Selenskyj zu Antisemitismus "Russische Führung hat Lehren aus Zweitem Weltkrieg vergessen"
04.05.2022, 11:39 Uhr (aktualisiert)
Wenn Russland Ukrainer in Filtrationslagern quäle oder zur Zwangsarbeit verschleppe, verwerfe es alle Errungenschaften als Sieger über den Nationalsozialismus, sagte Selenskyj.
(Foto: picture alliance / SVEN SIMON/The Presidential Offi)
Mit seiner wirren Kriegspropaganda, wonach viele Juden wie auch der ukrainische Präsident Selenskyj Antisemiten wären, löst der russische Außenminister Lawrow Empörung aus. Selenskyj wirft dem Kreml nun vor, die Rollen von Tätern und Opfern bei Nazi-Verbrechen vertauschen zu wollen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat empört auf den antisemitischen Ausfall von Russlands Außenminister Sergej Lawrow reagiert. In einer Umkehrung von Tätern und Opfern habe Russlands oberster Diplomat das jüdische Volk für die Verbrechen der Nazis verantwortlich gemacht, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft in Kiew. Aus Moskau gebe es keinen Widerspruch dagegen. "Solch ein antisemitischer Angriff ihres Ministers bedeutet, dass die russische Führung alle Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg vergessen hat oder sie vielleicht nie gelernt hat", sagte Selenskyj.
Der 44-Jährige ist Jude. Wenn Russland Ukrainer in Filtrationslagern quäle oder zur Zwangsarbeit verschleppe, verwerfe es alle Errungenschaften als Sieger über den Nationalsozialismus, sagte er. Lawrow hatte am Sonntag im italienischen Fernsehen die russische Kriegspropaganda wiederholt, in der Ukraine seien Nazis am Werk.
Als Gegenargument werde gesagt: "Wie kann es eine Nazifizierung geben, wenn er (der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj) Jude ist? Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind."
TV-Sender gehört Berlusconi
Der TV-Konzern Mediaset des ehemaligen Regierungschefs Silvio Berlusconi, zu dem Rete4 gehört, verteidigte die Sendung und die Einladung Lawrows. Dieser sei "die Nummer zwei in der Russischen Föderation. Das Interview mit dem russischen Außenminister ist ein Dokument der Zeitgeschichte", sagte Generaldirektor Mauro Crippa. Lawrows Äußerung stieß in Israel und vielen Ländern auf Empörung.
Nach dem Auftritt Lawrows kritisierte auch der italienische Ministerpräsident Mario Draghi die Sendung. "Man sprach zwar von einem Interview, aber in Wahrheit war das eine Wahlkundgebung", sagte Draghi angesprochen auf die Causa. In Italien gebe es zwar - anders als in Russland - Presse- und Redefreiheit. Aber Draghi fand: "Man muss sich fragen, ob es akzeptabel ist, jemanden einzuladen, der interviewt wird, ganz ohne Widerrede. Das war keine Glanzleistung, da kommen einem seltsame Dinge in den Kopf." Zuvor hatten schon etliche andere Politiker die Sendung heftig kritisiert. Italiens Chef der Sozialdemokraten und ehemaliger Ministerpräsident Enrico Letta sprach von einem "Abgrund".
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 03. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, lve/dpa