Soldaten, Sicherheit, SonderzoneSelenskyj gibt Einblick in Friedensplan und sieht Moskau am Zug

Noch sind vor allem territoriale Fragen ungeklärt, doch einzelne Punkte eines möglichen Friedensplans werden von Wolodymyr Selenskyj publik gemacht. Ob sich der Kreml darauf einlässt, ist unklar. In Moskau gibt man sich schmallippig.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erstmals öffentlich die 20 Punkte für einen von den USA angestoßenen Friedensplan ausgebreitet. Laut dem Entwurf sind etwa Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach dem Vorbild von Artikel 5 der Nato - das ist die Beistandsklausel - und eine Stärke der Armee von 800.000 Soldaten vorgesehen, wie Selenskyj ukrainischen Medien zufolge vor Journalisten in Kiew erklärte.
Der Präsident selbst sprach von einem Entwurf für ein Rahmendokument und wiederholte seine Äußerungen vom Vortag, nach denen es weiter Klärungs- und Gesprächsbedarf gebe. Er forderte ein weiteres Treffen mit US-Präsident Donald Trump, um die heikelsten Punkte, etwa über territoriale Fragen, zu erörtern.
Ungeklärt ist etwa weiter die Frage um die von Russland für einen Waffenstillstand geforderten Gebietsabtretungen vor allem in der Region Donezk, die die Ukraine noch zu einem Teil kontrolliert. Demnach sind in dem Papier neben ukrainischen auch russische und US-Positionen enthalten.
Laut dem ukrainischen Präsidenten sieht der jüngste Plan ein Einfrieren der Kampfhandlungen an den aktuellen Frontlinien vor. "Die Truppenaufstellung zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung wird de facto als Kontaktlinie anerkannt", erklärte Selenskyj. Zudem ebne der Plan den Weg für einen Rückzug der Ukraine und die Schaffung entmilitarisierter Zonen. "Eine Arbeitsgruppe wird zusammentreten, um die zur Beendigung des Konflikts erforderliche Umverteilung der Streitkräfte zu bestimmen und die Parameter für mögliche künftige Sonderwirtschaftszonen festzulegen", führte Selenskyj aus.
Diese Punkte stehen im aktuellen Plan:
Bestätigung der Souveränität der Ukraine.
Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine über einen Nichtangriff samt einem Überwachungsmechanismus.
Verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Die Ukraine soll in Friedenszeiten eine Armee mit einer Stärke von 800.000 Soldaten haben.
Die USA, Nato und europäische Staaten sollen der Ukraine Sicherheitsgarantien nach dem Vorbild von Artikel 5 des Militärbündnisses geben. Bei einem neuen russischen Angriff sollen demnach alle globalen Sanktionen gegen Moskau wieder in Kraft treten. Bei einem Angriff der Ukraine auf Russland sollen alle Sicherheitsgarantien wegfallen. Wenn Russland die Ukraine angreift, sollen die Sicherheitsgarantien ziehen.
Juristisch verbindliche Verpflichtung Russlands zu einem Nichtangriff auf die Ukraine und Europa. Moskau soll dies durch Gesetze und Ratifizierung der Staatsduma absichern.
EU-Beitritt der Ukraine und bis dahin vorrangiger Zugang zum europäischen Binnenmarkt.
Vereinbarung über ein Investitions- und Entwicklungspaket für die Ukraine, darunter auch die Zusammenarbeit mit US-Firmen beim Wiederaufbau, bei der Modernisierung der Gasinfrastruktur und beim Abbau von Rohstoffen.
Schaffung von Fonds für den wirtschaftlichen Wiederaufbau mit dem Ziel, 800 Milliarden Dollar (678 Milliarden Euro) an Investitionen anzulocken.
Ukraine beschleunigt den Prozess für ein Freihandelsabkommen mit den USA.
Ukraine bestätigt ihren neutralen Status als Staat ohne Atomwaffen.
Das Atomkraftwerk Saporischschja soll gemeinsam genutzt werden. Nach US-Vorstellungen sollen Russland und die Ukraine das AKW zu gleichen Teilen nutzen. Die Ukraine will dagegen ein Joint Venture mit den USA zum Betrieb des Kraftwerks - ohne russische Beteiligung.
Ukraine und Russland sollen Bildungsprogramme auflegen, in denen gegenseitiges Verständnis und Toleranz Themen sind. Die Ukraine soll sich auch zu EU-Normen der religiösen Toleranz und zum Schutz der Sprachen von Minderheiten bekennen.
Territoriale Aufteilung: Russland zieht seine Truppen aus den Gebieten Dnepropetrowsk, Mykolajiw, Sumy und Charkiw ab. Variante A sieht ein Einfrieren der Frontlinie in den Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson vor; Variante B eine per Referendum bestätigte Freihandelszone im Donbass.
Nach einer Bestätigung der Territorialvereinbarung verpflichten sich Russland und die Ukraine, keine gewaltsamen Veränderungen vorzunehmen.
Russland verpflichtet sich, die Ukraine nicht bei der Nutzung des Flusses Dnepr und des Schwarzen Meers zu hindern.
Schaffung eines Komitees für humanitäre Fragen, das sich etwa um den Austausch aller Kriegsgefangenen und um die Rückkehr aller inhaftierten Zivilisten, darunter Kinder und politische Gefangene, kümmern soll.
Die Ukraine soll möglichst schnell nach Unterzeichnung der Vereinbarung Wahlen abhalten, zuerst für das Präsidentenamt, dann auch für das Parlament und auf kommunaler Ebene.
Die Friedensvereinbarung ist juristisch bindend und soll durch einen Friedensrat unter Führung von US-Präsident Donald Trump kontrolliert werden. In dem Rat soll es auch Vertreter der Ukraine, der EU, Nato, USA und Russlands geben.
Nach Zustimmung aller Seiten soll ein vollständiger Waffenstillstand in Kraft treten.
Kreml will sich nicht öffentlich äußern
Er erwarte noch im Laufe des Tages eine russische Antwort, sagte Selenskyj. Der Entwurf werde derzeit von Moskau geprüft, "wir werden eine russische Reaktion erhalten, nachdem die Amerikaner mit ihnen gesprochen haben", gab Selenskyj am Dienstag in einer Erklärung vor Journalisten bekannt, die heute veröffentlicht wurde. Die russische Regierung kündigte ihrerseits an, ihre Positionen zu den US-Vorschlägen zu formulieren. Präsident Wladimir Putin sei von seinem Gesandten Kirill Dmitrijew über dessen Reise in die USA unterrichtet worden, teilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit. Eine Reaktion auf die Vorschläge lehnte Peskow jedoch ab. Der Kreml werde in solchen Fragen nicht über die Medien kommunizieren.
Am Wochenende hatten Vertreter der USA und der Ukraine im US-Bundesstaat Florida über ein Ende des russischen Angriffskriegs beraten. Die USA hatten vor gut drei Wochen einen Plan zur Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vorgelegt, der in seiner ursprünglichen Fassung als sehr Moskau-freundlich galt. Auf Drängen der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten wurde der Plan in zentralen Punkten überarbeitet.