Mehr als fünf Stunden langSelenskyj und US-Vertreter verhandeln im Kanzleramt

Wie soll es in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine weitergehen? Kanzler Merz begrüßt den ukrainischen Präsidenten sowie Steve Witkoff und Jared Kushner in Berlin.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist im Bundeskanzleramt mit den US-Unterhändlern Steve Witkoff und Jared Kushner zusammengekommen. Die drei berieten gut fünf Stunden lang über das weitere Vorgehen in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine. Die Beratungen sollen am Montag fortgesetzt werden.
Selenskyjs Berater Dmytro Lytwyn teilte mit, der ukrainische Präsident werde sich am Montag zu den Gesprächen äußern. Witkoff zog ein positives Fazit. Es seien "große Fortschritte" erreicht worden, erklärte er nach dem Treffen im Onlinedienst X.
Kanzler Friedrich Merz hatte sich nach Informationen aus Regierungskreisen nach einer kurzen Begrüßung zurückgezogen. Der außen- und sicherheitspolitische Berater von Merz, Günter Sautter, war als eine Art Moderator im Kleinen Kabinettssaal dabeigeblieben.
Zu Selenskyjs Delegation zählen Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow und Generalstabschef Andrij Hnatow. Umjerow ist Selenskyjs Chefunterhändler sowie Sekretär des Rates für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine. Selenskyj wollte mit Witkoff vor allem seine letzten Vorschläge zum Friedensplan von US-Präsident Donald Trump erörtern. Er habe bisher keine US-Reaktion auf seine jüngsten Änderungsvorschläge erhalten, antwortete Selenskyj laut ukrainischen Medien auf Fragen von Journalisten.
Ein Friedensplan werde nicht so aussehen, dass er allen gefalle, meinte Selenskyj. Es gebe Kompromissvorschläge. "Das Allerwichtigste ist, dass der Plan möglichst gerecht ist, vor allem für die Ukraine. Das Wichtigste ist, dass er effektiv ist", sagte er. Die US-Delegation hatte am Vormittag zunächst Gespräche in einem Berliner Hotel geführt. Der ukrainische Unterhändler Umjerow fuhr gemeinsam mit Sautter zu dem Hotel, in dem die US-Delegation abgestiegen war.
Amerikanischer Vier-Sterne-General vor Ort
Auch der amerikanische Vier-Sterne-General Alexus Grynkewich kam nach Berlin. Nach Angaben seines Sprechers reiste der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa als ranghoher Vertreter des US-Militärs an, um den US-Verhandlern militärischen Rat zu geben - im Rahmen von Trumps Bemühungen um Frieden.
Am Montagnachmittag werden Merz und Selenskyj bei deutsch-ukrainischen Wirtschaftsgesprächen erwartet. Für Montagabend hat Merz europäische Staats- und Regierungschefs ins Kanzleramt eingeladen, um über den Stand der Gespräche zu beraten.
Selenskyj hatte vor seinem Abflug in Kiew mitgeteilt, dass die Ukraine auf eine von Russland und den USA abgelehnte Nato-Mitgliedschaft verzichten könnte, wenn sein Land im Gegenzug umfassende Sicherheitsgarantien gegen einen erneuten russischen Überfall erhalten sollte. Er hatte sich vergangene Woche zudem zu den von Trump geforderten Wahlen in seinem Land ausgesprochen, dafür aber Sicherheitsgarantien der USA gefordert. Zudem akzeptierte er die derzeitige Kontaktlinie zwischen der russischen und der ukrainischen Armee als Startpunkt für einen Waffenstillstand.
Merz und andere EU-Staats- und Regierungschefs hatten die US-Regierung mehrfach gewarnt, sie dürfe mit Russland keinen Diktatfrieden über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg vereinbaren. Es besteht der Verdacht, dass Trump einen schnellen Waffenstillstand will - notfalls auf Kosten der Ukraine. Anfang Dezember hatte der russische Präsident Wladimir Putin Witkoff und Kushner empfangen.
Um die Ukraine zu stärken, will die EU am Donnerstag die Nutzung von mehr als 210 Milliarden Euro eingefrorenen russischen Staatsvermögens für die Finanzierung des ukrainischen Militärs beschließen.
Kreml: Amerikaner verstehen russische Position
Russland blickt argwöhnisch auf die Verhandlungen. Die Beiträge der Europäer und der Ukraine zum Friedensplan von Trump würden "wohl kaum konstruktiv sein", sagte der außenpolitische Berater von Putin, Juri Uschakow, vor Beginn der Gespräche in Berlin. "Darin liegt das Problem."
Zugleich lobte er, dass die US-Seite die russische Position verstehe. Uschakow machte deutlich, dass Russland vor allem nicht von seinen Territorialforderungen für eine friedliche Lösung des Konflikts abrücke. Moskau verlangt, dass Kiew seine Truppen auch aus jenen Gebieten im umkämpften Industriegebiet Donbass abzieht, die Russland bisher nicht erobern konnte und die von der Ukraine weiter kontrolliert werden.
Russland lehne Änderungen an den Punkten zu Gebietsfragen ab, sagte Uschakow. "Die Frage der Gebiete wurde insgesamt in Moskau aktiv diskutiert. Die Amerikaner kennen nicht nur unsere Position, sondern verstehen sie auch", sagte Uschakow, der unter anderem mit Witkoff und Putin etwa fünf Stunden über Trumps Friedensplan gesprochen hatte.
Die US-Regierung hatte auf Betreiben von Trump im November einen Friedensplan vorgelegt, über den seitdem in verschiedenen Runden verhandelt wurde. Trump fordert von der Ukraine, einem Friedensabkommen zuzustimmen. Er sieht das von westlicher Unterstützung abhängige Land militärisch im Nachteil gegenüber dem Angreifer Russland.
Was nach den Konsultationen zwischen den Ukrainern und Europäern nun in dem Plan stehe, sei Russland bisher nicht bekannt, sagte Uschakow. "Es wird wohl kaum etwas Gutes sein", meinte er. Seine jetzt veröffentlichten Äußerungen waren am Freitag aufgezeichnet worden.