"Geistige Widerstandskraft" Harris setzt mit Gesundheitsgutachten Trump unter Druck
12.10.2024, 17:29 Uhr Artikel anhören
Donald Trump und Kamala Harris gehen unterschiedlich mit ihren Gesundheitsdaten um.
(Foto: picture alliance / SvenSimon-ThePresidentialOfficeU)
Kamala Harris holt das Alter der Kandidaten für die US-Präsidentschaft wieder in den Wahlkampf zurück. Die 59-jährige Demokratin veröffentlicht ein medizinisches Gutachten ihres Zustands. Damit soll laut einem Berater gegen den 78-jährigen Trump gepunktet werden. Das Team des Rivalen reagiert prompt.
Ein US-Militärarzt hat Vizepräsidentin Kamala Harris eine "ausgezeichnete Gesundheit" bescheinigt. Die 59-jährige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten "verfügt über die körperliche und geistige Widerstandskraft", die für das Amt der Präsidentin erforderlich ist, schrieb ihr Arzt Joshua Simmons in einem veröffentlichten zweiseitigen Schreiben, das Harris Krankengeschichte und ihren Gesundheitszustand zusammenfasst. Trotz eines vollen Terminkalenders pflege die Vizepräsidentin einen aktiven Lebensstil und ernähre sich "sehr gesund". Sie leide an saisonalen Allergien und sporadisch auftretender Nesselsucht, rauche nicht und trinke Alkohol nur in Maßen. Die Testergebnisse ihrer Untersuchung im April vergangenen Jahres seien unauffällig.
Der Arztbericht ist deutlich kürzer als jene ihres Chefs, US-Präsident Joe Biden, der in den vergangenen Jahren stets mit langen Auflistungen altersbedingter Beschwerden Schlagzeilen gemacht hatte. Harris' Berater hoffen nach Angaben eines Wahlkampfhelfers, mit der Veröffentlichung einen Kontrast zu Donald Trump zu schaffen. Der Quelle zufolge möchte die Vizepräsidentin mit diesem Gutachten eine Debatte über die Eignung ihres 78-jährigen republikanischen Kontrahenten anfachen. Harris wolle darauf aufmerksam machen, dass Trump sich weigere, aktuelle medizinische Daten über seinen Zustand offenzulegen.
Das Wahlkampfteam von Donald Trump erklärte umgehend, der 78-Jährige sei ebenfalls "bei bester Gesundheit für das Amt des Oberbefehlshabers". Wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Gutachtens forderte Harris' Sprecher Ian Sams Trump direkt auf, ebenfalls Informationen über seinen Gesundheitszustand zu veröffentlichen. "Was verheimlicht er?", fragte Sams. Harris' Wahlkampf-Team hebt immer wieder hervor, dass die Kandidatin der Demokraten deutlich jünger ist als der Republikaner.
Ritual der Präsidentschaftsbewerber
Es ist eine Besonderheit in der US-Politik, dass Präsidenten regelmäßig offenlegen, wie es um ihre Gesundheit bestellt ist. Rechtlich ist das nicht vorgeschrieben, es ist aber zu einer Art Ritual geworden, um das kein Amtsinhaber herumkommt. Für Präsidentschaftsbewerber gehört es ebenso zur Praxis, dass sie Einblick in ihren Gesundheitszustand geben.
Am Samstag veröffentlichte Trumps Wahlkampfteam erneut eine Erklärung seines ehemaligen Leibarztes Ronny Jackson, die bereits nach dem versuchten Attentat im Juli veröffentlicht worden war. Jackson, der mittlerweile Abgeordneter ist, hatte darin erklärt, Trump gehe es "äußerst gut" und er erhole sich "schnell" von seiner Verletzung am Ohr.
Trumps Wahlkampfteam verbreitete zudem erneut eine Erklärung eines anderen Arztes, der Trump im September 2023 untersucht hatte. Der Arzt Bruce Aronwald hatte Trump eine "ausgezeichnete" Gesundheit bescheinigt. Er nannte aber nur wenige Details und machte keine Angaben dazu, welchen Tests er Trump bei der Untersuchung unterzogen hat.
Zudem erklärte sein Team, Trump habe einen "extrem vollen" Terminplan und sei im Wahlkampf so "aktiv" wie kein Politiker vor ihm. Harris' nehme weniger Termine wahr, weil sie offenbar nicht über Trumps "Ausdauer" verfüge, behaupteten seine Wahlkämpfer. Sie sei daher "völlig ungeeignet", US-Präsidentin zu werden.
Trump bleibt Gesundheitsdetails schuldig
Trump hatte zuvor im November vergangenen Jahres ein Schreiben seines Arztes veröffentlicht, der dem ehemaligen Präsidenten eine ausgezeichnete körperliche und geistige Gesundheit bescheinigte. Der Brief wurde auf Trumps Social-Media-Plattform veröffentlicht und enthielt keine Details, um die Aussagen zu untermauern - weder Messwerte wie Gewicht, Blutdruck und Cholesterinspiegel noch die Ergebnisse von Tests.
Dagegen hatte Trump sich immer wieder zur Fitness und zum Gesundheitszustand von Präsident Joe Biden geäußert, als dieser sich noch um eine Wiederwahl bemühte. So hatten Debatten um die körperliche und geistige Fitness des 81-jährigen Präsidenten den Wahlkampf geprägt.
"Länger, verwirrender und vulgärer"
Ein jüngst in der "New York Times" veröffentlichter Artikel kritisiert, dass Trump - anders als Biden - niemals transparent über seine Gesundheit gesprochen oder aktuelle medizinische Untersuchungen veröffentlicht hat. Ein anderer Artikel in der Zeitung kommt zu dem Schluss, dass Trumps Reden in jüngster Zeit zunehmend "länger, verwirrender und vulgärer" ausfallen.
Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge hielten im Juni nur 37 Prozent der Wähler Trump zu alt für eine weitere Amtszeit - bei dem nur drei Jahre älteren Biden sahen hingegen zwei Drittel der US-Bürger das Alter als Problem. Trump ist seit dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Rennen um das Weiße Haus der älteste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA.
Bei Biden, der im Sommer auf Druck seiner Partei hin aus dem Wahlkampf ausgestiegen war und Platz für Harris gemacht hatte, sahen diese Arztberichte anders aus. Dort wurden stets diverse kleinere Gebrechen aufgelistet, darunter wenig schmeichelhafte Dinge wie allgemeiner "Verschleiß", ein "steifer Gang", Hüftbeschwerden und die Nutzung einer Atemmaske zum Schlafen. Biden war als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus eingezogen. Wegen Zweifeln vieler Parteikollegen an seiner mentalen und körperlichen Fitness hatte er seine Wiederwahlkampagne beendet.
Einer am 10. Oktober veröffentlichten Gallup-Umfrage zufolge halten nun 41 Prozent der Befragten Trump für zu alt. Harris hofft nun offenbar, den doch beachtlichen Altersunterschied zwischen ihr und Trump zu ihrem Vorteil nutzen zu können. Die Wahl findet am 5. November statt. In Umfragen liegen Harris und Trump nahezu gleichauf.
Quelle: ntv.de, gut/AP/AFP/rts/dpa