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Zurück auf dem rotem Teppich Syriens Diktator Assad arbeitet an seiner Rehabilitierung

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Inszenierung von Normalität: Assad und seine Frau begrüßen Teilnehmer einer Konferenz.

Inszenierung von Normalität: Assad und seine Frau begrüßen Teilnehmer einer Konferenz.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Jahrelang war Syriens Diktator Assad international isoliert, Kontakte gab es nur zu seinen Verbündeten Russland und Iran. Mittlerweile erlebt er eine regelrechte Welle der Unterstützung aus den arabischen Nachbarstaaten.

Während die meisten EU-Staaten weiterhin keine Abschiebungen nach Syrien durchführen, weil dort "der brutale Diktator Assad" herrscht, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kürzlich sagte, heißen die arabischen Länder den Machthaber willkommen. Mitte Mai wurde der syrische Präsident Baschar al-Assad in einem festlich geschmückten Saal in Dschidda mit einem Bruderkuss und Umarmungen beim Gipfel der Arabischen Liga wieder in diese aufgenommen. Gastgeber des Treffens war Saudi-Arabien. Der Auftritt des lächelnden Assad war der erfolgreiche Abschluss jahrelanger Anstrengungen, den Diktator wieder in die Politik der Region zu integrieren.

Damit ist der Diktator im 13. Jahr des Bürgerkriegs zurück auf der internationalen Bühne. Der Wiederaufnahme in die Arabische Liga waren zahlreiche freundliche Worte, eine bemerkenswerte Einladung und viele versöhnliche Gesten vorausgegangen, die bis zum Erdbeben vom 6. Februar im türkisch-syrischen Grenzgebiet noch undenkbar waren: So besuchte Assad Ende Februar den Oman, wo er seit Ausbruch des Syrienkriegs im Jahr 2011 nicht gewesen war. Ganz offiziell, an Bord eines Fliegers von Syrian Airlines. Syrische Staatsmedien zeigten ein Foto, auf dem Omans Sultan Haitham bin Tarik seinem syrischen Amtskollegen in der Hauptstadt Maskat die Hand schüttelt. Im selben Monat war zu sehen, wie Assad entspannt inmitten von mehreren Parlamentspräsidenten arabischer Länder in Damaskus über einen roten Teppich schritt. Anfang März reiste er dann gemeinsam mit seiner Ehefrau Asma al-Assad in die Vereinigten Arabischen Emirate. Es war der erste offizielle Staatsbesuch der First Lady im Golfstaat in den vergangenen zwölf Jahren und erst der zweite Besuch ihres Mannes nach einer Visite im März 2022.

Das Erdbeben bot den Anlass

Seit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste von 2011 und dem daraus resultierenden Bürgerkrieg mit mittlerweile mehr als 500.000 toten Zivilisten und etwa 14 Millionen Geflohenen, war der Machthaber lange weitgehend isoliert. Nicht nur der Westen, auch viele arabische Länder brachen die Beziehungen zu Syrien ab. Die Mitgliedschaft Syriens in der Arabischen Liga wurde 2011 ausgesetzt. Assad reiste lange kaum ins Ausland, lediglich in die verbündeten Länder Russland und Iran. Vom Westen immer noch gemieden, erlebt der syrische Diktator seit dem Erdbeben eine Welle der Unterstützung aus den Nachbarstaaten.

Diese hatten in den vergangenen Jahren zwar teilweise schon eine Normalisierung ihrer Beziehungen zum syrischen Regime eingeleitet. Die Erdbebenkatastrophe verhalf Assad aber endgültig dazu, seine angelaufene Rehabilitierung zu beschleunigen. Dabei sei die Zerstörung vor allem für Menschen dramatisch gewesen, die im Rebellengebiet leben, sagt der Syrienexperte Fabrice Balanche von der Universität Lyon. "Das Erdbeben bot den arabischen Staaten den Anlass für einen Austausch, ohne das Gesicht zu verlieren. Das ist sehr wichtig im Nahen Osten."

Während die Emirate, Algerien, der Libanon, der Irak und der Oman schon länger eine Wiederannäherung an das Assad-Regime versuchten, gesellten sich nun auch Länder hinzu, die eigentlich die syrische Opposition unterstützen oder eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga bis dahin noch blockierten. Dazu gehörten Saudi-Arabien, Katar, Ägypten und Jordanien.

Die meisten Flüchtlinge können nicht zurück

Dabei sind die Gründe für die Rehabilitierung Assads unterschiedlich: Der Libanon und Jordanien sind als unmittelbare Nachbarstaaten sehr stark vom Bürgerkrieg betroffen - beide Regierungen wollen vor allem, dass die in ihre Länder geflohenen Syrer in ihre Heimat zurückkehren. Im Libanon etwa, wo die Behörden den schätzungsweise 1,5 Millionen Flüchtlingen die Schuld an der Wirtschaftskrise des Landes geben, wurden Ausgangssperren für Flüchtlinge verhängt und ihre Möglichkeiten eingeschränkt, Wohnungen zu mieten. Nach Angaben von Menschenrechtlern hat das libanesische Militär in den vergangenen Monaten Hunderte syrische Flüchtlinge deportiert. Ägypten, Katar und die Emirate haben dagegen vor allem sicherheitspolitische Interessen und ringen schon seit Langem um weiteren geopolitischen Einfluss in der Region um das östliche Mittelmeer. Je länger die Isolierung Assads andauerte, desto größer wurde das Risiko, den zähen Diktator endgültig an den Iran und Russland zu verlieren.

