Kritik an israelischem Vorgehen UN besorgt um Zivilbevölkerung im Gazastreifen
13.10.2023, 21:52 Uhr Artikel anhören
Palästinenser tragen nach israelischen Angriffen im Flüchtlingslager Rafah im südlichen Gazastreifen Opfer aus den Trümmern.
(Foto: picture alliance/dpa)
1,1 Millionen Palästinenser sollen ihre Häuser verlassen und sich in Sicherheit bringen, so der Aufruf des israelischen Militärs. Diese Vertreibung ist laut UN nicht tragbar. Auch der US-Außenminister warnt vor einer humanitären Katastrophe, das Rote Kreuz betont, dass eine Zerstörung Gazas nicht gerechtfertigt sei.
US-Außenminister Antony Blinken hat Israel aufgefordert, bei Gegenangriffen auf den Gazastreifen nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. "Wir haben die Israelis dazu gedrängt, jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme zu ergreifen, um Schaden für Zivilisten zu vermeiden", sagte Blinken bei einem Besuch in Katar. Die USA hatten sich nach dem am vergangenen Samstag gestarteten Hamas-Angriff klar an die Seite Israels gestellt. Inzwischen wachsen aber die Befürchtungen vor einer rasch wachsenden Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen bei israelischen Luftangriffen.
Auch der UN-Generalsekretär António Guterres ist nach Angaben seines Sprechers derzeit in "ständigem Kontakt" mit Israel, um eine "humanitäre Katastrophe" im Gazastreifen zu verhindern. Er hat zudem einen sofortigen Zugang zum Gazastreifen für humanitäre Hilfe gefordert. "Auch Kriege haben Regeln", sagte Guterres. "Menschen dürfen nicht gegen ihren Willen dazu aufgefordert werden, sich an einen anderen Ort zu begeben", sagte Sprecher Stéphane Dujarric. Darüber hinaus sei Guterres in stetigem Kontakt mit anderen Offiziellen, beispielsweise aus den USA und Ägypten, um die seit Tagen unterbrochene Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen wieder zu ermöglichen. Die UN-Vorräte dort seien praktisch aufgebraucht - und es gebe dort derzeit beispielsweise alleine 50.000 schwangere Frauen, die dringend Unterstützung bräuchten.
UN stemmt sich gegen Massenevakuierungsaufruf
Zivilisten müssten unter allen Umständen geschützt werden, betonte Dujarric. UN-Einrichtungen, in die sich bereits tausende Menschen im Gazastreifen schutzsuchend begeben hätten, dürften nie angegriffen werden. Die UN forderten zudem eine sofortige Freilassung aller von der islamistischen Hamas nach Gaza verschleppten Geiseln.
Zuvor hatten sich die UN bereits ausdrücklich gegen den Aufruf des israelischen Militärs zur Massenevakuierung des nördlichen Gazastreifens gestemmt. Ein solcher Schritt, der etwa 1,1 Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet betreffe, könne nicht ohne verheerende Folgen bleiben, hieß es. Dass Ägypten sich weigert, seine Grenze für Gaza-Flüchtlinge zu öffnen, kommentierten die UN dagegen nicht.
Rotes Kreuz fordert Kampfpausen
Laut dem Internationalen Komitee vom Rotem Kreuz (IKRK) rechtfertigt der Großangriff der Hamas auf Isreal keine Zerstörung von Gaza. "Die schrecklichen Angriffe auf Israel am vergangenen Wochenende sind durch nichts zu rechtfertigen", aber "diese Angriffe können im Gegenzug nicht die unbegrenzte Zerstörung von Gaza rechtfertigen", erklärte das IKRK. Die Organisation forderte "Pausen in den Kämpfen". Der Aufruf der israelischen Behörden zum Verlassen des nördlichen Gazastreifens "gekoppelt mit der vollständigen Belagerung, die ihnen Nahrung, Wasser und Strom vorenthält", sei "nicht mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar".
Israel hatte zuvor rund 1,1 Millionen Palästinenser im Norden des Gazastreifens aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und sich im Süden des Gebiets in Sicherheit zu bringen. Hintergrund ist der Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am Samstag vergangener Woche. Dabei waren von der Hamas rund 150 Menschen als Geiseln verschleppt und mehr als 1300 Menschen getötet worden. Die israelische Armee nahm in der Folge den von der Hamas beherrschten Gazastreifen unter Beschuss. Dabei wurden nach Angaben der dortigen Behörden bisher etwa 1800 Menschen getötet.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP