Abschied von Schäuble Tochter am Sarg: "Papa, du warst ein Gesamtkunstwerk"
05.01.2024, 13:18 Uhr Artikel anhören
Christine Strobl vor dem Sarg ihres Vaters.
(Foto: dpa)
Beim Trauergottesdienst in Offenburg gedenken Hunderte des CDU-Politikers Schäuble. "Was für ein politisches Leben", sagt CDU-Chef Merz. Seine Tochter Christine Strobl würdigt den Durchhaltewillen ihres Vaters und erzählt, wie sehr das Attentat auf ihn die Familie zusammenschweißte.
Mehrere hundert Menschen haben in der evangelischen Stadtkirche von Offenburg Abschied vom gestorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble genommen. Mit bewegenden Worten gedachte Christine Strobl stellvertretend für die Familie ihres Vaters. "Papa, du warst ein Gesamtkunstwerk", sagte sie vor dem Sarg. Ihr Vater habe gezeigt, was mit Wille möglich sei, dass man nach Niederlagen wieder aufstehen könne, wie man mit sich im Reinen sei und auch, wie man würdevoll sterben könne. Strobl, die ARD-Programmdirektorin und die Frau von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl ist, erinnerte an den starken Durchhaltewillen ihres Vaters und daran, wie sehr das Attentat, infolgedessen Schäuble auf einen Rollstuhl angewiesen war, die Familie zusammenschweißte.
"Papa ist ohne Mama nicht denkbar gewesen", sagte Christine Strobl. Sie alle seien immer darauf ausgerichtet gewesen, dass es ihm gut gehe. Als ihre Mutter im Sommer einen schweren Unfall hatte, habe ihr Vater sich zusammengerissen, um ihr etwas zurückzugeben. Ihr Vater habe viele gesundheitliche Probleme gehabt, die nie in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Er habe alle mit unglaublicher Kraftanstrengung gemeistert. Christine Strobl hob aber auch die wichtige Rolle hervor, die Freunde, Beschützer und Pflegekräfte spielten.
Bewunderung und Respekt zeigte die Tochter vor allem dafür, dass ihr Vater niemals aufgegeben habe. Auch kurz vor seinem Tod nicht. So sei ihr Vater am Heiligabend noch morgens in Offenburg im Krankenhaus gewesen, aber nach Hause gekommen. "Er wollte uns nochmal ein gemeinsames Weihnachten schenken." Das Sterben sei - wie so viele Male zuvor - mal wieder "abgeblasen" worden. Man habe zusammen "Oh, du fröhliche" gesungen und sei wie immer zusammen am ersten Weihnachtsfeiertag zum Rehrücken-Essen ins Restaurant gegangen. Er habe keine Angst vor dem Sterben gehabt, er sei mit sich im Reinen gewesen. Er habe es nur merkwürdig gefunden, dass er bald weg sein solle.
Merz: "Ohne ihn stände ich heute nicht hier"
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hob beim Trauergottesdienst dessen Lebensleistung hervor. "Wir begleiten ihn in Liebe, in Freundschaft und ganz sicher wir alle zusammen in grenzenlosem Respekt. Was für eine Lebensleistung. Was für ein politisches Leben", sagte Merz in einer evangelischen Kirche in Schäubles Heimatstadt Offenburg in Baden-Württemberg.
Schäuble habe "Generationen von Abgeordneten unserer Fraktion eine Prägung mitgegeben, auch mir ganz persönlich. Ohne ihn stände ich heute nicht hier", sagte der CDU-Chef. "Wir sind über die letzten drei Jahrzehnte immer engere Freunde geworden." 16 der bisher 24 Regierungen des Landes habe sein ehemaliger Parteikollege erlebt, fast jeder dritten davon habe er selbst angehört. "Zwei hohe Staatsämter sind ihm versagt geblieben. Er hätte sie ohne Zweifel beide ausgefüllt", sagte Merz.
Die evangelische Landesbischöfin von Baden, Heike Springhart, würdigte Schäuble als unabhängigen Geist, beharrlichen Kämpfer für die Demokratie und weitsichtigen Europäer. "Wolfgang Schäuble hat aus einer Kraft gelebt, die größer war als er selbst. Er hat mit seiner Weisheit und der dem Schwarzwälder eigenen Mischung aus Beharrlichkeit und Verschmitztheit die demokratische Kultur in unserem Land geprägt und für den Erhalt der Demokratie gekämpft bis zuletzt", sagte sie in ihrer Predigt. Schäuble habe gezeigt, was möglich ist und welche Kraft im verletzlichen Leben steckt - auch nach den schicksalhaften Schüssen aus der Pistole eines psychisch kranken Mannes im Jahr 1990, die ihn in den Rollstuhl brachten.
Schäuble war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. In seiner Laufbahn hatte der Badener wichtige politische Ämter inne: Er war Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er.
Großes militärisches Ehrengeleit
Unter den Trauergästen waren unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der frühere CDU-Chef Armin Laschet, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker.
Nach dem Gottesdienst trugen Sargträger unter musikalischer Begleitung den Sarg mit Schäubles Leichnam aus der Stadtkirche. Soldaten des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung hatten vor der Kirche in Ehrenformation Aufstellung genommen. Das Heeresmusikkorps Koblenz spielte Schäuble zu Ehren mehrere Musikstücke, darunter die deutsche Nationalhymne und den Trauermarsch aus dem Oratorium "Saul" von Georg Friedrich Händel. Hunderte Menschen standen hinter Absperrgittern und verfolgten das Geschehen. Schäubles letzte Ruhestätte ist der historische Waldbachfriedhof.
Anspruch auf ein Großes militärisches Ehrengeleit haben nur wenige Personen: etwa verstorbene hochrangige Bundeswehrsoldaten und Personen, deren Verdienste eine militärische Würdigung rechtfertigen, und Politiker mit besonderem Bezug zur Bundeswehr. So wurden unter anderen bereits die verstorbenen früheren Bundeskanzler Helmut Kohl und Helmut Schmidt auf diese Weise geehrt.
Schäuble war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa