Politik

"Ab und zu mal diskutieren" Spahn erklärt, warum er immer wieder aneckt

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(Foto: imago/Christian Thiel)

In den vergangenen anderthalb Wochen hat sich Jens Spahn zwei Mal mit Provokationen zu Wort gemeldet. Selbst in der CDU geht er vielen auf die Nerven. Warum er das macht? Spahn erklärt es in einem Satz.

Kaum jemand wird seinem Ruf so gerecht wie Jens Spahn, der neue Gesundheitsminister. In diesem Fall: seinem Ruf als Nervtöter. Zum Beispiel vor anderthalb Wochen. "Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut", sagte Spahn da in einem Interview. Von seiner Generalsekretärin erntete er dafür einen Rüffel: "Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die so wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte", sagte Annegret Kramp-Karrenbauer. Unionsfraktionschef Volker Kauder schloss sich an. "Wer in Größenordnungen verdient wie wir, sollte sehr vorsichtig umgehen, wenn er über anderer Leute Armut spricht."

Genau dieser Tonfall fehlte jedoch in Spahns Wortmeldung: das Verständnis für die Betroffenen. Er holte dies später nach. Drei Tage, nachdem das Interview erschienen war, sagte er im n-tv Talk Klamroths Konter: "Natürlich ist es schwierig, mit so einem kleinen Einkommen umgehen zu müssen, wie es Hartz IV bedeutet. Ich sage ja gar nicht, dass es leicht ist. Das deckt die Grundbedürfnisse ab und nicht mehr. Da gibt es nichts zu diskutieren und das habe ich auch nicht infrage gestellt."

Eine Woche später war es wieder so weit. In der "Bild am Sonntag" sprach Spahn sich mit scharfen Worten gegen die Aufhebung von Paragraf 2019a aus. Das ist eine Regelung aus dem Strafgesetzbuch, die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft verbietet. Die SPD will diesen Paragrafen kippen, die Union nicht. "Mich wundern die Maßstäbe: Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos", sagte Spahn dazu. "Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht."

Ausgerechnet Kramp-Karrenbauer

Wieder einmal hatte Spahn sich in einem Tonfall geäußert, der auf Attacke setzt statt auf Empathie. Und wieder war es Kramp-Karrenbauer, die das kritisierte. Eine pikante Konstellation: Kramp-Karrenbauer ist spätestens seit dem Parteitag im Februar amtierende Kronprinzessin der CDU. Spahn wiederum macht kein Geheimnis daraus, dass er ein Auge aufs Kanzleramt geworfen hat. Konflikte zwischen den beiden haben daher eine besondere Note. Debatten sollten durchaus auch in aller Offenheit geführt werden, sagte die CDU-Generalsekretärin, ohne Namen zu nennen. Die Frage sei allerdings, ob provokante Formulierungen dazu dienten, Probleme zu lösen. Wenn sie dafür eher hinderlich seien, "sollte man eine andere Formulierung wählen".

Kramp-Karrenbauer meinte damit nicht nur Spahn, sondern auch CSU-Chef Horst Seehofer, der in seinem ersten großen Interview als Innenminister verkündet hatte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Auf Spahn passt ihre Kritik jedoch besonders gut: Hilft es der Debatte über 219a, wenn suggeriert wird, Tiere seien dem politischen Gegner wichtiger als ungeborene Kinder?

Für Spahn ist das vermutlich die falsche Frage. Bei "Hart aber fair" am Montagabend erklärte er noch einmal, wie er zu den Sozialversicherungen in Deutschland steht - nicht nur zu Hartz IV, auch zur gesetzlichen Krankenversicherung, dem eigentlichen Thema der Sendung. Bevor man darüber rede, wo die Probleme seien und was besser zu machen sei, könne man ja erst einmal wertschätzen, "dass wir auf einem hohen Niveau mit Zugang für alle 80 bis 82 Millionen Menschen, die in diesem Land leben, ein soziales Sicherungssystem haben, wie es das in fast keinem anderen Land der Welt gibt", sagte er. "Wir können ja auch mal stolz darauf sein, auf die Solidargemeinschaft, die wir haben bei Gesundheit oder Hartz IV, was wir da gemeinsam leisten - wohl wissend, dass es in der konkreten Situation … sehr schwierig ist." So funktioniert die Methode Spahn: mit Karacho auf ein Thema aufmerksam machen und dann später erläutern, was eigentlich gemeint war.

Doch ein anderer Satz zeigte, wie Spahn tickt und warum er immer wieder provoziert. "Ich glaube, dieses schöne Land kommt am Ende nur weiter, wenn wir ab und zu miteinander auch mal diskutieren, und wenn beim Diskutieren auch ein paar Unterschiede deutlich werden", sagte er. "Denn wenn man nicht diskutiert und nicht auch über Unterschiede redet, entsteht selten was Neues, Produktives." Spahn sagt diesen Satz gelegentlich. Manchmal tippt er sich dabei an den Kopf und fügt hinzu, "die Kiste da oben" fange zumindest bei ihm nur an zu arbeiten, wenn er sich mit einer anderen Meinung auseinandersetze.

Denn auch das gehört zur Methode Spahn: Bei "Hart aber fair" überraschte er damit, dass er sich demnächst mit einer Frau treffen will, die eine Online-Petition mit dem Titel "Herr Spahn, leben Sie für einen Monat vom Hartz-IV-Grundregelsatz!" angestoßen hat. Mehr als 150.000 Menschen haben diese Petition bereits unterzeichnet. Am Wochenende habe er mit der Initiatorin telefoniert, sagte Spahn. Sie wollen sich treffen und miteinander reden. "Das A und O jeder guten Diskussion ist erst mal, sich hinzusetzen und miteinander zu reden - versuchen, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, aber vor allem, sich auch gegenseitig zu unterstellen, dass auch der andere im Zweifel das Gute will." Bei Spahn fällt das vielen schwer. Es wird noch spannend sein, in den nächsten Jahren zu verfolgen, wessen Methode erfolgreicher ist: die von Spahn, die auch mal den Konflikt riskiert. Oder die von Kramp-Karrenbauer, die genau das nicht tut.

Quelle: ntv.de

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