Politik

Erste Maschinen in der Luft So fliegt Deutschland Hilfsgüter in den Gazastreifen

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Luftbrücke in den Gazastreifen: Eine deutsche Transportmaschine vom Typ C-130J "Super Hercules", hier am Standort Évreux.

Luftbrücke in den Gazastreifen: Eine deutsche Transportmaschine vom Typ C-130J "Super Hercules", hier am Standort Évreux.

(Foto: picture alliance/dpa/Bundeswehr)

Der Verteidigungsminister gibt grünes Licht, die deutschen Hilfsflüge in Richtung Gaza können starten: Bald schon sollen schwere Transportflieger der Bundeswehr humanitäre Lieferungen per Fallschirm über dem Kriegsgebiet abwerfen.

Deutschland beteiligt sich an Hilfsflügen zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen. In den kommenden Tagen sollen Piloten der deutschen Luftwaffe mit Transportflugzeugen das Kriegsgebiet überfliegen, um dringend benötigte Hilfsgüter per Lastabwurf abzuwerfen.

"Den Menschen in Gaza fehlt es am Nötigsten. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass sie Zugang zu Nahrung und Medikamenten bekommen", teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius mit, nachdem er Mitte der Woche grünes Licht für den Auftrag gegeben hatte. Bei der kurzfristig angesetzten Mission sollen in Frankreich stationierte Maschinen vom Typ C-130J "Super Hercules" der Bundeswehr zum Einsatz kommen.

*Datenschutz

Bei den Maschinen handelt es sich um viermotorige Transportflugzeuge des US-Herstellers Lockheed Martin, die eigens für die deutsch-französische Lufttransportstaffel am Standort Évreux rund 90 Kilometer westlich von Paris stationiert wurden.

Die Bundeswehr stellt zwei dieser Transportflugzeuge bereit, die jeweils bis zu 18 Tonnen Last transportieren könnten. "Zur Wahrheit gehört: Der Abwurf ist nicht ungefährlich", erklärte Pistorius. "Die dafür vorgesehenen Crews sind für entsprechende Verfahren ausgebildet und sehr erfahren."

Die erste der deutschen Maschinen mit Flugziel Gazastreifen hob bereits am Mittwoch in Évreux für den Hilfseinsatz ab. Nach einem Zwischenstopp in Toulouse in Südfrankreich sollte es zunächst nach Jordanien gehen, wo die Hilfsgüter geladen werden sollen.

Hilfsorganisationen zufolge ist die Lage der Menschen in dem Küstenstreifen zunehmend verzweifelt. Nach UN-Angaben droht eine Hungerkrise, wenn die Hilfslieferungen per Lastwagen nicht ausgeweitet werden. Im Gazastreifen leben rund 2,2 Millionen Menschen. Aus vielen Ländern gibt es inzwischen Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs.

Hilfseinsatz ohne Mandat möglich

Die Bundesregierung habe bereits an Israel appelliert, die humanitäre Situation im Gazastreifen zu verbessern, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, ein Mandat des Bundestages sei für die Hilfsflüge der Luftwaffe nicht nötig, denn es handele sich nicht um einen Auftrag, der mit Waffengewalt durchzusetzen ist.

Unterdessen sprach die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger von einem extrem wichtigen und dringend notwendigen Beitrag. "Einmal mehr zeigt die Bundeswehr, dass sie da ist, wenn sie gebraucht wird", betonte Brugger. "Ausreichend Hilfe kann aber nur ankommen, wenn die israelische Regierung endlich mehr Grenzübergänge für humanitäre Lieferungen öffnet, wie es auch Außenministerin Annalena Baerbock immer wieder einfordert."

Luftbrücke für den Gazastreifen

Mit dem Einsatz schließt sich Deutschland einer Initiative von Jordanien an, eine Luftbrücke zur Versorgung der Menschen im Gazastreifen einzurichten. An der Luftbrücke beteiligen sich weitere Partner wie die USA oder Frankreich.

Der Abwurf von Hilfsgütern per Fallschirm birgt allerdings auch für die Bevölkerung vor Ort gewisse Risiken. Bei einem der ersten Hilfsflüge des US-Militärs war es bereits zu einem tragischen Unglück gekommen: Das Fallschirm-System mindestens einer Hilfspalette versagte, beim Einschlag der Hilfsgüter kamen am Boden mehrere Menschen ums Leben.