Mit der Wiederaufnahme Syriens in die Liga sei der Arabische Frühling überall gescheitert, sagt der Wissenschaftler Balanche. Die Anschuldigungen gegen Assad - Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Einsatz von Chemiewaffen gegen das eigene Volk, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser - seien vergessen. "Assad kann nicht nach Europa oder in die USA reisen - aber er kann nach Dubai, Abu Dhabi, Moskau, Schanghai", sagt Balanche.

Die Normalisierung des Assad-Regimes in der arabischen Welt hat auch weitreichende Folgen für die Geflohenen. Fabrice Balanche ist sicher: "90 Prozent der syrischen Flüchtlinge werden niemals nach Syrien zurückkehren können. Selbst wenn sie es wollten, will das Regime das nicht, weil viele der Opposition angehören." Für Assad seien das alles "Verräter". Zudem hätten die Geflüchteten ohnehin schon alles in ihrer alten Heimat verloren. "Was sie in Syrien zurückgelassen haben, wurde von der Regierung oder einem Warlord übernommen", sagt Balanche. "Aus politischen und wirtschaftlichen Gründen gibt es für diese Menschen keine Möglichkeit zur Rückkehr." Das gilt auch dann, wenn sich in Syrien die wirtschaftliche Situation verbessern sollte. Wahrscheinlich ist das nicht: "Das Land braucht Hunderte von Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau", so Balanche.

Im November könnte Scholz auf Assad treffen

Während die USA und die Europäische Union an ihren Sanktionen gegen Syrien festhalten und Washington gar neue Sanktionen vorbereitet, zeigt der Kurs der arabischen Staaten, dass diese sich in ihrer Außenpolitik nicht mehr vom Westen leiten lassen. "Der Westen verliert seinen Einfluss auf die arabischen Länder", sagt Balanche. Aus arabischer Sicht seien die westlichen Sanktionen gegen Syrien ärgerlich, aber nicht mehr so wichtig. "Sie wollen eine regionale Ordnungsmacht sein und unabhängig vom Westen agieren."

Dies gilt seit einiger Zeit auch für die Türkei. Zwar unterstützt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan noch die syrischen Rebellengruppen, die die von Moskau und Teheran protegierte syrische Regierung zu Fall bringen wollen. Doch seit Monaten sucht auch Erdoğan den Schulterschluss mit Assad. Die Verärgerung von NATO-Bündnispartnern lässt ihn dabei kalt. Priorität hat für ihn die Aussicht auf eine Rückkehr der mehr als drei Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben. Sporadisch schon schob die türkische Regierung Syrer zwangsweise ab. Wegen der anhalten Wirtschaftskrise und der nach dem Erdbeben zusätzlich angeheizten feindlichen Stimmung gegen Flüchtlinge ist Erdoğans Handlungsdruck noch gestiegen. "Erdoğan will einen Weg finden, die syrischen Flüchtlinge zurückzuschicken. Er will dem türkischen Volk zeigen, dass er diesbezüglich mit Assad eine Einigung erzielen und sogar eine neue Flüchtlingswelle verhindern kann", sagt Balanche. Schon mehrfach hat sich der türkische Präsident deswegen bereit erklärt, Assad zu treffen - doch dieser hat bisher wegen der Stationierung türkischer Truppen in Nordsyrien abgelehnt. Weil Ankara der Forderung von Damaskus nicht nachkommt, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, dürfte eine Aussöhnung schwierig werden.

Ein Ende des Bürgerkriegs zeichnet sich bisher nicht ab, wegen des Kriegs in der Ukraine international weitgehend unbeachtet, fliegt auch Russland weiter Luftangriffe in Syrien. Assads Rückkehr sei auch eine "Niederlage für den Westen", so Balanche. Der habe alles dafür getan, den Diktator zu Fall zu bringen - ohne Erfolg. Dem Westen rät er, sich mit der neuen Realität auseinanderzusetzen. "Denn es ist unmöglich, Assad zu stürzen. Er wird von Russland und dem Iran geschützt." Währenddessen dürfte sich Assad auf erste Treffen mit westlichen Staats- und Regierungschefs vorbereiten: Er ist zur Weltklimakonferenz im November in Dubai eingeladen, an der etwa auch US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron teilnehmen könnten. "Wie werden diese gemeinsam auf demselben Familienfoto posieren können?", fragt Balanche.

Quelle: ntv.de

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