Synagoge in Dessau eröffnet Scholz: "Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands"
22.10.2023, 12:58 Uhr Artikel anhören
An der Eröffnung der neuen Synagoge nahmen unter anderem der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (v.l.), Kanzler Olaf Scholz, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Dessau, Alexander Wassermann, und der Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau, Robert Reck, teil.
(Foto: dpa)
Der Philosoph Moses Mendelssohn stammte aus Dessau, ebenso der Komponist Kurt Weill. Nach Letzterem ist eine neue Synagoge benannt, die nun eingeweiht wird. Kanzler Scholz verspricht dabei, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und zu stärken.
Rund zwei Wochen nach dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel ist im anhaltischen Dessau-Roßlau die neue Synagoge eingeweiht worden. Unter anderem war dazu auch Bundeskanzler Olaf Scholz gekommen. "Diese Synagoge mitten hier in Dessau sagt: Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands. Es gehört hierher", sagte der SPD-Politiker bei der Veranstaltung. Deutschland werde alles tun, um jüdisches Leben zu schützen und zu stärken.
Es empöre ihn zutiefst, "wie antisemitischer Hass und menschenverachtende Hetze sich seit diesem schicksalhaften 7. Oktober Bahn brechen - im Internet, in den sozialen Medien, rund um die Welt und beschämenderweise auch hier bei uns, in Deutschland", sagte Scholz, der bei der Veranstaltung eine Kippa trug. "Ausgerechnet hier, in Deutschland. Deutsche haben das Menschheitsverbrechen der Shoa begangen." Shoa kommt aus dem Hebräischen und meint die Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden während des Zweiten Weltkriegs.
Die Weill-Synagoge ist nach Angaben der Stadt das erste in Sachsen-Anhalt neu erbaute jüdische Gotteshaus seit der Wiedervereinigung. Neben Scholz waren zu der Einweihung auch der israelische Botschafter Ron Prosor, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff von der CDU sowie der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Mark Dainow, gekommen. Unter den Gästen war auch der Vorstand des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Max Privorozki, der Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Halle ist. Seine Gemeinde war vor vier Jahren Ziel eines antisemitischen Anschlags geworden, bei dem zwei Menschen getötet wurden.
Die Bundesrepublik werde alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, damit die von der Hamas entführten Geiseln freikämen, sagte Scholz weiter. Der Terror der Gruppe sei nicht nur eine Zäsur für Jüdinnen und Juden weltweit, "sondern für uns alle". Für Antisemitismus dürfe es in Deutschland keinerlei Toleranz geben.
Prosor kündigt "langen Krieg" gegen Hamas an
Botschafter Prosor sagte, der 7. Oktober sei der schlimmste Tag in der Geschichte Israels gewesen. "Israel wird nie wieder so sein wie davor." Er kündigte einen "langen Krieg" gegen die Hamas an, für den einzig die Terrormiliz verantwortlich sei. Der Vizepräsident des Zentralrates, Dainow, sagte, alter Antisemitismus sei "in neuem Gewand auf den deutschen Straßen wieder präsent". Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, Alexander Wassermann, sagte, sein Haus solle ein Haus der Begegnung und des regen Austauschs sein. Es solle auch anderen Religionsgruppen fürs Gebet offenstehen.
Ministerpräsident Haseloff betonte, die Synagoge sei ein "Symbol eines Neuanfangs". "Aber wir müssen uns auch an die Vergangenheit erinnern, uns ihr immer wieder stellen." Die Zukunft müsse gemeinsam so gestaltet werden, "dass Frieden und Menschlichkeit immer mehr Raum greifen". Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Robert Reck nannte die Einweihung einen "historischen Moment von großer Bedeutung". Die neue Synagoge sei ein Ort des Gebets, der Begegnung und des Miteinanders. Die Jüdische Gemeinde gestalte das kulturelle Leben in der Stadt mit, bereichere und präge sie.
Nachdem die Hamas am 7. Oktober Israel angegriffen und Israel daraufhin den Gazastreifen bombardiert hatte, war es in den vergangenen Tagen auch in Deutschland vielerorts zu pro-palästinensischen Protesten gekommen. Daher kam der Einweihung besondere Aufmerksamkeit zu, die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch. Laut Polizei sollten unter anderem Spezialkräfte des Landeskriminalamts eingesetzt werden.
Die Weill-Synagoge steht im Zentrum unweit des Rathauses der für das Bauhaus berühmten Stadt. Sie ergänzt das 1908 erbaute und heute denkmalgeschützte Rabbinerhaus. Dort hatte der in Dessau geborene Namensgeber der Synagoge, Kurt Weill (1900-1950), seine Kindheitsjahre verbrachte. Sein Vater Albert Weill war Kantor der Gemeinde. In den 1920er-Jahren wurde Weill durch seine Musiktheater-Kompositionen bekannt. Zu seinen Werken zählt unter anderem die von ihm komponierte Musik zu Bertolt Brechts Theaterstück "Die Dreigroschenoper". Mit der neuen Synagoge verfügt die Gemeinde über ein modernes, barrierefreies Zentrum. Erste Pläne für den Bau gab es bereits vor einigen Jahren. 2015 hatte die Kurt-Weill-Stiftung eine erste Studie für ein neues Gotteshaus in Auftrag gegeben.
Quelle: ntv.de, mli/dpa