 
		                      Der Ex-Präsident und Carlson bei einem Turnier auf Trumps Golfanlage in Bedminster, New Jersey.
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
Seine Fans sind es gewohnt, dass der frühere US-Präsident seinem Frust über angebliche Verfolgung und Wahlbetrug freien Lauf lässt. So ist es auch beim vielbeachteten Interview, das er in Konkurrenz zur TV-Debatte der Republikaner gibt. Das Gespräch hat etwas von einer Therapiestunde.
Der beste Moment des Interviews kommt gleich am Anfang. Der von Fox News gefeuerte einstige Star-Kommentator Tucker Carlson steht neben Donald Trump und schaut in die Kamera. "Es ist Debatten-Abend, aber wir sind nicht in Milwaukee", sagt Carlson in die Kamera und grinst verschmitzt. Das hatte einen gewissen Witz, die beiden wirken wie zwei Teenager, die eine langweilige Schulaufführung schwänzen und stattdessen etwas viel Cooleres machen.
Zumindest, wenn man keine verfestigte Skepsis gegenüber dem Rechtspopulisten, der mit einem Putschversuch in die US-Geschichte einging, und seinem Propagandisten empfindet, der in seiner Show auf Fox News regelmäßig rechtsradikale Verschwörungstheorien verbreitete - und schließlich gefeuert wurde, weil die Werbepartner absprangen. Nach dem einigermaßen gelungenen Intro war es dann schnell vorbei mit Witz oder Unterhaltungswert. Es wurde gähnend langweilig.
Das 46 Minuten lange Interview hatten Trump und Carlson vorab aufgezeichnet und am Mittwochabend (Ortszeit, 3 Uhr MESZ) auf X, dem früheren Twitter, veröffentlicht, als auch die TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber begann. Trump gehörte eigentlich auch auf das Podium, doch hatte er eine Teilnahme abgesagt. Bei Carlson sagte er auch warum: Er liege mit 50 oder 60 Punkten vorn - eine Übertreibung - seine Mitbewerber hätten zum Teil nur einen oder zwei Prozentpunkte Zustimmung. Manche von ihnen sollten gar nicht kandidieren.
Mehr Berichte über TV-Debatte der Republikaner
Seine Absage war der eine Mittelfinger an die Konkurrenten, der zweite das besagte Interview. Denn offensichtlich wollte er damit den anderen Bewerbern um die Kandidatur der Republikaner den Sauerstoff nehmen - Sauerstoff in Form von Einschaltquote und Aufmerksamkeit. Das gelang höchstens teilweise. Noch gibt es keine offiziellen Angaben zur Zahl der Zuschauer, aber Fakt ist, dass die großen Medien ausführlich und groß über den Abend in Milwaukee (Wisconsin) berichten und Trumps Interview dabei meist eher eine Fußnote ist. Selbst bei "Breitbart", einer rechtsradikalen Internetseite, die Trump immer unterstützt hat.
Trumps Interview auf X fand aber ebenfalls gewaltigen Anklang, am späten Donnerstagnachmittag deutscher Zeit war es schon 180 Millionen Mal aufgerufen worden. Das sieht beeindruckend aus, es ist aber unklar, wie oft das Video in den USA oder von wahlberechtigten US-Amerikanern angeklickt wurde. Es gibt auch keine Hinweise darauf, wie viele Leute es sich größtenteils oder ganz angesehen haben. Der Verlauf des Gesprächs legt nahe, dass es nicht alle 180 Millionen Zuschauer bis zum Ende durchgehalten haben.
Trump-Fans mögen den Ex-Präsidenten zwar so wie er ist, aber deren Zahl wächst zumindest nicht mehr. In Iowa, wo am 15. Januar die erste Vorwahl abgehalten wird, sagen immerhin 57 Prozent der wahlwilligen Republikaner, dass die Partei einen neuen Anführer brauche oder es Zeit sei, zumindest jemand Neues an der Spitze in Betracht zu ziehen. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung Trumps, den ein Großteil dieser Menschen zweimal gewählt hat. Es ist aber genau die Stimmungslage, die mehreren andere Republikaner den Mut gab, ihn herauszufordern. Was vor zwei, drei Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Interview oder Therapiesitzung?
