Politik

Schwiegersohn als AufpasserUngewöhnliches US-Duo soll in Berlin den Durchbruch bringen

15.12.2025, 17:48 Uhr
imageVon Roland Peters, New York
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Steve Witkoff (l.) und Jared Kushner (r.) verhandeln in Berlin für das Weiße Haus. (Foto: dpa)

Der US-Außenminister ist nicht dabei, dafür aber der Schwiegersohn des Präsidenten, Jared Kushner. Er bildet mit dem Sondergesandten Witkoff ein ungewöhnliches Duo, das im Namen Donald Trumps in Berlin verhandelt. Das könnte sich für sie auszahlen.

Plötzlich war auch Trumps Schwiegersohn im strahlend weißen Raum. Anfang Dezember saß Jared Kushner mit ernster Miene im Kreml an der ovalen Tafel, und Gastgeber Wladimir Putin redete mit charmierender Mimik in seine Richtung. So zeigten es Fernsehbilder, und so ist offenbar auch die Verhandlungsrealität bei den Gesprächen über Russlands Angriffskrieg in der Ukraine.

Kushners Wort gelte unter Staatschefs wie Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als Trumps Wort, heißt es laut CNN aus der US-Regierung. Diplomaten, Minister und Präsidenten wissen also: Sprechen und verhandeln sie mit Kushner, dann verhandeln sie wie mit dem US-Präsidenten direkt. Kushner führte die heutigen Gespräche in Berlin, deren Gastgeber Bundeskanzler Friedrich Merz ist, im Tandem mit Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff.

Kushner und Witkoff waren als Duo schon im Nahen Osten aktiv und Schlüsselfiguren im Waffenstillstandsabkommen samt Geiselaustausch zwischen Israel und der Hamas. Die beiden Verhandler sind repräsentativ dafür, wie Trump seine Diplomatie betreibt, wie er seine komplette Präsidentschaft gestaltet: Es geht ihm nicht um die Erfahrung von Experten, sondern um Vertrauen, um Loyalität, und darum, dass seine Beauftragten wie er über "Deals" denken. Recht und Unrecht sind unwichtig, wenn am Ende das monetäre Ergebnis und die geschäftliche Perspektive stimmen. Kushner gehört zur Familie und ist Geschäftsmann, Witkoff war mit Trump jahrzehntelang im New Yorker Immobiliensektor tätig.

"Nicht unser Friedensplan"

Aus dem Weißen Haus sind weder Trump selbst noch Außenminister Marco Rubio dabei. Rubio ist zwar an den strategischen Planungen beteiligt, aber den Kopf hält er zum Thema nur vereinzelt aus dem Fenster. Das wird seine Gründe haben, und einer könnte sein: Rubio ist kein Freund Russlands, hat eine politische Vergangenheit mit Moskau. Der Außenminister gilt als sogenannter Falke, also als früherer Hardliner gegenüber dem Kreml. Jetzt findet er sich als Minister in einer Regierung wieder, welche die US-Diplomatie völlig anders gestaltet.

Als etwa der umstrittene 28-Punkte-Friedensplan im November bekannt wurde, trauten viele Experten ihren Augen nicht; waren darin doch russische Wünsche aufgeführt, welche die Ukraine und die westliche Allianz seit Jahren ablehnen. Rubio griff zum Telefon und lavierte vor Senatoren laut dem teilnehmenden Republikaner Mike Rounds: "Das ist nicht unsere Empfehlung. Das ist nicht unser Friedensplan." Das Papier sei ein russischer Vorschlag, nicht die Position der US-Regierung. Trotzdem sei er von den USA "verfasst" worden. Rubio meinte, die Ukraine habe nun die Möglichkeit, ihre Gegenvorschläge zu machen.

