"Schlaf wird überschätzt" Übernächtigte Ampel-Spitzen überzeugt von Haushaltsergebnis
05.07.2024, 10:57 Uhr Artikel anhören
Über 23 Mal habe Lindner (l.) sich mit Scholz (r.) und Habeck (m.) getroffen. Mit insgesamt 80 Stunden kalkuliert der Finanzminister die Beratungszeit für das Haushaltsergebnis.
(Foto: IMAGO/photothek)
In einer Nachtsitzung einigt sich die Ampel auf den Entwurf für den Haushalt 2025. Die Schuldenbremse steht, der Wehretat wächst weniger stark, das Kindergeld steigt. Kanzler Scholz will zudem die Wirtschaft milliardenschwer entlasten. Indes plant Finanzminister Lindner mit neuen Schulden.
Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet sich von der Haushaltseinigung einen zusätzlichen Impuls für Wirtschaftswachstum. "Die Bundesregierung hat ihre Beratungen über den Haushaltsentwurf 2025 nun abgeschlossen. Wie angekündigt wird das Kabinett in seiner nächsten Sitzung am 17. Juli, also in zwölf Tagen, den Entwurf beschließen", sagte der Kanzler bei der gemeinsamen Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Haushaltsberatungen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner.
Das sei eine Lösung aus einem Guss, die genau auf das angesetzt sei, worum es in Deutschland gehe, sagte der Kanzler. "Und deshalb ist es gut für die Stabilität unseres Landes, gut für die Prosperität unseres Landes, gut für die Sicherheit unseres Landes und ganz nebenbei auch gut für die Regierung", so Scholz.
Gleichzeitig werde auch ein Nachtragshaushalt für 2024 beschlossen und eine Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht. "Mit diesem Haushalt schaffen wir Sicherheit und Stabilität in Zeiten, die von Unruhe und Verunsicherung geprägt sind", sagte Scholz. Zu den Beratungen sagte er: "Schlaf wird überschätzt. Wir haben lange durchgemacht und viel beraten, um jetzt heute pünktlich zum Ende dieser Sitzungswoche einen Haushaltsentwurf vorlegen zu können."
Scholz, Habeck und Lindner hatten zuvor nach einer langen Verhandlungsnacht eine politische Einigung über die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr erzielt. Der Haushalt muss noch im Kabinett verabschiedet und im Bundestag beraten werden.
Milliardenentlastungen für Wirtschaft
Zudem hat Scholz milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen in Deutschland angekündigt. Der SPD-Politiker sagte, Abschreibungsbedingungen sollten verbessert werden. Investitionen sollten schneller steuerlich geltend gemacht werden können. Zudem solle die Forschungszulage ausgeweitet werden. Geplant seien außerdem zinsverbilligte Kredite durch die staatliche Förderbank KfW, um die Wirtschaft besser fördern zu können.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck sprach von einer neuen wirtschaftlichen Dynamik. In Deutschland wird in diesem Jahr nur ein Mini-Wirtschaftswachstum erwartet. Scholz nannte zudem den Abbau von Bürokratie. Jedes Jahr sei ein Bürokratieabbaugesetz geplant. Außerdem soll laut Scholz die sogenannte Strompreiskompensation bis 2030 verlängert werden. Der Kanzler sprach von Milliardenentlastungen für die deutsche Wirtschaft. Die Regierung werde zudem Maßnahmen ergreifen, um Netzkosten zu senken.
Lindner plant mit 44 Milliarden Euro neuen Schulden
Die Bundesregierung plant im kommenden Jahr mit neuen Schulden in Höhe von 44 Milliarden Euro. Dies geschehe im Rahmen der Schuldenbremse, sagte Finanzminister Lindner. Geplant seien Ausgaben von 481 Milliarden Euro, davon 57 Milliarden Euro an Investitionen. Es handle sich "mitnichten" um einen Sparhaushalt. Es sei jeder Stein im Haushalt umgelegt worden, wo Ausgaben verringert werden könnten.
Durch den geplanten Nachtragshaushalt 2024 steige die Nettokreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse auf 50,5 Milliarden Euro. Es würden keine Rücklagen für 2025 gebildet. Lindner sagte mit Blick auf die wochenlangen Verhandlungen, er habe ausgerechnet, dass er sich 23 Mal mit Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck getroffen habe, sie hätten insgesamt 80 Stunden beraten.
Das umstrittene Lieferkettengesetz wird bald für deutlich weniger Firmen gelten als bisher. Zwei Drittel der Unternehmen würden künftig nicht mehr unter die deutschen Vorschriften zur Achtung auf Menschenrechts- und Umweltverstöße entlang ihrer Lieferkette fallen, sagte Lindner. Auch werde die Umsetzung des europäischen Lieferkettengesetzes so weit wie möglich hinausgezögert.
Verteidigungshaushalt ab 2028 bei 80 Milliarden Euro
Die Ampel-Koalition setzt in der mittelfristigen Finanzplanung auf eine erhebliche Steigerung des Verteidigungsetats nach der Verausgabung des Sondervermögens für die Bundeswehr. "Von 2028 an, also nachdem das Sondervermögen komplett ausgegeben sein wird, wird der reguläre Verteidigungshaushalt dann 80 Milliarden Euro umfassen, um die zwei Prozent weiterhin sicherzustellen", sagte Scholz.
Er hob die Verteidigungsausgaben als einen wichtigen Punkt der Einigung hervor, obwohl Forderungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius nach einer Erhöhung von mehr als 6 Milliarden Euro schon im kommenden Jahr nicht erfüllt werden. Scholz sagte aber: "Es geht um eine starke Verteidigung, eine starke Bundeswehr, die Schutz vor den aggressiven Gewaltherrschern unserer Zeit bietet."
Kindergelderhöhung soll zum 1. Januar kommen
Die geplante Erhöhung des Kindergelds und des Kindersofortzuschlags soll laut Lindner zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten. Beide Leistungen sollen um jeweils fünf Euro pro Monat erhöht werden, wie Lindner erklärte. Damit würde das Kindergeld von bislang 250 Euro monatlich auf 255 Euro steigen, der Kindersofortzuschlag für Familien, die Bürgergeld beziehen, soll von 20 Euro auf 25 Euro steigen.
Für die Kinderbetreuung in Kitas seien im Bundeshaushalt 2025 zwei Milliarden Euro jährlich vorgesehen, erklärte Lindner. Das sei nicht nur eine Frage von Familienpolitik, sondern stärke auch das Wachstumspotenzial des Landes, betonte der Minister. Aufgrund fehlender Kita-Plätze seien viele immer noch ungewollt in Teilzeit oder würden gänzlich auf eine Erwerbstätigkeit verzichten. Die Investitionen sollen helfen, dies zu beheben.
Zugleich investiere der Staat auch weiterhin in Bildung und Forschung. Das Startchancenprogramm für Angebote an Schulen sei mit Bundesmitteln von einer Milliarde Euro "für die ganzen nächsten Jahre" gesichert, sagte Lindner. Im Gegensatz zur "Opposition im Deutschen Bundestag" sei die Ampel nicht daran interessiert gewesen, ausgerechnet bei den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen zu sparen.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP