Politik

Mehr Senioren, weniger EinwohnerDeutschland schrumpft bis 2070

11.12.2025, 14:09 Uhr
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Ernste Gesichter, nüchterne Zahlen: Experten des Statistischen Bundesamts stellen die Ergebnisse der 16. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung vor. (Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Deutschland altert schneller als erwartet, die Zahl der Rentner wächst: Statistiker rechnen in ihrer aktuellen Bevölkerungsprognose mit weniger Einwohnern und zunehmendem Druck auf die Sozialsysteme. Gestützt auf verschiedene Annahmen wagen sie den Blick weit voraus in die Zukunft.

Deutschland muss sich auf eine fortschreitende Überalterung und zugleich auf eine schrumpfende Bevölkerung einstellen. Im Jahr 2070 werden laut einer statistischen Berechnung hierzulande deutlich weniger Menschen leben als heute. Bei einer moderaten Entwicklung der demografischen Faktoren Geburten, Lebenserwartung und Zuwanderung dürfte die Bevölkerungszahl innerhalb der kommenden 45 Jahre unter die Schwelle von 75 Millionen sinken, wie das Statistische Bundesamt auf Basis der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung mitteilte.

Schon in zehn Jahren wird demnach bereits jeder vierte Einwohner 67 Jahre oder älter sein. Ursache der Entwicklung ist vor allem, dass die geburtenstarke Generation der Babyboomer bald in den Ruhestand wechselt und deutlich kleinere Jahrgänge nachfolgen. Die Zahl der Menschen im Rentenalter dürfte bis 2038 um mindestens 3,8 Millionen auf dann mehr als 20,5 Millionen steigen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wächst auf 25 bis 27 Prozent. Gegenwärtig beträgt dieser 20 Prozent.

Gleichzeitig sinkt die Zahl der Menschen im Erwerbsalter, was die Sozialsysteme vor große Herausforderungen stellen wird. "Bereits jetzt kommen auf 100 Personen im Erwerbsalter 33 Personen im Rentenalter", sagte Karsten Lummer, Leiter der Abteilung "Bevölkerung" beim Statistischen Bundesamt. "Im ungünstigsten Fall mit einer dauerhaft niedrigen Geburtenrate und niedriger Nettozuwanderung könnte der Altenquotient sogar auf 61 steigen. Damit würde sich der Wert im Vergleich zu heute fast verdoppeln", so Lummer. "Dann kämen auf eine Leistungsempfängerin oder einen Leistungsempfänger aus den Alterssicherungssystemen weniger als zwei Einzahlende."

Dazu kommt: Die Altersgruppe der Menschen ab 80 Jahren und älter dürfte der statistischen Vorausberechnung zufolge ab Mitte der 2030er-Jahre kräftig wachsen. Die Zahl der Hochaltrigen wird dann mit dem Eintritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in diese Lebensphase von aktuell rund 6,1 Millionen auf bis zu 9,8 Millionen im Jahr 2050 zunehmen. "Damit geht ein deutlicher Anstieg der Pflegebedürftigen einher", hieß es. Der Bedarf an Pflegeleistungen werde sich aller Voraussicht nach stark erhöhen. Im Jahr 2023 war die Hälfte der ab 80-Jährigen in Deutschland pflegebedürftig.

Die unterschiedlichen Annahmen der demografischen Entwicklung ergeben in der Vorausberechnung eine beträchtliche Bandbreite: Im Szenario mit einer schwächeren Geburtenrate, einer geringeren Lebenserwartung und einer nachlassenden Zuwanderung könnte die Zahl der Einwohner in Deutschland bis zum Jahr 2070 sogar bis auf 63,9 Millionen fallen. Ohne deutlich mehr Geburten pro Jahr könnte in diesem Fall selbst eine hohe Zuwanderung den Rückgang der Erwerbsbevölkerung nicht aufhalten. Zum Vergleich: Mitte 2025 hatte die Bundesrepublik rund 83,5 Millionen Einwohner.

"Die Zahl der 67-Jährigen und Älteren wird in allen Berechnungsvarianten bis zum Jahr 2038 beständig steigen", erklärte Elke Loichinger, Leiterin des Referats "Demografische Analysen" bei der Vorstellung der Daten. "Je nach Zunahme der Lebenserwartung werden dann 20,5 bis 21,3 Millionen Menschen im Rentenalter sein. Das sind 3,8 bis 4,5 Millionen mehr als heute."

Die Zahl der Einwohner im Erwerbsalter, das die Statistiker von 20 bis 66 Jahren ansetzen, wird den neuen Berechnungen zufolge bis Mitte der 2030er-Jahre aufgrund des Ausscheidens der stark besetzten Babyboomer-Jahrgänge und des Nachrückens der zahlenmäßig kleineren jüngeren Jahrgänge sinken. Die entstehende Lücke, so betonen die Experten, lasse sich auch durch die bisher angenommenen Ausmaße der Zuwanderung nicht schließen.

Im Jahr 2024 waren laut Statistikamt insgesamt 51,2 Millionen Menschen in Deutschland im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren. "Alle Varianten der Bevölkerungsvorausberechnung weisen für die künftige Entwicklung eine abnehmende Zahl der Menschen in dieser Altersgruppe auf", hieß es. Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenrate und der Lebenserwartung bei gleichzeitig hoher Nettozuwanderung wird die Zahl der 20- bis 66-Jährigen im Jahr 2070 voraussichtlich 45,3 Millionen Personen betragen.

Unter der Annahme einer moderaten Nettozuwanderung dürfte die Erwerbsbevölkerung demnach bis 2070 auf 41,2 Millionen und bei einem niedrigen Wanderungssaldo sogar auf 37,1 Millionen Personen zurückgehen. Ein geringerer Rückgang um rund 4,0 Millionen Personen würde sich nur bei deutlich steigender Geburtenrate in Kombination mit einem hohen Wanderungssaldo ergeben.

Regional erwarten die Statistiker sehr unterschiedliche demografische Trends. Während die Bevölkerung in den ostdeutschen Flächenländern in allen Szenarien schrumpfen wird, könnte sie in den westdeutschen Flächenländern bestenfalls stabil bleiben. Einzig die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen können bei anhaltend hoher Zuwanderung mit einem Wachstum rechnen. Die ostdeutschen Bundesländer sind bereits heute im Schnitt deutlich älter als der Westen.

Das Statistische Bundesamt weist im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass die Vorausberechnung der Bevölkerungzahlen "keine Prognosen im Sinne einer Vorhersage" darstellen. Die Ergebnisse der Berechnung seien vielmehr als "Wenn-Dann-Aussagen" zu verstehen.

Die Daten sollen demnach zeigen, wie sich die Bevölkerung unter bestimmten Annahmen verändern würde. Dabei liegen der Bevölkerungsvorausberechnung jeweils drei Annahmen zu Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und zum Außenwanderungssaldo zugrunde. Die Ergebnisse der sich daraus ergebenden 27 Varianten sollen die "Spannbreite der möglichen Entwicklungen bis zum Jahr 2070" veranschaulichen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts

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