Nachschub aus 3D-Drucker Ukrainische Truppen rationieren offenbar Granaten
11.04.2023, 09:54 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Am Tag verschießen die ukrainischen Truppen etwa 7700 Artillerie-Granaten.
(Foto: picture alliance / AA)
Schon seit Wochen gibt es im Ukraine-Krieg keine großen Bewegungen an der Frontlinie. Dennoch werden täglich Abertausende Artillerie-Granaten verschossen. Nachschubprobleme haben offenbar Russen wie Ukrainer, einem Bericht zufolge zeigt sich die Ukraine aber höchst kreativ.
Angesichts eines kritischen Munitionsmangels rationieren die ukrainischen Truppen Granaten. Wie die "Washington Post" aus der Region Donezk berichtet, wählten die Ukrainer ihre Ziele deshalb sorgfältiger aus. Demnach werde russisches Equipment über kleinere Infanterie-Gruppen priorisiert. Zudem stellten Soldaten in geheimen, unterirdischen Werkstätten im Osten des Landes mit 3D-Druckern alternative Munition her. Auch suchten die ukrainischen Truppen aktiv nach Munition in den Gebieten, die von den russischen Besatzern befreit wurden. Dem Bericht zufolge feuern die ukrainischen Truppen derzeit 7700 Artillerie-Granaten am Tag ab. Russlands Verbrauch liegt schätzungsweise bei dem Dreifachen.
Vor allem für die sowjetisch produzierten Systeme ist die Munition offenbar schon länger knapp. Deshalb kaufen dem Bericht zufolge Drittstaaten gelegentlich sowjetische Munition bei ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts. Diese Munition werde dann geheim an die Ukraine übergeben, um politische Konsequenzen für die ehemaligen Sowjetstaaten, die teilweise noch Beziehungen mit Russland führen, zu vermeiden. Zu Problemen könne es dann aber auf dem Schlachtfeld kommen, heißt es in der "Washington Post". So hätten Soldaten berichtet, dass Artilleriemunition aus unterschiedlichen Ländern auch unterschiedlich genau sei. Zudem könnte das für zusätzlichen Verschleiß am Kriegsgerät sorgen. Dafür verfüge die Ukraine über mehr westliche Artilleriemunition, jedoch aber weniger Systeme zum Abfeuern.
Die "Washington Post" mutmaßt indes, dass die Ukraine auch Teile ihrer Artilleriemunition für die erwartete Frühjahrsoffensive zurückhalten könnte. Der Militäranalyst Rob Lee vom Foreign Policy Research Institute wird mit der Vermutung zitiert, dass die westlichen Partner ihre Lieferungen deshalb jüngst erhöht hätten, gleichzeitig aber dann im Herbst und Winter weniger Artilleriemunition schicken könnten. Deshalb könnte ein langer Krieg vermutlich Russland begünstigen. "Die Verfügbarkeit von Artilleriemunition ist einer der wichtigsten Einzelfaktoren in diesem Krieg", wird Lee von der "Washington Post" weiter zitiert.
Auch Russland kämpft mit Problemen
Der Munitionsmangel ist ein Problem, mit dem mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn sowohl die Ukraine als auch Russland zu kämpfen haben. Zuletzt sind auch die Kremltruppen beim Abfeuern von Artilleriemunition deutlich vorsichtiger geworden. Verteidigungsminister Sergei Schoigu kündigte an, die eigene Produktion von Munition hochzufahren. Russischen Militärbloggern zufolge verspürt allerdings speziell die Artillerie ein massives Defizit an Munition.
Dies hat Experten zufolge auch dazu geführt, dass Russland nur noch an einzelnen Frontabschnitten wie bei Bachmut oder Awdijiwka im Gebiet Donezk Angriffe ausführen kann. Der Verbrauch an Artilleriemunition beim russischen Militär gilt generell als höher als auf der ukrainischen Seite, weil Moskau Hochpräzisionsgeschosse fehlen, und sie daher mehr Geschosse brauchen, um Ziele zu treffen. Berichten zufolge erwägt auch China, Russland Artilleriemunition zukommen zu lassen.
Unterdessen hat Polen angekündigt, die eigene Artillerie-Produktion anzukurbeln. Für entsprechende Investitionen heimischer und ausländischer Produzenten werde seine Regierung im Rahmen eines nationalen Munitionsprogramms umgerechnet etwa 427 Millionen Euro bereitstellen, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor zwei Wochen in Warschau. Auch Frankreich teilte mit, die monatlichen Lieferungen für Artilleriemunition zu erhöhen. Unter der Woche hat das US-Verteidigungsministerium neue Militärhilfe für die Ukraine im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar (knapp 2,4 Milliarden Euro) angekündigt. In dem Paket sei vor allem Munition für Artilleriegeschütze und Waffensysteme wie die Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS.
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 08. April 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, ses