Schweizer Friedensgipfel endet Selenskyj: Zieht Moskau Truppen ab, beginnen morgen Verhandlungen
16.06.2024, 16:33 Uhr Artikel anhören
Ein starkes Signal für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj: Die deutliche Mehrheit der 93 Teilnehmerstaaten unterzeichnet die Abschlusserklärung der Friedenskonferenz in der Schweiz.
(Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE/POOL)
Klar, eine Zustimmung aller vertretenen Staaten ist das Optimum. Aber immerhin 80 unterzeichnen die Abschlusserklärung des Friedensgipfels in der Schweiz und senden damit ein starkes Signal nach Kiew und Moskau. Präsident Selenskyj legt nach und stellt Gespräche mit Russland in Aussicht.
Nach der Ukraine-Konferenz in der Schweiz hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen russischen Truppenabzug als Bedingung für die Aufnahme von Friedensverhandlungen genannt. "Russland kann morgen mit uns Verhandlungen beginnen, ohne auf etwas zu warten, wenn es sich von unseren rechtmäßigen Territorien zurückzieht", sagte Selenskyj zum Abschluss der Ukraine-Konferenz im schweizerischen Bürgenstock vor Journalisten. Er fügte aber hinzu: "Russland und seine Führung sind nicht bereit für einen gerechten Frieden."
Die Abschlusserklärung des Friedensgipfels in der Schweiz hatten zuvor allerdings nicht alle Teilnehmerstaaten mitgetragen. Nach einer Aufstellung der Schweizer Gastgeber wurde das Dokument von 80 der 93 Teilnehmerstaaten gebilligt.
Unter den Ländern, die nicht zustimmten, sind danach sechs Staaten aus der G20-Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt: Brasilien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Indien und Indonesien. Außerdem scherten Armenien, Bahrain, Thailand, Libyen und die Vereinigten Arabischen Emirate, Kolumbien und Vatikan aus. Die Türkei, die versucht hat, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln, gehört zu den Unterzeichnern.
Die UN-Charta und die "Achtung der territorialen Integrität und Souveränität" würden die Grundlage für "einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine" sein, hieß es in der Abschlusserklärung der 80 Landesvertreter. Zudem unterstützte die überwiegende Mehrheit der Länder auch die Forderung nach einem vollständigen Austausch gefangener Soldaten und der Rückkehr deportierter ukrainischer Kinder. Auch dürfe die "Lebensmittelsicherheit auf keinen Fall militarisiert" werden. Ein weiteres wichtiges Thema bei dem Treffen war auch die Vermeidung eines atomaren Katastrophenfalls durch den Krieg, bei dem unter anderem das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden monatelang umkämpft war. Die Ukraine müsse die volle Kontrolle über das AKW erhalten, forderten die Länder in der Abschlusserklärung.
Amherd: Das kann Diplomatie leisten
Selenskyj lobte, dass bei dem Treffen "erste Schritte in Richtung Frieden" unternommen worden seien. Das Abschlussdokument könne von allen unterzeichnet werden, die sich hinter die UN-Charta stellten.
Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd räumte ein, dass die "Perspektiven und Ausgangspositionen sehr unterschiedlich" gewesen seien. Aber immerhin habe zum ersten Mal eine hochrangige und breit gestützte Konferenz über einen Friedensprozess gesprochen. Es seien einige inhaltliche Voraussetzungen für einen Weg zum Ende des Ukraine-Kriegs geschaffen worden. Dass sich die weit überwiegende Mehrheit der anwesenden Staaten auf das Bürgenstock-Kommuniqué geeinigt habe, zeige, was Diplomatie in geduldiger Arbeit leisten könne, so Amherd.
Selenskyj will zeitnah zweite Konferenz
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Konferenz habe zu Recht den Titel "Weg zum Frieden" getragen, da der Frieden nicht in einem einzigen Schritt erzielt werde. Es habe sich nicht um Friedensverhandlungen gehandelt, da der russische Staatschef Wladimir Putin kein echtes Interesse an einem Ende des Kriegs habe. Er bestehe auf einer Kapitulation und der Übernahme von ukrainischem Gebiet, sagte von der Leyen. Zudem wolle er, dass die Ukraine entwaffnet und damit angreifbar werde. Derartigen Bedingungen könne man nicht zustimmen.
Ähnlich äußerte sich der ukrainische Präsident. Nach seiner Ansicht solle bald ein zweites Treffen folgen. Entsprechende Vorbereitungen würden nur Monate und nicht Jahre dauern, sagte Selenskyj. Einige Staaten hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, Gastgeber eines solchen Gipfels zu sein. Voraussetzung für eine Teilnahme Russlands sei, dass sich Moskau zur UN-Charta bekenne, sagte von der Leyen. In der Abschlusserklärung ist von einer Folgekonferenz keine Rede.
Beobachter rechneten damit, dass die Konferenz kaum Auswirkungen auf den russischen Krieg in der Ukraine haben wird, weil Russland nicht eingeladen war. Bei dem Gipfel ging es darum, den Ukraine-Krieg wieder in den Fokus zu rücken, nachdem der Gaza-Krieg und Wahlen internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AP/AFP