Verfassungsschutz alarmiert Seehofer erwartet "Querdenker"-Beobachtung
15.04.2021, 19:31 Uhr
Die sogenannten Querdenker könnten ein Fall für den Verfassungsschutz werden.
(Foto: picture alliance / Ostalb Network)
Die Corona-Proteste haben sich auch zu seinem Sammelbecken von Demokratiefeinden entwickelt. Das entgeht dem Verfassungsschutz nicht. Innenminister Seehofer rechnet nun damit, dass die Behörde künftig noch genauer hinschaut.
Bundesinnenminister Horst Seehofer rechnet mit einer bundesweiten Beobachtung der "Querdenker"-Bewegung durch die Verfassungsschutzbehörden. "Wir haben diese Szene von Anfang an stark im Blick. Wir schauen uns genau an, wer da teilnimmt und wie das Verhalten ist", sagte der CSU-Minister in Berlin. Die Probleme und die Gewaltbereitschaft in dieser Szene hätten zugenommen, "deshalb geht die Tendenz bei uns, auch im Verfassungsschutzverbund, eher in die Richtung, diese Szene zu einem Beobachtungsobjekt zu erklären". Er würde - Stand heute - auch vermuten, "dass es dazu kommt".
Es mache ja keinen Sinn, "wenn wir nach jeder solchen Entgleisung feststellen, es darf sich nicht wiederholen und es wiederholt sich dann doch", sagte Seehofer mit Blick auf die Zustände bei einigen der zurückliegenden Protestkundgebungen der Bewegung. Er sei hier für massive Polizeipräsenz und die Anwendung des Prinzips: Wehret den Anfängen.
Berlin beobachtet bereits Teile
Am Vortag hatte bereits der Berliner Verfassungsschutz Teile der Corona-Protestbewegung unter Beobachtung gestellt. Die Proteste hätten sich "in Teilen radikalisiert" und seien zu "einem Katalysator und Ventil für Demokratieskepsis und zum Teil sogar Demokratieverachtung" geworden, hatte Innensenator Andreas Geisel gesagt. Die Protestveranstaltungen seien von Verfassungsfeinden genutzt worden, um demokratiefeindliche Positionen zu verbreiten. "Das einigende Band ist nicht Corona, sondern Demokratieskepsis und Verachtung", sagte Geisel.
Auch Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer hatte sich dafür ausgesprochen, die "Querdenken"-Bewegung bundesweit zum Verdachtsfall zu erklären. Der Verfassungsschutz schaue bei den Demonstrationen schon länger hin. "Jetzt ist es mittlerweile aber so, dass die Extremisten die Wortführerschaft und mehr und mehr die Regie übernehmen, auch wenn sie zahlenmäßig nicht in der Mehrheit sind", sagte Kramer.
Thüringen fordert einheitliches Vorgehen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft eine Bewegung als Verdachtsfall ein, wenn es gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht. Das bedeutet, dass der Geheimdienst personenbezogene Daten auswerten und speichern kann. Das Bundesamt kann die betroffene Gruppierung unter strengen Voraussetzungen systematisch beobachten und nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, also heimlich Informationen beschaffen. So soll herausgefunden werden, ob sich der Verdacht erhärten lässt und ob eine Gruppierung als erwiesen extremistisch eingestuft wird. Es handelt sich also um eine Übergangsphase.
Bei den Demonstrationen seien Vertreter der sogenannten Neuen Rechten dabei, Reichsbürger und Vertreter des inzwischen offiziell aufgelösten "Flügels" der AfD, sagte Kramer. "Auch dadurch ergibt sich für mich die Situation, dass bei der 'Querdenken'-Bewegung hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, um sie als Verdachtsfall zu bearbeiten." Darüber sei man sich auch im Verfassungsschutzverbund einig. Kramer forderte, dass die Bewegung nun bundesweit zum Verdachtsfall erklärt werden und das Bundesamt für Verfassungsschutz die Koordinierungsarbeit übernehmen sollte.
Quelle: ntv.de