Kiew soll Rebellen unterstützen Spielt die Ukraine in Syrien ein gefährliches Spiel?


Rebellen der Gruppe HTS haben vor wenigen Tagen die Kontrolle über Aleppo im Nordwesten Syriens übernommen.
(Foto: picture alliance / abaca)
Unterstützt die Ukraine Rebellen in Syrien, die gegen Assads Regierungstruppen kämpfen? Das ist gut möglich und könnte strategisch von Vorteil sein, da es auch die russische Armee schwächt. Doch verliert Russland seinen Einfluss in Syrien, könnte das dramatische Folgen für die Ukraine haben.
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja hat der Ukraine bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Dienstag vorgeworfen, Rebellen zu unterstützen, die in Syrien gegen die Regierung von Diktator Baschar al-Assad kämpfen. Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes HUR seien in Syrien und trainierten die Rebellen der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), behauptete der russische Diplomat. HTS hat vor wenigen Tagen Assads Truppen aus Aleppo vertrieben und die Millionenstadt im Nordwesten des Landes eingenommen.
Nebensja ist bekannt für seine oft bizarren Behauptungen, die offensichtlich der Kreml-Propaganda entspringen und ohne jede belegbare Grundlage geäußert werden. Im Oktober 2022 hatte er etwa erklärt, die USA würden mit Drohnen sogenannte "Kampfmücken" für Militäreinsätze nach Russland schicken. Doch diesmal könnte an seinen Vorwürfen mehr dran sein, als es zunächst scheint.
Ukrainer sollen auch in Syrien und Afrika gegen Russen kämpfen
Wenige Tage vor Nebensjas Rede berichtete die ukrainische Zeitung "Kyiv Post" unter Berufung auf islamistische Netzwerke, dass einige syrische Rebellengruppen tatsächlich von Mitgliedern der sogenannten Gruppe Khimik des ukrainischen Geheimdienstes HUR ausgebildet worden sein sollen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht.
Ukrainischen Medienberichten zufolge gab es aber bereits im Sommer mehrere Angriffe der Gruppe Khimik auf russische Stellungen in Syrien. In dem Bürgerkriegsland unterstützt die russische Armee die Regierungstruppen von Diktator Assad. Ende Juli soll die Gruppe "Khimik" einen russischen Luftwaffenstützpunkt in Syrien angegriffen haben. Im September folgte Berichten zufolge ein weiterer Angriff auf eine russische Basis, auf der Drohnen hergestellt und getestet werden. Bereits im März berichtete die "Kyiv Post" von einem gemeinsamen Angriff ukrainischer Streitkräfte mit syrischen Rebellen auf russische Söldner in Syrien.
Die Ukraine scheint nicht nur in Syrien aktiv gegen russische Kräfte vorzugehen. Im März berichtete das "Wall Street Journal", dass ukrainische Militärs im Sommer 2023 an Kämpfen gegen Rebellen beteiligt waren, die von der russischen Söldnergruppe Wagner unterstützt wurden. Darüber hinaus deutete der ukrainische Geheimdienst im Juli an, an einem Angriff auf Söldner der Wagner-Gruppe in Mali beteiligt gewesen zu sein.
Rebellen-Vormarsch stellt Russland vor ein Dilemma
Dass die Ukraine im Ausland Kräfte unterstützt, die gegen die russische Armee kämpfen, ist für Militärexperten strategisch nachvollziehbar. "Wenn die Offensive in Syrien Russland unter Druck bringt, kann die Ukraine als Kriegsgegner davon profitieren", sagte Oberst Markus Reisner ntv.de. Ähnlich sieht es der kremlkritische russische Journalist Alexander Kuschnar: Jede Rakete, die die Russen gegen die syrischen Rebellen einsetzen, sei eine weniger, die sie auf die Ukraine abfeuern könnten, sagte er auf seinem Youtube-Kanal.
Die Zuspitzung des Krieges in Syrien stelle die Russen vor die Wahl, sich entweder ganz auf die Ukraine zu konzentrieren und ihren Einfluss in Syrien zu verlieren oder zumindest einen Teil ihrer Ressourcen nach Syrien zu schicken, "zu zerstreuen", wie Kuschnar es ausdrückt.
Wie der Vormarsch der Rebellen in Syrien die russische Armee vor ein handfestes Dilemma stellt, erklärte der Politikwissenschaftler Nico Lange im "FAZ Podcast für Deutschland". "Russland hat nicht mehr genug Piloten", sagte der Experte. Und wenn die russische Armee wieder mehr Angriffe in Syrien fliegen müsse, werde es Moskau schwer fallen, die Intensität der Luftangriffe in der Ukraine hoch zu halten, erklärte der Politikwissenschaftler.
Sollte sich der Kreml jedoch entscheiden, seinen Einfluss in Syrien zu reduzieren oder ganz aufzugeben - und dafür gebe es bereits erste Anzeichen, so Lange - werde Russland seine Truppen aus Syrien abziehen. Diese frei werdenden Truppen könnte es dann gegen Kiew einsetzen, erklärte Lange: "Das ist dann nicht unbedingt eine gute Nachricht für die Ukraine."
Quelle: ntv.de