US-Wahl 2024

"Amerika wird überfallen" Die US-Wahl entscheidet sich auch an der Grenze zu Mexiko

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Mit Tränengas versuchen US-Bundespolizisten in Ciudad Juarez Migranten von der Einreise in die USA abzuhalten. (Archivbild)

Mit Tränengas versuchen US-Bundespolizisten in Ciudad Juarez Migranten von der Einreise in die USA abzuhalten. (Archivbild)

(Foto: picture alliance / Anadolu)

Vizepräsidentin Harris liegt in landesweiten Umfragen knapp vor ihrem Kontrahenten Trump. Beim bestimmenden Thema Migration liegt sie aber hinter Trump. Das Problem: Ein veraltetes Einwanderungssystem, das seit den Neunzigerjahren nicht mehr modernisiert wurde.

Am 11. Oktober setzte der ehemalige Präsident der USA, Donald Trump, eine Botschaft auf dem Kurznachrichtendienst "X" ab. Der in Versalien verfasste Tweet: "Amerika wird überfallen - beendet die Invasion, befreit Amerika." Darunter ist ein Werbespot von Trumps Präsidentschaftskampagne zu sehen. In dem Video geht es vorwiegend um illegale Migranten, die laut des Wahlkampfteams eine Reihe von Straftaten begangen haben. Der Tweet ist knapp 70 Millionen Mal gesehen worden.

Ebenfalls am 11. Oktober veröffentlichte die "New York Times" eine Reportage über Haitianer, die in der Stadt Springfield im Bundesstaat Ohio leben. Trump hatte die Verschwörungstheorie verbreitet, zuletzt sehr prominent in der TV-Debatte gegen seine Widersacherin Kamala Harris, dass haitianische Migranten Hunde und Katzen stehlen und essen würden. Laut "New York Times" sind Haitianer in Springfield deswegen nun vermehrt Opfer von Hass und Einschüchterungen geworden, unter anderem von rechtsradikalen Gruppen. Der Artikel belegt die ganz realen Konsequenzen haltloser Anschuldigungen gegen Minderheiten.

Parteiübergreifendes Aufregerthema

Tatsächlich ist Migration eines der entscheidenden Themen bei dieser US-Wahl. Bei einer Umfrage der Denkfabrik Pew Research Center gaben 61 Prozent der Befragten an, dass Migration für sie für ihre Wahlentscheidung "sehr wichtig" sei. Auch wenn Wähler andere Themen häufiger nannten, allen voran die Wirtschaft mit 81 Prozent: Kaum eines erregt die Gemüter so sehr wie die Diskussion um die südliche Grenze der USA zu Mexiko.

Unter US-Präsident Joe Biden stieg die Zahl der erfassten illegalen Übertritte an der US-Grenze deutlich an. Im Dezember 2023 waren es in nur einem Monat knapp 250.000, im Gesamtjahr 2023 ganze 2,5 Millionen. Biden zog deshalb die Reißleine. Per präsidialer Anordnung verschärfte er das Grenzregime, die Zahlen gingen zurück.

Allerdings funktioniert das Regieren über Anordnungen nur bedingt und meistens nicht langfristig. Das eigentliche Problem sei das veraltete Einwanderungssystem, sagt Kathleen Bush-Joseph, Analystin beim Migration Policy Institute in Washington D.C. Im Gespräch mit ntv.de sagt die Migrationsexpertin: "Das Parlament hat die US-Migrationsgesetze seit Jahrzehnten nicht mehr wesentlich angepasst. Wir haben ein extrem veraltetes und rigides System, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen ist."

Trump will Millionen abschieben

Weiter betont die Analystin den enormen Rückstau. "Es gibt 3,7 Millionen ausstehende Abschiebungsfälle und es gibt nur etwas mehr als 700 Einwanderungsrichter, die all diese Fälle anhören müssen", so Bush-Joseph. Zudem gebe es rund 1,3 Millionen ausstehende Entscheidungen in Asylverfahren. Teilweise brauche es unglaubliche zehn Jahre, bis Menschen einen Anhörungstermin im Rahmen ihres Verfahrens bekämen.

Trumps republikanische Partei blockierte zuletzt genau diese wichtigen Änderungen am Einwanderungssystem. Zugleich lassen die Partei und ihr Präsidentschaftskandidat keine Gelegenheit aus, um gegen Migranten zu wettern. Trump bezeichnete diese als "Kriminelle und Vergewaltiger", die "das Blut" der USA vergifteten. Trump verspricht in seinem Wahlkampf die Abschiebung von Millionen von Migranten, die bereits im Land sind.

Im Rennen um die Präsidentschaft liegt Trump momentan knapp zurück. Eine Umfrage im Auftrag von "Washington Post" und ABC News zeigt aber auch: Zehn Prozent mehr Wählerinnen und Wähler trauen ihm zu, das Thema Migration anzugehen als Kamala Harris. Dieser Wert muss der Harris-Kampagne Sorgen bereiten.

Das Land braucht Arbeitskräfte

Das vergiftete Klima und die kontroversen Debatten sorgen dafür, dass viel über Abschiebungen und den Bau von Mauern an der Grenze gesprochen wird. Weniger wird darüber gesprochen, dass auch das alternde Land USA dringend junge Menschen für den Arbeitsmarkt benötigt. Migranten und Minderheiten an den Pranger zu stellen, sei eine einfache Strategie für Populisten, um bei ihren Leuten anzukommen, sagt Christi Smith, Professorin am Institut für Internationale Migration an der Georgetown University.

"Die Wahrheit ist, dass wir einen Arbeitskräftemangel im Land haben und vermehrt Geflüchtete und Migranten bereit dazu sind, an genau diese Orte zu ziehen, die unter Einwohnerrückgängen leiden", erklärt Smith. Diese Nachfrage nach Arbeitskräften steht auch hinter der vermehrten Ansiedlung von Haitianern in Springfield, Ohio.

Smith fordert mehr legale Möglichkeiten für Migranten, um in die USA zu kommen. Ein Weg, den Harris sehr wahrscheinlich einschlagen würde, sollte sie Präsidentin werden. Zugleich würde wohl auch die Demokratin ein besonderes Augenmerk auf ein striktes Grenzregime legen. Sollten die Republikaner weiterhin parlamentarische Prozesse im Kongress blockieren, bliebe auch Harris keine andere Wahl, als über Anordnungen zu regieren.

Dabei könnte ein Abkommen des scheidenden US-Präsidenten Biden mit Mexiko helfen. Mexiko hat sich verpflichtet, Migranten aus Mittelamerika aufzugreifen, noch bevor diese die US-Grenze erreichen, um sie dann mit Bussen zurück in den Süden Mexikos zu fahren. "Diese Partnerschaft mit Mexiko hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Zahlen der Ankünfte seit Januar deutlich zurückgegangen sind", sagt Bush-Joseph vom Migration Policy Institute.

An der Wahrnehmung von illegaler Migration als vermeintlich drängendstes Problem der USA hat der nachlassende Druck auf die Südgrenze wenig geändert. Harris, der oft vorgeworfen wird, dass sie zu vage in ihren Aussagen und Plänen ist, muss daher aufpassen, dass das Thema Migration ihr nicht schon vor der Wahl entgleitet. Denn 80 Prozent der potenziellen Wählerinnen und Wähler von Harris erwarten laut einer Umfrage des Pew Research Center, dass die Sicherheit an den Grenzen der USA verbessert wird.

Quelle: ntv.de

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