Politik

Geldwäsche-Vorwürfe im Ausschuss Scholz foppt die Union

Durch den Hintereingang kommt Olaf Scholz als Überraschungsgast in den Finanzausschuss des Bundestags.

Durch den Hintereingang kommt Olaf Scholz als Überraschungsgast in den Finanzausschuss des Bundestags.

(Foto: dpa)

CDU und CSU wollen den SPD-Kanzlerkandidaten im Finanzausschuss in Not bringen. Das Ziel scheitert aber im Ansatz. Trotzdem muss der Sozialdemokrat ein Eingeständnis machen, das aus Sicht der Opposition ganz und gar nicht zu seiner Selbstdarstellung passt.

Montagmorgen gegen 10 Uhr lieferte Olaf Scholz der Öffentlichkeit ein neues Indiz, das sein Image festigen könnte, ein cleverer Stratege zu sein. Er erschien plötzlich doch selbst im Finanzausschuss des Bundestages, kam durch einen Hintereingang, sodass ihn die Kameras nicht filmen konnten. Der Überraschungseffekt war umso größer, weil die SPD noch am Wochenende gestreut hatte, der Bundesfinanzminister werde seinen Wahlkampf in Baden-Württemberg unterbrechen und sich online in die Sondersitzung - wegen der Corona-Pandemie durchaus üblich - einschalten.

Der SPD-Kanzlerkandidat durchkreuzte den Plan der Union, ihm eine Missachtung des Bundestages vorwerfen zu können oder ihn herbeizitieren zu lassen, was so ausgehen hätte wie: Scholz tritt zum Rapport an. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte am Sonntag erklärt: "Sollte Herr Scholz am Montag nicht persönlich dem Parlament Rede und Antwort stehen und lieber Wahlkampf machen, wäre es die nächste Entgleisung. Dann verschaukelt er das Parlament." Andere Unionspolitiker hatten sich ähnlich geäußert, verbunden mit dem Verweis, dass Scholz in der Bevölkerung mit dem Motto "Respekt" für sich werbe - käme er nicht, wäre das respektlos den Abgeordneten gegenüber.

Aber Scholz war da und drängte die Union aus der Offensive in die Defensive. Nach der Sitzung stand der Sozialdemokrat als derjenige da, der von sich behaupten konnte, aus freien Stücken auf Wahlkampf verzichtet und - unabhängig davon, wie man seine Aussagen bewertet - bereitwillig Auskunft über sein Regierungshandeln gegeben zu haben. Den Vorwurf, ihm sei die Jagd nach Stimmen wichtiger als die auf Geldwäscher, konnte die Union in Bezug auf die Sondersitzung nicht mehr glaubhaft erheben.

Scholz wird einzeln befragt

Die Sozialdemokraten feierten ihren Genossen und sprachen von einem Eigentor der Union. Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann sah sich in seiner Haltung bestätigt, es handele sich "nur um Wahlkampfgetöse ohne Substanz". Wie vergiftet die Atmosphäre zwischen den scheidenden Regierungspartnern CDU und CSU sowie SPD eine knappe Woche vor der Wahl ist, zeigte sich schon daran, dass die Union in einer Verfahrensfrage mit der Opposition stimmte - aus Sicht der Sozialdemokraten ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, der ein einheitliches Votum verlangt.

Dabei ging es um die Art und Weise der Befragung von Scholz. Union und Opposition setzten gemeinsam durch, dass der Minister von allen Fraktionen einzeln nacheinander befragt wird. Normalerweise werden die Fragen der Abgeordneten gesammelt und im Block beantwortet. "Ungewöhnlich ist vor allem, dass darüber zu Beginn einer Sitzung abgestimmt wird", sagte Zimmermann. Das zeige, "wie sehr in der Union die Nerven blank" lägen und sie "in Panik" sei.

