Politik

Aktuell "bedingt abwehrbereit" Union beklagt: Ampel schwächt Bundeswehr

Wadephul warnte, dass Drohnen in modernen Kriegen vielerorts eingesetzt würden, die Bundeswehr aber "faktisch schutzlos" sei.

Wadephul warnte, dass Drohnen in modernen Kriegen vielerorts eingesetzt würden, die Bundeswehr aber "faktisch schutzlos" sei.

(Foto: dpa)

Verteidigungsminister Boris Pistorius verspricht im April, die Bundeswehr schnellstmöglich kriegstüchtig zu machen. Für die Union ist der Plan bereits gescheitert. Nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses zeigt der Fraktionsvize sich sorgenvoll, zwei Punkte kritisiert er besonders.

Die Union hat den Zustand der Bundeswehr scharf kritisiert. Im dritten Jahr der militärischen Zeitenwende mangele es der Truppe weiterhin an Waffen und Munition. Zudem dienen momentan weniger Soldaten als zuvor. "Die Ampel wird die Bundeswehr in einem schlechteren Zustand übergeben, als sie sie übernommen hat", sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul. Das gelte für die materielle und auch die personelle Ausstattung, "also kurz gefasst die Einsatzbereitschaft". "Das ganz alte Schlagwort 'bedingt abwehrbereit' bekommt eine neue Aktualität", warnte der Außen- und Verteidigungspolitiker.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Februar 2022 nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in einer Regierungserklärung, die auch als Zeitenwende-Rede bezeichnet wird, einen sicherheitspolitischen Kurswechsel angekündigt und ein 100-Milliarden-Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr aufgesetzt. Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach später davon, dass die Streitkräfte möglichst schnell kriegstüchtig sein müssten. Dass dabei Material aus den knappen Beständen der Bundeswehr an die Ukraine abgegeben wird, ist ein Zielkonflikt, der sich schwer auflösen lässt.

Nicht alles sei von der Regierung selbst verschuldet, bemerkte Wadephul. "Ich kritisiere keine Einzige der Abgaben. Das hat naturgemäß zu einer schlechteren Ausstattung beigetragen. Man muss allerdings sagen, sowohl was die materielle Ausstattung angeht, als auch was die personelle Ausstattung angeht, fehlt es schlicht und ergreifend an effektiven und durchgreifenden Maßnahmen, die zu einer Verbesserung geführt hätten."

Konkreter Bundeswehr-Zustand ist geheim

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte die Bundesregierung den Verteidigungsausschuss des Bundestags kürzlich über die materielle Einsatzbereitschaft mit Details informiert und damit Sorge ausgelöst. Aufgrund der grundsätzlich geänderten Bedrohungslage sind diese Daten - anders als in früheren Jahren - allerdings nicht mehr öffentlich einsehbar. Die genauen Angaben sind nur einem engeren Personenkreis zugänglich und liegen in der Geheimschutzstelle des Bundestags.

Einige Nöte sind dennoch bekannt: So hat die Luftwaffe drei von zwölf Patriot-Luftabwehrsystemen an die Ukraine übergeben, weitere werden von den Herstellern modernisiert. Der Bestand ist nun so, dass gerade noch selbst ausgebildet werden kann. Das Panzerbataillon 203 aus dem nordrhein-westfälischen Augustdorf hat alle seine Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine abgegeben. Die Artillerieschule im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein - laut Bundeswehr "zentrale Ausbildungsstätte für indirektes Feuer" - müsste eigentlich sieben Panzerhaubitzen haben. In der letzten Erklärung gestand das Militär, dass es nur noch drei habe, wovon lediglich eine funktionierte.

Union: Mangelhafte Ausstattung sorgt für Personalmangel

Eines der größten Sorgenkinder bleibt jedoch der Munitionsbestand, zu dem auch hochmoderne Lenkflugkörper gehören und für den es Mengenvorgaben der NATO gibt. "Nach allem, was man hört und liest, erfüllt Deutschland Mindestanforderungen an Beständen im Bereich Munition nicht. Wir müssen dabei immer berücksichtigen, dass Munition für Übungen verbraucht wird und sie eben auch Haltbarkeitsdaten überschreitet. Die Nachbeschaffung krankt. Wir laufen wirklich Gefahr, an der Stelle zu einem Problem auch innerhalb der NATO zu werden", mahnte Wadephul.

Er machte die Hauptproblemfelder vor allem bei den deutschen Landstreitkräften aus, die "komplett vernachlässigt" worden seien. "Der Ukraine-Krieg zeigt aber: Wir müssen uns insbesondere auf eine bodengebundene Auseinandersetzung einstellen. Aus meiner Sicht wird in dem Bereich zu wenig investiert".

"Ich kenne einen Kommandeur, der mir sagt: Ich habe zwar immer noch 100 Prozent des Personals, aber ich habe 20 Prozent der materiellen Ausstattung. Und deswegen gibt es in großen Teilen auch der aktiven Truppe eine tiefe Frustration. Leute, die gut und die sehr gut sind, verlängern nicht, bleiben nicht in der Bundeswehr, ziehen auch den Antrag auf Berufssoldat zurück. Und das spricht sich herum." Im vergangenen Jahr schrumpfte die Bundeswehr auf 181.500 Soldaten - trotz einer Personaloffensive. Wadephul zufolge setze sich der Trend auch in diesem Jahr fort.

Bundeswehr im Kampf gegen Drohnen "faktisch schutzlos"

Bei den Fähigkeiten geht es aber auch um die Flugabwehr. "Wir wissen spätestens seit dem Berg-Karabach-Konflikt, dass Drohnen auf dem Gefechtsfeld eine ganz neue Bedrohung sind, gegen die die Bundeswehr faktisch schutzlos ist", so Wadephul. Dass es nun erst eine sogenannte Taskforce "Drohnen" gibt, sei "schon fast eine Karikatur". Deutschland müsse Drohnen effektiver beschaffen, aber auch die Fähigkeit zu ihrer Bekämpfung erhalten. "Über dem Gefechtsfeld der Ukraine ist der Himmel schwarz, mit Kleinst-, Mini- bis Großdrohnen. Und die Bundeswehr sieht von alledem gar nichts. Wer, wie der Verteidigungsminister, von Kriegstüchtigkeit spricht, der muss in allen Dimensionen auch adäquate Antworten geben."

Ungeachtet der Probleme gebe es aber "noch nicht mal ein Reförmchen im Bereich des Beschaffungswesens". Nötig seien neue Strukturen für die Aufgaben des Beschaffungsamts (BAAINBw). "Das Stichwort dafür ist eine Beschaffungsagentur. Insbesondere die SPD klebt aber an einer öffentlich-rechtlichen Struktur, die aber nicht mehr zukunftsfähig ist", erklärte Wadephul. "Diese große überladene Beschaffungsbehörde kann strukturell nicht in der Lage sein, schnell und effektiv zu beschaffen."

Verteidigungshaushalt 2025 noch offen

Und trotz zahlreicher Mängel sehe Wadephul momentan keine konkreten Planungen, den Verteidigungsetat deutlich steigen zu lassen. Pistorius habe schon für dieses Jahr zehn Milliarden Euro mehr gefordert, aber nicht erhalten - trotz höherer Personalkosten. "Wir haben faktisch eine Nulllinie, die unter Berücksichtigung der Inflation eine Minuslinie ist", resümierte der Unionspolitiker. Gerade die Munitionsbeschaffungen müssten aber über mehrere Jahre erfolgen und im normalen Haushalt abgebildet sein.

"Ich rate davon ab, dass wir auf das Prinzip Hoffnung setzen", mahnte er. Russland bereite sich militärisch auf mehr vor und regeneriere Fähigkeiten und Kapazitäten. "Und wenn sich Russland auf mehr vorbereitet, sollten wir uns auch auf mehr vorbereiten." Das gelte auch, falls es zu Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommen sollte. "Das haben wir jetzt gelernt: Wir werden Sicherheit nicht mit, sondern nur noch gegen Russland in Europa haben", so Wadephul.

Quelle: ntv.de, gri/dpa

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