Politik

Heikler Fahnen-Moment in PokrowskAus dem ukrainischen Armeechef bricht es nur so heraus

10.12.2025, 08:42 Uhr
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Oleksandr Syrskyj äußert sich zur Lage an der Front. Diese soll nicht so schlecht sein wie oft dargestellt. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Der Kreml verstärkt derzeit seine Erzählungen vom angeblich unbesiegbaren Russland und findet damit auch im Westen viele Empfänger. In der Ukraine gibt man sich alle Mühe, den Darstellungen entgegenzutreten. Zwei Soldaten in Pokrowsk riskieren ihr Leben, um einem Reporter die ukrainische Flagge zu zeigen.

Der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj hat sich nach einem Treffen mit führenden ukrainischen Medien mit deutlichen Worten geäußert. Hintergrund sind die Kämpfe um Pokrowsk und anhaltende russische Kampagnen mit Falschinformationen. Diese hatten in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Er habe den Reportern viele Fragen beantworten müssen, hieß es von Syrskyj in einer Mitteilung.

Dem Armeechef zufolge geht die Verteidigung von Pokrowsk weiter. "Unsere Truppen kontrollieren im Norden der Stadt fast 13 Quadratkilometer." Auch das benachbarte Myrnohrad sei weiter nicht umzingelt. In Kupjansk liefen zudem "erfolgreiche Gegenoperationen".

Bei einem Besuch eines BBC-Reporters an der Front in einem ukrainischen Kommandoposten gab kürzlich ein Kommandeur zwei Soldaten in Pokrowsk per Funk die Anweisung, aus der Deckung eines Gebäudes hervorzutreten, um eine ukrainische Flagge in eine Kamera zu halten. Die beiden taten dies und lieferten dem Reporter so per Livestream den Beweis, dass sich noch Ukrainer in der Stadt befinden. "Du hast es jetzt mit eigenen Augen gesehen", sagte der Kommandeur an den Reporter gerichtet.

Ein Soldat in dem Bericht beschrieb die Lage als "schwierig, aber unter Kontrolle", ein weiterer als "angespannt, aber nicht kritisch". Alle seien jedoch erschöpft.

Viele Experten hatten die Stadt schon vor Wochen abgeschrieben und ein äußerst düsteres Bild gezeichnet. Die Prognosen gehen auch weiterhin in die Richtung, dass die Ruinen von Pokrowsk und Myrnohrad früher oder später vollständig in die Hände der Russen fallen werden. Die Behauptung Moskaus von Anfang Dezember, dass die Stadt vollständig eingenommen worden sei, war letztlich jedoch eine von vielen Lügen des Kremls.

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Die russischen Truppen stoßen in Pokrowsk oft in sehr kleinen Gruppen von wenigen Männern vor. In die Stadt wird zudem mit Schrottautos eingerückt. (Foto: IMAGO/SNA)

Russland "beeinflusst ausländisches Publikum"

Die permanent von Moskau gestreuten Falschmeldungen treiben auch dem ukrainischen Armeechef Syrskyj Sorgenfalten in die Stirn. Denn es gibt zu viele, die dafür empfänglich sind - bis ins Weiße Haus hinein. Die USA hatten zuletzt massiven Druck auf die ukrainische Führung ausgeübt und wiederholt russische Sichtweisen übernommen.

"Ich möchte noch einmal betonen: Das Ausmaß der russischen Lügen übertrifft bei Weitem das tatsächliche Vorrücken der russischen Truppen. Der Feind nutzt Desinformation und seine gefälschten Karten in einem hybriden Krieg gegen die Ukraine und beeinflusst damit sowohl das ausländische Publikum als auch unsere Gesellschaft und unsere Armee", teilte Syrskyj mit. Er rief dazu auf, "dem Feind nicht zu helfen und keine russischen Propagandabotschaften zu verbreiten."

Der Armeechef sagte, er könne derzeit nicht alle ukrainischen Erfolge im Detail der breiten Öffentlichkeit mitteilen. "Denn von solchen Meldungen hängt das Leben unserer Soldaten an den Stellungen ab, über die sie die Kontrolle zurückerobert haben."

"Kriegsziele über Verhandlunglösung erreichen"

Russland propagiere "aggressiv übertriebene militärische Erfolge und die angebliche Stärke und Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft", stellt das Institut für Kriegsstudien (ISW) in einer aktuellen Analyse fest. "Diese vielschichtige Strategie zielt darauf ab, die Ukraine und den Westen aus Angst vor verstärkten und langwierigen russischen Militäroperationen in Zukunft zu Zugeständnissen an Russlands Forderungen während der Verhandlungen zu bewegen." Moskau wolle so seine Kriegsziele über eine Verhandlungslösung erreichen, da die Streitkräfte dies auf dem Schlachtfeld nicht leisten könnten.

Gleichwohl haben die russischen Streitkräfte auch Erfolge vorzuweisen. Ein großer Teil von Pokrowsk befindet sich mittlerweile in den Händen der Kreml-Truppen. Im November konnten laut AFP-Berechnungen die größten Gebietsgewinne seit November 2024 erzielt werden: 701 Quadratkilometer. Das entspricht jedoch nur etwa 0,11 Prozent des gesamten Staatsgebietes der Ukraine und knapp 0,15 Prozent des Gebietes, das die Ukraine aktuell kontrolliert.

Quelle: ntv.de, rog

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