenden Zeilen wiederholen.

Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte den Beschluss scharf kritisiert und von "schweren handwerklichen Fehlern" gesprochen. Der Anwalt hatte die Verfügung "eklatant falsch" genannt und insbesondere kritisiert, dass das Gericht den Zusammenhang außer Acht gelassen habe.

In der nun veröffentlichten Begründung heißt es zunächst, dass Böhmermanns Werk "eindeutig Satire" darstelle und zudem auch als Kunst zu werten sei. Dabei betonen die Richter, dass es nicht ihre Aufgabe sei, eine "Niveau-Kontrolle" vorzunehmen. Zudem gestehen sie Böhmermann zu, dass, wie er und sein Anwalt mehrfach öffentlich gefordert hatten, auch der Kontext des Gedichts in der Sendung zu berücksichtigen sei, ebenso wie die Ereignisse, die ihn zum Verfassen veranlasst hatten. Böhmermann hatte mit seiner "Schmähkritik" auf die Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei reagiert, mit der die Regierung in Ankara gegen eine Satire der NDR-Sendung Extra3 protestierte.

"Mann, der Mädchen schlägt" ist zulässig

Hinzu komme, heißt es in der Begründung weiter, "dass der Antragsteller sich als Staatsoberhaupt aufgrund seines öffentlichen Wirkens stärkere Kritik gefallen lassen muss. Denn die Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen." Dagegen spreche auch nicht der umstrittene Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter speziell unter Strafe stellt.

Trotz dieses "weniger strengen Maßstabs", den die Richter bei der "Schmähkritik" anlegten, dürften Erdogans Rechte aber nicht völlig missachtet werden. Dass habe Böhmermann aber getan, indem er Vorurteile gegen Türken aufgegriffen habe, "die gewöhnlich als rassistisch betrachtet werden". Erschwerend komme hinzu, dass "in Kenntnis dessen, dass das Schwein im Islam als 'unreines' Tier gilt, der 'Schweinefurz' erwähnt wird". Außerdem, monieren die Richter, hätten "fast alle Zeilen sexuellen" Bezug.

Ausdrücklich betonen die Richter, dass die im Anhang zu Urteil nicht gekennzeichneten Zeilen weiterverbreitet werden dürften. So müsse Erdogan hinnehmen, dass er in satirischer Überspitzung als "der Mann, der Mädchen schlägt" bezeichnet wird. Denn bei dabei beziehe sich Böhmermann auf reale Vorfälle, "nämlich unter anderem das Schlagen von demonstrierenden Frauen am 'Weltfrauentag' durch Helm und Schutzkleidung tragende Polizisten".

Quelle: ntv.de, mbo

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