Den Auftrag zur Teilnahme an der Luftbrücken-Mission übernimmt nach Militärangaben der deutsche Anteil der binationalen Lufttransportstaffel im französischen Évreux. Die Luftwaffe selbst bezeichnet das Verfahren als "Absetzen im Schwerkraftverfahren", bei dem Güter das Flugzeug über die Laderampe rollend auf einer Palette verlassen und an Fallschirmen hängend zu Boden gehen.

Überflug mit geöffneter Laderampe

Wenn alles klappt, landen die verpackten Hilfsgüter ausreichend gebremst in der vorgesehenen "Absetzzone". Die Piloten müssen dafür neben ihrer Flughöhe und der eigenen Geschwindigkeit insbesondere auch auf die Windverhältnisse in Bodennähe achten. In den dicht besiedelten Gebieten im Gazastreifen bleibt für den sicheren Abwurf nicht viel Spielraum.

Riskanter Einsatz: Blick aus dem Heck eines US-Transportfliegers beim Abwurf von Hilfsgütern über dem Gazastreifen.

Riskanter Einsatz: Blick aus dem Heck eines US-Transportfliegers beim Abwurf von Hilfsgütern über dem Gazastreifen.

(Foto: dpa)

Gleichzeitig wird in der Umgebung weiterhin gekämpft. Neben den Gefechten am Boden ist im Luftraum über dem Gazastreifen auch mit Kampfeinsätzen des israelischen Militärs sowie möglicherweise mit Raketenbeschuss zu rechnen.

Der Abwurf von Hilfsgütern über die geöffnete Laderampe zählt nicht zu den Standardverfahren der Bundeswehr. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, musste für den Einsatz der deutschen "Super Hercules" in diesem pragmatischen, aber mit Risiken verbundenen Vorgehen eigens eine Sondergenehmigung erteilen.

Hilfsschiff unterwegs, UN fordern Grenzöffnung

Geholfen wird der Bevölkerung im Gazastreifen mittlerweile auch auf dem Seeweg. Am Dienstag war das Schiff "Open Arms" der gleichnamigen Hilfsorganisation aus dem zyprischen Hafen von Larnaka in Richtung Gazastreifen in See gestochen. Der umgebaute Schlepper zieht eine Plattform, auf die Hilfsgüter geladen worden sind - rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamente und Lebensmittel.

Die Fahrt könnte bis zu 60 Stunden dauern, da das Schiff langsam unterwegs ist. Allerdings machen Seetransporte von Hilfsgütern in den Gazastreifen einem Sprecher der Vereinten Nationen zufolge nicht den Mangel an dringend benötigten LKW-Lieferungen wett. Zugang werde auch auf dem Landweg benötigt, die sichere und regelmäßige Verteilung im Gazastreifen müsse gewährleistet sein, heißt es.

Dringend benötigte Nahrung

Die Vereinten Nationen fordern dringend, die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten und den Transport der Güter auch über Grenzübergänge zum besonders betroffenen Norden des Palästinensergebiets zuzulassen. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln über eine neue Straße des israelischen Militärs den Norden des Gazastreifens erreichte.

Vier Rolls-Royce-Motoren mit je 4500 PS: Pro Flug kann die "Super Hercules" bis zu 21 Tonnen an Ladung mitnehmen.

Vier Rolls-Royce-Motoren mit je 4500 PS: Pro Flug kann die "Super Hercules" bis zu 21 Tonnen an Ladung mitnehmen.

(Foto: picture alliance/dpa/Bundeswehr)

Es habe sich um ein Pilotprojekt gehandelt, um zu verhindern, dass die Hilfsgüter in die Hände der islamistischen Hamas fallen, teilte das israelische Militär mit. Die Ergebnisse würden nun der Regierung vorgelegt.

Der UN zufolge ist im Gazastreifen in vielen Gebieten durch den Krieg inzwischen jede Ordnung zusammengebrochen. LKW mit Hilfsgütern werden immer wieder geplündert. Regelmäßig kommt es im Kampf um die Hilfslieferungen zudem zu heftigen Rangeleien unter verzweifelten Palästinensern.

Mehr zum Thema

Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen.

Auf palästinensischer Seite wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn mehr als 31.100 Menschen getötet. Belastbarere Zahlen liegen nicht vor. Ohne Hilfe von außen droht sich die humanitäre Katastrophe unter der von der Hamas beherrschten und von Israel in die Enge getriebenen Bevölkerung auszuweiten.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen