Politik

Rückschlag für Frauenrechte Türkei verlässt Istanbul-Konvention

Am internationalen Frauentag wurde auch in Istanbul demonstriert. Fast jeden Tag wurde im letzten Jahr in der Türkei eine Frau von einem Mann getötet.

Am internationalen Frauentag wurde auch in Istanbul demonstriert. Fast jeden Tag wurde im letzten Jahr in der Türkei eine Frau von einem Mann getötet.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Am 8. März kündigt der türkische Staatschef Erdogan an, der Staat wolle stärker gegen Gewalt gegen Frauen vorgehen. Nun passiert das Gegenteil: Die Türkei kündigt die Istanbul-Konvention auf, das europaweite Menschenrechtsabkommen zum Schutz von Frauen.

Die Türkei ist aus der sogenannten Istanbul-Konvention ausgetreten, die Gewalt an Frauen verhindern und bekämpfen soll. Eine entsprechende Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde in der Nacht zu Samstag im Amtsblatt veröffentlicht. Die internationale Vereinbarung war 2011 vom Europarat ausgearbeitet worden und soll einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Erdogan selbst hatte die Konvention in Istanbul - dem Ort der finalen Einigung - unterschrieben, damals noch als Ministerpräsident. Später wurde sie in der Türkei zwar auch entsprechend ratifiziert, laut der Organisation "Wir werden Frauenmorde stoppen" aber nie angewendet.

Gewalt an Frauen ist in der Türkei, wie in vielen Ländern, ein verbreitetes Problem. In den vergangenen Monaten gab es in dem Land immer wieder Diskussionen um einen möglichen Austritt aus der Konvention. Konservative Politiker hatten ihn gefordert, weil das Abkommen der Einheit der Familie schade und Scheidungen fördere. Ein Grund für den Austritt wurde nun nicht genannt. Die Ministerin für Familie, Arbeit und Sozialpolitik, Zehra Zumrut, twitterte, Frauenrechte seien in den türkischen Gesetzen und in der türkischen Verfassung ausreichend geschützt.

Die Aktivistinnen von "Wir werden Frauenmorde stoppen" rufen zu Protesten gegen die Entscheidung auf. Die Generalsekretärin der Organisation, Fidan Ataselim, sagte, die Regierung gefährde mit dem Austritt das Leben von Millionen Frauen. Sie forderte die türkische Führung auf, die Entscheidung zurückzunehmen und die Konvention anzuwenden. In einem auf Twitter geteilten Video sagte sie: "Ihr könnt Millionen Frauen nicht zu Hause einsperren, ihr könnt Millionen Frauen nicht von den Straßen und Plätzen ausradieren."

Nach Angaben der Organisation wurden allein im vergangenen Jahr mindestens 300 Frauen in der Türkei von Männern ermordet. Erst kürzlich heizten die Vergewaltigung und der Mord an einer 92-Jährigen sowie das Video einer brutalen Tat, bei der ein Mann seine Ex-Frau auf offener Straße misshandelte, die Diskussion um Gewalt gegen Frauen an. Zum Internationalen Frauentag hatten am 8. März in Istanbul Tausende Menschen friedlich für Gleichberechtigung und gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Erdogan hatte an dem Tag gesagt, man wolle stärker gegen Gewalt an Frauen vorgehen und Familien, deren Fundament "Mann und Frau" seien, als Institution stärken. Kürzlich wurde eine Smartphone-App eingeführt, mit der Frauen bei Übergriffen die Polizei alarmieren können. Sie wurde bereits hunderttausendfach heruntergeladen.

Quelle: ntv.de, ino/dpa

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