Mitunter konnte man während des Interviews den Eindruck gewinnen, es handele sich um eine Therapiestunde. Statt vor einem Kaminfeuer hätte Trump sich auch auf eine Couch legen und Carlson als Therapeut daneben sitzen können. Trump ließ alles raus, nannte seine Gegner "wilde Tiere", von denen er glaubt, sie hassten Amerika. Präsident Joe Biden kanzelte er als inkompetent, korrupt und krank ab, ließ sich minutenlang über Bilder aus dessen Urlaub am Strand von Delaware aus, dass er zu schwach sei, einen Strandstuhl anzuheben oder überhaupt durch Sand zu laufen.
Dabei kam er oft vom Hundertsten ins Tausendste, sprang von der Innen- zur Außenpolitik und wieder zurück. Ohne ihn wären die USA längst in einen Atomkrieg mit Nordkorea verwickelt, mit ihm hätte es den Ukraine-Krieg nie gegeben. Darauf kam der leidenschaftliche Golfspieler nachdem er sich über Bidens Urlaubsfotos ausgelassen hatte:
"Ein Strand repräsentiert nicht, was ein Präsident tun sollte. Ein Präsident sollte arbeiten. Er sollte uns durch diesen schrecklichen Krieg bringen, man könnte das ganz einfach tun, er aber nicht, aber der Krieg sollte sofort enden. Hunderttausende werden getötet. Können Sie sich vorstellen, in einem Apartmenthaus zu sitzen und dort fliegen Raketen hinein? Dieser Krieg sollte sofort enden. Russen oder Ukrainer, was auch immer sie sind, es sollte aufhören. Es kann sehr einfach beendet werden. Wenn ich Präsident wäre, hätte es nie begonnen."
Carlson hätte an dieser Stelle nachhaken können, wie er das anstellen will und warum er glaubt, dass Putin auf ihn hört. Aber das hätte ja etwas von kritischem Nachfragen gehabt und davon war die gesamten 46 Minuten nichts zu spüren. Dabei schienen selbst Trump manche Fragen Carlsons zu abgedreht zu sein. Gleich zu Beginn wollte er wissen, ob er nicht auch glaube, so wie Carlson, dass Jeffrey Epstein in seiner Haft nicht Selbstmord begangen habe, sondern ermordet worden sei - jener New Yorker Superreiche, der in der Upper Class teils minderjährige Frauen zur Prostitution mit anderen Männern zwang.
Angst vor einem Mordanschlag?
Oder, so Carlson, ob er nicht fürchte, ermordet zu werden. Das stellte er als logische Folge von Protesten, den Amtsenthebungsverfahren und den Anklagen gegen Trump dar. "Da bleibt nur Gewalt als letztes Mittel. Haben Sie Angst, ermordet zu werden?", fragte er. Trump, obwohl er selbst im Zusammenhang mit Impeachments und Anklagen stets von einer Hexenjagd spricht, wirkte fast seriös, als er erneut auswich und kein Zitat dazu lieferte.
Ihm blieb ausreichend Gelegenheit, sich ausgiebig über die nie bewiesenen und von Dutzenden Gerichten abgeschmetterten Wahlbetrugsvorwürfen auszulassen. Auch Hillary Clinton, der frühere FBI-Chef James Comey und natürlich sein Vizepräsident Mike Pence, der nun selbst kandidiert, überzog er mit Vorwürfen. Carlson nickte verständnisvoll, lachte an den richtigen Stellen oder streute auch mal ein "Amazing" ein, was Amerikaner meist sagen, wenn Sie etwas toll finden.
Carlson stellte genau eine Frage zu dem, was vor einer Wahl nicht ganz uninteressant ist: Was der Kandidat eigentlich genau vorhat. Beim letzten Mal sei es die Mauer gewesen, die er an der Grenze zu Mexiko bauen wollte, so Carlson: "Was ist es jetzt?" Trump fiel nichts weiter ein, als zu sagen, dass es wieder die Mauer sein werde und er Hunderttausende Kriminelle wieder aus den USA herauswerfen werde. Trump bestätigte einmal mehr, dass er nichts Neues im Programm hat. Ob das überhaupt eine Rolle spielt? Bei diesem Mann weiß man es nie.
Quelle: ntv.de

 
   
   
   
   
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                            