Ausstand lähmt Großbritannien Tories trotzen Forderungen der Streikenden
01.02.2023, 19:03 Uhr
Hunderttausende Briten legen ihre Arbeit nieder und streiken für bessere Löhne, Renten und Jobbedingungen. Trotz Pandemie- und Inflationsfolgen bleiben die regierenden Konservativen hart und fordern ein Ende der Ausstände. Das ist jedoch nicht in Sicht, weitere Berufsgruppen werden folgen.
In Großbritannien sind eine halbe Million Beschäftigte in den Streik getreten. Ab dem späten Vormittag versammelten sich Tausende Lehrkräfte zu einem Protestmarsch im Londoner Stadtzentrum, sie trugen Schilder mit Aufschriften wie "Rettet unsere Schulen". Tausende Schulen im Land blieben geschlossen. Auch Zugführer sowie Grenzschutzbeamte an Flug- und Seehäfen legten ihre Arbeit nieder. Der britische Gewerkschaftsdachverband TUC sprach vom "größten Streiktag seit 2011".
"Das Arbeitspensum ist immer höher und höher und mit der Inflation ist unser Gehalt niedriger und niedriger", sagte der 57-jährige Lehrer Nigel Adams in der britischen Hauptstadt. "Wir sind erschöpft. Wir zahlen den Preis und die Kinder auch."
Auf ihrem Weg spendeten Passanten den Streikenden Applaus; Autofahrer und Busfahrer taten ihre Unterstützung mit Hupen kund. Die Menschenmenge marschierte zum Parlament und hielt schließlich vor dem Amtssitz des Premierministers in der Downing Street. Auch mehrere Elternverbände haben erklärt, die Bewegung zu unterstützen.
Arbeitnehmer müssen trotzdem zu den Tafeln
Die Demonstranten beklagen den starken Anstieg der Lebenshaltungskosten. In allen Sektoren verlangen sie vor allem eine Anpassung der Gehälter an die Inflation, die seit Monaten zehn Prozent überschreitet. Zugleich wird mit den Streiks gegen schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Renten sowie Regierungspläne protestiert, das Streikrecht im Land einzuschränken. "Wir streiken, weil wir in den vergangenen zehn Jahren effektiv Lohnkürzungen hatten", sagte der Gewerkschaftsvertreter und Arbeitsvermittler Graham. "Obwohl sie arbeiten, müssen einige unserer Mitglieder die Tafeln besuchen." In den vergangenen Monaten hatten in Großbritannien bereits Streiks zehntausender Beschäftigter, unter anderem im Pflegesektor und bei der Post stattgefunden.
Der britische Premier Rishi Sunak hat zu "bezahlbaren" Lohnerhöhungen aufgerufen. Er warnte, dass große Gehaltssteigerungen die Bemühungen im Kampf gegen die Inflation gefährdeten. Gewerkschaften hingegen werfen dem Millionär Sunak vor, keinen Bezug zu den Herausforderungen zu haben, denen normale Arbeitnehmer angesichts unsicherer Arbeit mit geringer Bezahlung und in die Höhe schießenden Preisen ausgesetzt seien.
Ein Zugführer namens Tony sagte, die angebotenen Gehaltserhöhungen seien beleidigend - besonders nach der Pandemie. "Wir haben während Covid durchgearbeitet. Wir wurden als systemrelevante Arbeiter gepriesen und dann gibt es diese Ohrfeige", sagte der 61-Jährige. Die 50-jährige Kate Lewis, die am Bahnhof King's Cross in London auf ihren verspäteten Zug wartete, sagte, sie habe Verständnis mit den Streikenden. "Wir sind alle im selben Boot, alle von der Inflation betroffen."
Bildungsministerin von Lehrern enttäuscht
Die konservative Regierung und Unternehmenschefs bleiben hart. Bildungsministerin Gillian Keegan sagte im Times Radio, sie sei von der Arbeitsniederlegung der Lehrkräfte "enttäuscht". Premier Sunak sagte dem Parlament, die Regierung habe den Lehrern die "größte Gehaltserhöhung seit 30 Jahren" gewährt, darunter neun Prozent für Berufsanfänger. Er rief den Oppositionsführer Keir Starmer von der Labourpartei dazu auf, zu sagen, "dass die Streiks falsch sind und wir unsere Schulkinder unterstützen sollten".
Gewerkschaftsführer Mark Serwotka bezeichnete die Position der Regierung im Fernsehsender Sky News als "unhaltbar". Ein Ende der Streiks ist nicht in Sicht: "Nächste Woche haben wir die Rettungssanitäter, und wir haben die Krankenpfleger, dann sind die Feuerwehrleute dran", sagte Serwotka. Er warnte, dass die Gewerkschaften bereit seien, auch den Sommer durchzustreiken.
Schon seit vergangenem Frühjahr hält die Streikbewegung in Großbritannien an. Nach jüngsten Angaben des Statistikamts verlor Großbritannien wegen der Streiks 1,6 Millionen Arbeitstage allein in der Zeit von Juni bis November 2022.
Quelle: ntv.de, Helen Rowe, Véronique Dupont, AFP