Politik

Besuch bei der CSU Seehofer ist keine Gefahr mehr für Merkel

Ein Tiefpunkt in den Beziehungen von Horst Seehofer und Angela Merkel: der gemeinsame Auftritt am 20. November 2015.

Ein Tiefpunkt in den Beziehungen von Horst Seehofer und Angela Merkel: der gemeinsame Auftritt am 20. November 2015.

(Foto: dpa)

Zwei Jahre ist es her, da demütigte Horst Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne. Heute kommt sie zum ersten Mal wieder zu einem CSU-Parteitag. Attacken wie damals muss Angela Merkel nicht befürchten.

Wenn Angela Merkel an diesem Freitag auf dem Parteitag der CSU eine Rede hält, dann schließt sich ein Kreis. Am 20. November 2015, ebenfalls bei einem CSU-Parteitag, hatte Horst Seehofer die Kanzlerin so radikal vorgeführt, dass die beiden es bis zur Bundestagswahl nicht schafften, ihr Verhältnis zu kitten. Unter den Folgen leiden beide Parteien bis heute.

Dabei hatte das, was zur öffentlichen Demütigung geriet, ein eigentlich harmloser Auftritt sein sollen: Dank für das Grußwort, das die CDU-Chefin zuvor gehalten hatte, Blumen, fertig. Stattdessen sprach Seehofer dreizehn endlose Minuten, in denen Merkel weitgehend regungslos neben ihm auf der Bühne stand.

Es war nicht nur der Inhalt der Rede. Nachdem Seehofer ausgeführt hatte, dass die Flüchtlingszahlen nur mit einer Obergrenze reduziert werden könnten, klatschten die Delegierten ausgiebig. Den Beifall ließ er fast vollständig ausklingen. Über 45 Sekunden machte Seehofer keinerlei Anstalten, den Applaus zu stoppen.

Nichts wie raus

Die Kanzlerin stand den größten Teil der Tortur mit verschränkten Armen durch. Merkel hat mal verraten, dass sie als junge Politikerin nie wusste, was sie bei öffentlichen Auftritten mit ihren Händen machen solle. Das allein jedoch war es an diesem Tag in München nicht: Um ihre Arme nicht hängen zu lassen, macht Merkel normalerweise bekanntlich die Raute. Neben Seehofer fühlte sie sich jedoch offenkundig so unwohl, dass sie sich selbst umklammerte.

Seehofer sprach, wie er dies häufig bei Pressekonferenzen macht: in aller Seelenruhe. Immer wieder sah er zu Merkel und redete sie direkt an. Die Art des Auftritts täuschte vor, man befinde sich hier in einem Dialog. Das war natürlich nicht so: Eine Antwort der Kanzlerin war weder vorgesehen noch möglich, hätte Merkel nicht riskieren wollen, auch noch ausgebuht zu werden.

Ihr Mienenspiel lässt allenfalls ahnen, was in diesen Momenten in ihr vorging. Als Seehofer sagt, es gehe darum, die internationale Verantwortung und die nationalen Interessen zu verbinden, nickt sie mit leicht hochgezogenen Augenbrauen. Genau das tue ich, wird sie vermutlich gedacht haben. Irgendwann ist Seehofer fertig, Merkel schnappt sich ihr Redemanuskript, schüttelt ihm die Hand, lächelt gequält und will die Bühne schnurstracks verlassen. Ach ja, die Blumen, dazu noch ein Präsent. Dann nichts wie raus.

Es ging auch um Söder

Seehofers öffentliche Demütigung der Kanzlerin war nur ein Höhepunkt von immer heftigeren Attacken, die der CSU-Chef über insgesamt zwei Jahre gegen Merkel richtete. Bereits im Oktober 2015 hatte er damit gedroht, die Bundesregierung wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen. Im Februar 2016 sagte Seehofer, es gebe "im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung, es ist eine Herrschaft des Unrechts" - eine Wortwahl, die den Attacken aus der AfD gegen Merkel sehr nahe kam. Seit dem Sommer 2016, verstärkt im Frühjahr 2017 zum Auftakt des Wahlkampfes, zelebrierten Merkel und Seehofer immer wieder die Versöhnung, ohne sich wirklich auszusöhnen. Eine inhaltliche Einigung in der Flüchtlingspolitik gelang ihnen erst nach der Bundestagswahl.

Man kann all diese Angriffe Seehofers gegen Merkel auch als den Versuch lesen, Markus Söder zu verhindern. Denn der bayerische Finanzminister hatte sich im Streit um die Flüchtlingspolitik als scharfer Kritiker in Stellung gebracht. Schon im Oktober 2015 stellte er sogar das Grundrecht auf Asyl infrage. Mit Söder im Rücken hatte Seehofer möglicherweise kaum eine andere Wahl, als sich brutalstmöglich von Merkel abzugrenzen.

Funktioniert hat das bekanntlich nicht. Bei der Bundestagswahl erlitten sowohl CDU als auch CSU heftige Verluste. Auf dem CSU-Parteitag am morgigen Samstag wird Söder nun zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst nominiert. Schon im ersten Quartal des kommenden Jahres wird Seehofer die Staatskanzlei für Söder räumen.

Dem ZDF hat Seehofer mal gesagt, er habe Merkel damals, im November 2015, nicht sehen können, weil sie "hinter mir stand, halblinks". Beim Parteitag in Nürnberg, so kündigte er der "Süddeutschen Zeitung" zufolge an, werde er Merkel nicht aus den Augen lassen. Aber jetzt gibt es ja auch keinen Grund mehr, die Kanzlerin anzugreifen.

Quelle: ntv.de

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