Cherson laut London isoliert "Russlands 49. Armee sieht sehr verwundbar aus"
29.07.2022, 11:35 Uhr (aktualisiert)
Die Antoniwka-Autobrücke über den Fluss Dnipro ist wichtig für den russischen Nachschub. Vor wenigen Tagen war sie trotz des ukrainischen Beschusses noch passierbar, jetzt nicht mehr.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Am Wochenende meldet die Ukraine erste Erfolge ihrer Gegenoffensive im Süden des Landes. Ein wichtiger Berater von Präsident Selenskyj bestätigt nun die Strategie der Streitkräfte für die Rückeroberung der Region Cherson. Die britischen Geheimdienste sehen bereits erste Erfolge.
Die ukrainische Führung zeigt sich optimistisch, dass sie die Region Cherson im Süden des Landes zurückerobern kann. Die Befreiung von Cherson "hat bereits begonnen", teilte Oleksyj Arestowytsch, ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in der Nacht mit.
Das Ziel ist demnach, die russischen Truppen in der Region durch die Zerstörung wichtiger Brücken von den Nachschublinien abzuschneiden und zu isolieren. "Die ukrainischen Streitkräfte werden dem Feind zuerst Munition, Treibstoff, Kommunikation und Führungsstab nehmen", sagte Arestowytsch. "Dann werden sie die Überreste der russischen Armee beseitigen."
Seinen Angaben zufolge hätten die russischen Soldaten nur drei Möglichkeiten: "Zieht euch zurück, gebt auf oder werdet zerstört." Präsident Selenskyj hatte sich bereits am Wochenende siegessicher gezeigt. Er erklärte, dass sich die ukrainischen Truppen in der Region "Schritt für Schritt vorwärts bewegen". Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Cherson abgeschnitten?
Die britischen Geheimdienste scheinen diese Einschätzung zu teilen. Die Gegenoffensive im Süden des Landes gewinne an Momentum, teilt das britische Verteidigungsministerium auf Twitter in seinem neuesten Geheimdienst-Update mit. Die ukrainischen Truppen hätten wahrscheinlich einen Brückenkopf südlich des Flusses Inhulez errichtet, der damit die nördliche Grenze der besetzten Region bilde.
Die ukrainischen Angriffe auf mindestens drei Brücken, die über den Dnipro (russisch: Dnepr) führen und für den russischen Nachschub wichtig sind, waren nach Angaben der britischen Geheimdienste erfolgreich. "Russlands 49. Armee ist am westlichen Ufer des Dnipro stationiert und sieht sehr verwundbar aus", heißt es in dem Lagebericht. Außerdem sei die Stadt Cherson inzwischen praktisch von den anderen besetzten Gebieten abgeschnitten. "Der Verlust der Stadt würde den russischen Versuch, die Südukraine zu besetzen, maßgeblich beeinträchtigen."
Russland verlegt Truppen
Erste Erfolge der Ukraine in der Region waren bereits in den vergangenen Tagen bekannt geworden. Am Wochenende sollen ukrainische Streitkräfte unweit der Siedlung Wyssokopillja mehr als 1000 russische Soldaten eingekesselt haben. Am Mittwoch teilte die russische Gebietsverwaltung mit, dass die wichtige Antoniwka-Autobrücke über den Fluss Dnipro (russisch: Dnepr) nach mehreren ukrainischen Luftangriffen für den Verkehr geschlossen werden musste. Arestowytsch zufolge hat das russische Oberkommando zur Verteidigung eine "massive Verlegung" von Truppen in Richtung der drei südlichen Regionen Cherson, Melitopol und Saporischsia eingeleitet.
Russland hatte die südukrainische Region am Schwarzen Meer unmittelbar nach Kriegsbeginn Ende Februar eingenommen. Moskautreue Separatisten dort kündigten zuletzt an, sie wollten eine Volksabstimmung für einen Beitritt zu Russland ansetzen. Die Ukraine will das verhindern und das Gebiet auch mithilfe der von den USA und anderen NATO-Staaten gelieferten schweren Waffen zurückerobern.
Vor allem mit dem US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfer HIMARS sollen die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen immer wieder erfolgreich Brücken in der Region angriffen haben. Diese führen über den Dnipro und den Nebenfluss Inhulez und sind von zentraler Bedeutung für die Versorgung russischer Truppen westlich der Flüsse.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 28. Juli 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, chr/rts