Schon zum Nato-Treffen im 3. Dezember war Vizeaußenminister Christopher Landau gereist, nicht Rubio selbst. Warum genau, ist bis heute unklar. Es ist jedoch höchst ungewöhnlich, dass der US-Außenminister bei den zweimal pro Jahr stattfindenden Treffen nicht anwesend ist. Ein Sprecher des State Department relativierte das Fehlen: "Außenminister Rubio hat bereits an Dutzenden von Treffen mit Nato-Verbündeten teilgenommen, und es wäre völlig unrealistisch, ihn bei jedem Treffen zu erwarten".

Nun war also Kushner mit Witkoff in Berlin, wie er zuvor auch schon mit dem Sondergesandten gemeinsam in Moskau war und sich dort mit der russischen Seite austauschte. Beide haben Geschäftsinteressen, die sie mit ihrer politischen Aktivität verbinden, und die potenziell wesentlich profitabler sind, wenn Frieden herrscht. Beide antworteten auf entsprechende Fragen nach den erfolgreichen Waffenstillstandsgesprächen im Nahen Osten, es gebe keine Interessenkonflikte.

Witkoff erklärte, er habe sich aus seinen Geschäften zurückgezogen und bezahle alle seine Reisekosten selbst. Seine zwei Söhne steuern jedoch die Witkoff Group mit, einen Immobilienkonzern, und haben zudem mit ihrem Vater, mit Trump und dessen Söhnen das Krypto-Unternehmen World Liberty Financial gegründet. "Wir sind hier, um Gutes zu tun", behauptete Kushner, der potenziell im Nahen Osten großen Profit mit seinem Investmentfond Affinity Partners erwarten kann. Er stelle seine Zeit zur Verfügung, um dem Präsidenten und Witkoff zu helfen. "Was die Menschen Interessenkonflikte nennen, nennen wir Erfahrung und vertrauensvolle Beziehungen, die wir weltweit haben."

Witkoff mit Verständnisproblemen?

So vertrauensvoll, dass Witkoff in der ersten Jahreshälfte bei mehreren Gesprächen mit Putin sogar auf die Übersetzer der russischen Seite verließ, statt einen eigenen einzusetzen. Witkoff spricht kein Russisch, wenn sich also jemand im Raum unterhält, versteht er nicht, was gesagt wird - ein großer Nachteil. Offenbar sind Witkoffs Gesprächspartner in Moskau zudem alles andere als begeistert über dessen ungenaue Kommunikation. Sie seien unsicher, ob der Sondergesandte inhaltlich genau verstehe, was Putin ihm sage, heißt es.

Im Sommer war der US-Präsident ungeduldig mit dem Kremlchef geworden, hatte ein Ultimatum gestellt und mit hohen Sekundärsanktionen für Russlands Ölabnehmer gedroht. Witkoff reiste im August nach Moskau, um Putin mit diesem Druckmittel endlich Zugeständnisse in der Ukraine abzuringen, die einen Waffenstillstand ermöglichen würden. Witkoff sprach mit Putin und verließ die Gespräche in der Überzeugung, dass Russland erheblichen territorialen Zugeständnissen zugestimmt hatte - und empfahl Trump, mit Putin persönlich zu sprechen, was dieser schon lange gewollt hatte. Trump sah offenbar einen möglichen Durchbruch - und arrangierte den am Ende ergebnislosen Gipfel mit dem Kremlchef in Alaska.

Dies hatte kaum nachvollziehbare Folgen. Trump behauptete wie üblich, alles sei super verlaufen. Nach Jahrzehnten einen Vertrauten, loyalen Geschäftspartner und zudem Mitunternehmer im lukrativen Immobilien- und Kryptosektor vor den Kopf zu stoßen oder sogar zu feuern, das hätte schmutzig werden können. Aber es gibt ja noch Kushner, der die Dinge offenbar besser versteht. Und ein Duo, das Trump wegen des Waffenstillstands im Nahen Osten international viel Lob einbrachte, könnte auch bei den Gesprächen über den Ukraine-Krieg den Erfolg bringen.

Quelle: ntv.de

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