Die Sondersitzung drehte sich im Wesentlichen um die Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Anti-Geldwäsche-Einheit FIU, die an das Bundesfinanzministerium angebunden ist. Vor zehn Tagen hatten Staatsanwälte aus Osnabrück im Scholz-Ressort digital gespeicherte Dokumente sowie E-Mails in Augenschein genommen. Die Ermittlungen drehen sich um die Frage, ob die FIU Hinweise von Banken auf Terrorfinanzierung zu spät an Polizei und Justiz weitergab, weshalb geplante Taten nicht erkannt werden konnten. Die Staatsanwälte wollen herausfinden, welche Mitarbeiter der FIU berufliche Kontakte nach Berlin hatten.

Minister hat FIU-Leiter noch nie getroffen

Gegen den Minister und ihm direkt unterstellte Beamte wird nicht ermittelt. Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, hatte öffentlich den Eindruck zu vermitteln versucht, dass Scholz selbst im Verdacht stehe, indirekt kriminellen Machenschaften Vorschub geleistet zu haben, die Andeutungen aber im letzten Triell nicht wiederholt. Die SPD hatte sich gegen die Aussagen Laschets verwahrt mit dem Hinweis, dass der Leitende Oberstaatsanwalt des Verfahrens CDU-Mitglied mit politischen Ambitionen sei. Die Sondersitzung hatten die Oppositionsparteien Linke, Grüne und FDP beantragt. Die Union war auf den Zug aufgesprungen.

Ausschussmitglieder, die Scholz nicht zugeneigt sind, beschrieben seinen Auftritt als "wie immer aalglatt", "arrogant" und "selbstdarstellerisch". Die FIU kommt bei der Bearbeitung von Verdachtsmeldungen nicht nach, was Scholz angekreidet wird. Der Kanzlerkandidat verteidigte sich nach Angaben von Teilnehmern wie so oft in den vergangenen Tagen damit, dass er die Zahl der Mitarbeiter in der Behörde deutlich aufgestockt habe. Neue Leute müssten erst eingearbeitet werden. Der Abbau der Hinweise komme gut voran. Der SPD-Abgeordnete Zimmermann erklärte, in der Sitzung sei "nichts rumgekommen". In den Medien stehe mehr als das, was das Finanzministerium aufgrund der Ermittlungen öffentlich erklären dürfe.

Die Opposition sah das ganz anders. Lisa Paus von den Grünen erklärte, Scholz habe nichts zur Aufklärung und echter Fehleranalyse beigetragen, dafür aber wieder "alle Verantwortung für das Chaos" bei der FIU und der Geldwäschebekämpfung von sich gewiesen. FDP-Finanzexperte Florian Toncar äußerte sich ähnlich. Die FIU als wichtiger Bestandteil bei der Entdeckung dunkler Geldströme sei eine "regelrechte Ruine". Das Raster, das die Einheit zur Auswertung der Verdachtsmeldungen anwende, weise "erschreckende Lücken" auf, die Scholz nicht geschlossen habe. Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk meinte: "Scholz hat sich zwei Stunden Zeit genommen und wieder nichts gesagt."

Die Union erneuerte ihre Beschuldigungen. Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach sagte, der Minister habe keinen der Vorwürfe ausräumen können. Sein CDU-Kollege Matthias Hauer erklärte auf Twitter, sogar das SPD-geführte Justizministerium habe die FIU schon im Mai 2020 scharf kritisiert, ohne dass etwas geschehen sei. Scholz habe im Ausschuss geschwiegen, wie er es auch bei den Skandalen um die Wirecard-Pleite und dubiose Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank tue. Statt ihn freizustellen, schütze Scholz den Staatssekretär, der den Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Osnabrück auf Twitter veröffentlicht habe, erklärte Hauer.

An einer Stelle konnte die Opposition nach eigener Einschätzung die Selbstdarstellung von Scholz allerdings torpedieren, er kümmere sich intensiv um die FIU. Nach Angaben mehrerer Ausschussmitglieder räumte der Minister ein, die Behörde in seiner Amtszeit nie besucht zu haben und ihrem Leiter Christof Schulte in der Sondersitzung erstmals persönlich begegnet zu sein. Gottschalk nannte das "einen neuen Hammer in der Liste der vielen Hämmer", die sich Scholz geleistet habe. Und Toncar meinte: "Deutlicher kann man gar nicht sein Desinteresse zeigen."

Quelle: ntv.de

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