Machtkampf beim Parteitag Tories pfeifen Boris Johnson zurück
01.10.2018, 20:20 Uhr
Beim Tory-Parteitag in Birmingham wagt Großbritanniens Ex-Außenminister den Frontalangriff auf Regierungschefin May. Deren Brexit-Plan bezeichnet er als Ergebnis "geistiger Verwirrung". Doch nun kommt Gegenwind aus der Partei - und ein bisschen Häme.
Der britische Ex-Außenminister Boris Johnson hat auf dem Tory-Parteitag in Birmingham Kritik von Parteifreunden für seine Angriffe auf Premierministerin Theresa May einstecken müssen. Ungewohnt deutlich teilte Finanzminister Philip Hammond gegen Johnson und dessen Kritik an den Brexit-Plänen der Regierungschefin aus. Der frühere Außenminister habe keinen Sinn für Details, wenn es um wichtige Angelegenheiten wie den EU-Austritt gehe, sagte Hammond der "Daily Mail". Die Chancen, dass Johnson May als Regierungschef ablösen könnte, schätzt er als gering ein. "Ich erwarte nicht, dass das passiert."
Hammond sagte, das Bedeutendste, was Johnson in seiner politischen Karriere erreicht habe, sei die Einführung der "Boris Bikes" genannten Leih-Fahrräder auf den Straßen der britischen Hauptstadt gewesen. Der 54-Jährige war vor seiner Berufung zum Außenminister acht Jahre lang Bürgermeister Londons. Johnson hatte Mays Brexit-Pläne beim Parteitag als Ergebnis "geistiger Verwirrung" und "lächerlich" bezeichnet. Er und andere Brexit-Hardliner fordern einen klaren Bruch mit Brüssel. Am Dienstag wird Johnson eine mit Spannung erwartete Rede vor den Konservativen halten.
Johnson ist bekannt für seine markigen Worte. Doch er war nicht der einzige, der wegen abfälliger Äußerungen in der Kritik stand. Sein Nachfolger im Amt des Außenministers, Jeremy Hunt, hatte mit einem abschätzigen Vergleich zwischen der EU und der ehemaligen Sowjetunion sowohl deutsche als auch europäische Politiker verärgert. Die EU müsse aus der Geschichte der Sowjetunion lernen, hatte Hunt am Sonntagabend bei seiner Parteitagsrede gesagt. "Wenn Sie die EU in ein Gefängnis verwandeln, wird der Wunsch, da rauszukommen, nicht schwinden, sondern wachsen."
"Die EU ist kein Gefängnis"
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach in London von einem "unangemessenen Ton". Auch in Brüssel stießen Hunts Äußerungen auf Kritik. "Ich würde respektvoll sagen, dass wir alle davon profitieren würden - und insbesondere die Außenminister - von Zeit zu Zeit ein Geschichtsbuch zu öffnen", sagte Margaritis Schinas, der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Sorry, Jeremy Hunt, die EU ist kein Gefängnis", twitterte der deutsche Europastaatsminister Michael Roth von der SPD.
Röttgen warf Brüssel aber auch Defizite bei den Brexit-Gesprächen vor. "Bei der EU liegt die Schwäche darin, nicht souverän zu Kompromissen bereit zu sein", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Auch Finanzminister Hammond forderte die EU auf, sich bei den Brexit-Gesprächen auf die Vorschläge Londons einzulassen. EU-Ratspräsident Donald Tusk liege falsch mit seinem Urteil, die Pläne würden nicht funktionieren. "Das ist, was die Leute 1878 über die Glühbirne gesagt haben."
May will eine Freihandelszone mit der EU für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür soll sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden. Den sogenannten Chequers-Deal hatte May im Sommer gegen heftigen Widerstand in ihrem Kabinett durchgepeitscht.
Quelle: ntv.de, jug/dpa