Deutsche untersuchen weiter Schweden stellt Ermittlungen zu Nord-Stream-Sabotage ein
07.02.2024, 11:38 Uhr Artikel anhören
Die schwedische Küstenwache stellte dieses Foto vom Leck der Pipelines am 28. September 2022 zur Verfügung.
(Foto: AP)
Wer steckt hinter den Lecks der Nord-Stream-Pipelines? Für die schwedische Staatsanwaltschaft ist klar: Es waren keine Schweden, weshalb sie die Ermittlungen fallen lässt - zum Ärger des Kreml. Deutschland geht dem Fall jedoch weiter nach und könnte von der schwedischen Entscheidung profitieren.
Die schwedische Staatsanwaltschaft stellt ihr Ermittlungsverfahren zur Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee ein. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass es keine schwedische Zuständigkeit in dem Fall gebe, teilte der mit den Untersuchungen betraute Staatsanwalt Mats Ljungqvist mit.
Bei den umfassenden Ermittlungen sei nichts gefunden worden, das darauf hindeute, dass Schweden oder schwedische Staatsbürger an dem Angriff in internationalen Gewässern beteiligt gewesen seien, erklärte Ljungqvist. Die deutschen Ermittlungen in dem Fall gingen weiter, betonte er. Mehrere deutsche Medien hatten bereits am Dienstag berichtet, dass Ljungqvist das Verfahren offenbar einstellen wolle. Ihnen zufolge könnten die deutschen Behörden von dem schwedischen Schritt profitieren, weil die Schweden ihnen ihre Beweismittel zur Verfügung stellen könnten.
Die Bundesanwaltschaft teilte mit, dass die Ermittlungen von deutscher Seite aus andauern. "Weitergehende Auskünfte werden derzeit nicht erteilt", erklärte eine Sprecherin in Karlsruhe.
Russland kritisierte die Einstellung der Ermittlungen zur Sabotage an den Pipelines. "Die Entscheidung ist bezeichnend, und es ist bezeichnend, wie sie (die Ermittlungen) beendet wurden", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge. Russland sei bis heute kein Zugang zu den Ermittlungsergebnissen gewährt worden. Und nun werde der Fall einfach zu den Akten gelegt, kritisierte er. Laut Peskow muss nun die deutsche Regierung beweisen, wie wichtig ihr die Aufklärung des Falls sei. "Es leiden die Steuerzahler Deutschlands und deutsche Firmen - die Unternehmen verlieren ihre Wettbewerbsfähigkeit ohne dieses Gas", sagte er.
Mehrere Explosionen nahe Bornholm
Ende September 2022 waren mehrere Explosionen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines entdeckt worden. In Schweden wurden daraufhin ebenso Ermittlungen aufgenommen wie in Deutschland und in Dänemark. Schnell kamen die Ermittler zu dem Schluss, dass die Detonationen durch Sabotage hervorgerufen wurden. Wer dahintersteckt, ist bis heute nicht geklärt. Die russische Führung hatte unter anderem die Geheimdienste aus den USA und Großbritannien für den Anschlag verantwortlich gemacht.
Gas floss allerdings schon vor der Sprengung nicht mehr durch die Leitungen. Nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Russland die Lieferungen über Nord Stream schrittweise gedrosselt und Anfang September 2022 völlig eingestellt; angeblich wegen technischer Probleme. Beobachter vermuteten, dass damit der Druck auf den Westen und insbesondere Deutschland erhöht werden sollte, wegen des Kriegs erlassene Sanktionen gegen Russland zurückzunehmen.
Ljungqvist bestätigte im November 2022 die von Anfang an gehegte Vermutung, dass es sich um schwere Sabotage handelte. Analysen hätten Sprengstoffreste an mehreren Fremdkörpern gezeigt, erklärte er. In einem gemeinsamen Brief an den Weltsicherheitsrat schrieben die UN-Botschaften Deutschlands, Dänemarks und Schwedens im Juli 2023, die Ermittler hätten Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Segeljacht entdeckt. Es bestehe der Verdacht, dass diese zum Transport des bei der Sabotage eingesetzten Sprengstoffs genutzt worden sei, hieß es in dem Schreiben. Man habe herausgefunden, dass das Boot im Namen einer Person angemietet worden sei, die Dokumente verwendet habe, mit denen die Identität des echten Mieters verschleiert werden sollte.
Täterfrage ungeklärt
Nach Experteneinschätzungen sei es möglich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten, an denen die Gasleitungen beschädigt worden seien, hieß es in dem Brief weiter. Gleichzeitig wurde darin aber auch betont, dass die Täterfrage ungeklärt sei: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht möglich, die Identität der Täter und ihre Motive zuverlässig zu klären, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob der Vorfall von einem Staat oder einem staatlichen Akteur gesteuert wurde."
Nord Stream 1 und 2 verlaufen jeweils als Unterwasser-Doppelstrang über eine Strecke von rund 1200 Kilometern von Russland nach Deutschland. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 einen erheblichen Anteil des nach Europa importierten Gases. Allerdings hatte Moskau die Lieferungen im Zuge der Konfrontation mit dem Westen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schon vor der Zerstörung gedrosselt und dann ganz eingestellt. Die neuere Nord-Stream-2-Pipeline war bereits mit Gas gefüllt, aber mangels Zertifizierung noch nicht in Betrieb.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa