Politik

Nach Russland gebracht? Stadtrat: Tausende aus Mariupol verschleppt

Menschen sollen aus einem Schutzraum verschleppt worden sein, berichtet der Stadtrat in Mariupol.

Menschen sollen aus einem Schutzraum verschleppt worden sein, berichtet der Stadtrat in Mariupol.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Insbesondere Frauen und Kinder, die sich vor den Raketen der Angreifer verstecken, werden gewaltsam aus der belagerten Stadt Mariupol deportiert. Das berichtet die Stadtverwaltung. Die Schutzsuchenden sollen sich nun in Russland befinden, wie es von russischer Seite heißt.

Nach Angaben der Verwaltung der ukrainischen Stadt Mariupol haben russischen Streitkräfte in der vergangenen Woche mehrere Tausend Menschen gewaltsam aus der belagerten Stadt deportiert. "Die Besatzer haben illegal Menschen aus dem Stadtteil Livoberezhniy und aus dem Schutzraum des Sportklubs verschleppt, wo sich mehr als Tausend Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, vor den ständigen Bombardierungen versteckt hatten", teilte der Stadtrat in einer Erklärung auf seinem Telegram-Kanal mit.

Die russische Agentur RIA Novosti berichtete letzte Woche unter Berufung auf Hilfsdienste, dass fast 300.000 Menschen, darunter etwa 60.000 Kinder, aus den Regionen Luhansk und Donbass sowie Mariupol nach Russland gekommen seien. Die russische Nachrichtenagentur TASS meldete, dass 13 Busse mit mehr als 350 Menschen an Bord nach Russland unterwegs seien. Das russische Verteidigungsministerium verkündete diesen Monat, dass Russland 200 Busse für die "Evakuierung" der Bürger von Mariupol bereitgestellt habe. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Die knapp 400.000 eingeschlossenen Menschen in Mariupol leben nach Angaben der Behörden seit nunmehr fast zwei Wochen unter ständiger Bombardierung, ohne Heizung, Strom und fließendes Wasser. Die Stadt am Asowschen Meer, rund 60 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, gilt als entscheidend für einen Versuch Russlands, einen Landkorridor bis zur annektierten Halbinsel Krim herzustellen.

Russische Truppen sollen Buskonvoi blockiert haben

Die ukrainische Zeitung "The Kyiv Independent" berichtet aktuell, dass russische Truppen einen Buskonvoi blockieren, sodass die Evakuierung von Einwohnern aus der eingekesselten Stadt wieder erschwert wird. Demnach wird den Bussen nicht gestattet, in die Stadt zu fahren. Außerdem bekämen die Fahrer keine Erlaubnis, dort zu übernachten.

Laut einem Augenzeugen sorgt derweil das Schicksal von 19 Kindern, die seit Kriegsausspruch in einem Sanatorium festsitzen, für große Besorgnis. Die Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren, die meisten von ihnen Waisen, seien in "großer Gefahr", sagte der Augenzeuge Alexej Woloschtschuk nach seiner Flucht aus der Hafenstadt der Nachrichtenagentur AFP. Die Kinder waren vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine in die auf Lungenkrankheiten spezialisierte Klinik gebracht worden. Wegen der Gefechte in der Stadt konnten sie von ihren Vormündern nicht mehr aus der Einrichtung geholt werden.

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"Es gibt keine Heizung, es ist kalt. Eines der Mädchen, etwa acht Jahre alt, zeigte mir eine Wunde im Gesicht. Sie sagte, sie stamme von der Kälte", sagte er. Die Kinder würden von einem "heldenhaften" Lungenfacharzt, einem Koch und zwei Krankenschwestern betreut, sagte Woloschtschuk. Polizisten bringen den Kindern demnach Essen. Er befürchte jedoch, dass die Vorräte bald zur Neige gehen könnten. Russland weist weiterhin Vorwürfe zurück, Zivilisten ins Visier zu nehmen.

Quelle: ntv.de, ysc/rts/AFP

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