Spahn bei Lanz Vernünftige AfD-Kandidaten? "Das wäre eine ganz andere Partei"
17.04.2025, 05:27 Uhr Artikel anhören
Spahn hält es für falsch, grundsätzlich keine Kandidaten der AfD in parlamentarische Ämter zu wählen.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Im neuen Bundestag stellt die AfD die zweitstärkste Fraktion. Wie geht man damit um? Jens Spahn wirbt bei Lanz dafür, die Rechtsaußenpartei in die parlamentarischen Abläufe einzubinden - vorausgesetzt, sie hält sich an die Regeln. Überzeugend klingt das nicht.
Markus Lanz hat nicht viel Zeit. Es ist schon kurz nach Mitternacht, als seine Talkshow beginnt, die auch nur eine Dreiviertelstunde dauert. Bärbel Bas von der SPD ist zu Gast, die ehemalige Bundestagspräsidentin, und Jens Spahn, der nach dem Rückzug von Carsten Linnemann als Wirtschaftsminister zur Diskussion steht. Er grinst, als Lanz ihn fragt, ob er Minister werde. Vielleicht weiß er wirklich schon was. Spahn sagt nein. Das würden Friedrich Merz und Markus Söder noch entscheiden, die Chefs von CDU und CSU. Er freue sich über die Entscheidung von Carsten Linnemann, der weiterhin CDU-Generalsekretär bleiben will. "Das ist für die Partei eine gute Sache", so Spahn. "Carsten Linnemann steht dafür, dass die Partei auch weiterhin eine starke Stimme haben wird."
Spahn hat nun ein Ziel: "Die Ränder wieder kleinkriegen." Wie er das machen will? "Gut regieren. Liefern. Illegale Migration weitestgehend beenden, dem Land wieder Wachstum geben, Jobs sichern, für innere Sicherheit sorgen. Jeden Tag in den letzten Tagen mindestens eine Messerattacke irgendwo in Deutschland, das beschäftigt viele nachvollziehbarerweise. Und da müssen wir im Alltag spürbar einen Unterschied machen." Damit werde man nicht jeden AfD-Wähler wieder zurückgewinnen, aber einige würden schon schauen, ob man den etablierten Parteien wieder vertrauen könne.
Zudem will Spahn die AfD mehr in den parlamentarischen Ablauf einbinden. Einen Bundestagsvizepräsidenten soll sie wohl eher nicht stellen, hier und da einen Ausschussvorsitzenden schon. "Es gibt Spielregeln im deutschen Bundestag. Die Frage ist: Ändern wir die Regeln, oder zwingen wir alle, nach den Regeln zu spielen? Und ich bin eher für Letzteres: Dass wir die Regeln gelten lassen, und jeder muss sich an diese Regeln halten."
Sie habe die Äußerungen von Spahn so verstanden, dass er die AfD normalisieren wolle, sagt Bärbel Bas. "Davor kann ich nur warnen." Die AfD habe sich seit 2017 radikalisiert, und zwar in der Sprache und wie sie die Institutionen auch für ihre Zwecke missbrauche. "Und darum warne ich davor, sie in Funktionen zu nehmen, wo sie die Institution Deutscher Bundestag repräsentiert, also zum Beispiel Ausschussvorsitzende oder Vizepräsidenten. Die Spielregeln, die wir im Bundestag haben, heißen Geschäftsordnung, und natürlich werden sie da genauso behandelt wie jeder andere Abgeordnete auch. Die haben ihre Rechte nach der Geschäftsordnung." AfD-Politiker dürften jedoch nicht in Geheimausschüssen sitzen, vor allem dann, wenn sie vom Verfassungsschutz beobachtet würden, findet Bas.
Die gleichen Bedenken habe er auch, sagt Spahn. Er wolle die AfD zum Beispiel bei der Wahl eines Vizepräsidenten zwingen, Kandidaten aufzustellen, die wählbar seien. Falsch finde er, einen Kandidaten nicht zu wählen, weil er der AfD angehöre. Er könne sich vorstellen, den AfD-Politiker Peter Boehringer als Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zu wählen. "Der hat das während der letzten Großen Koalition in dem Ausschuss okay gemacht, mir sind keine Beschwerden bekannt." Richtig sei, die Geschäftsordnung so zu verändern, dass man Ausschussvorsitzende wieder abwählen könne, wenn sie sich nicht richtig verhielten. Das ist schon geschehen bei Stephan Brandner von der AfD.
"Tino Chrupalla erzählt öfter mal Quatsch"
AfD-Chef Tino Chrupalla hat am Mittwoch die Aussagen von Spahn gelobt, der stehe für die neue CDU, eine CDU ohne Brandmauer. Spahn dazu: "Das ist doch Quatsch. Und Tino Chrupalla erzählt öfter mal Quatsch." Die Union sei das letzte Bollwerk gegen die AfD, so Spahn. "Wir sind diejenigen, die die demokratische Mitte vereinen. Das ist ja unser gemeinsames Ziel, wieder stärker zu werden, auch durch eine Regierung, die Vertrauen wieder zurückbringt in der demokratischen Mitte. Und was Chrupalla versucht, ist, den Spaltpilz in die Union zu tragen. Das machen wir aber nicht mit." Man dürfe die Spielregeln nicht ändern, sondern man müsse die AfD zwingen, nach den geltenden Spielregeln zu handeln. "Die Spielregeln gelten zu lassen, heißt aber am Ende auch, man muss sich dieser Wahl stellen, und wenn man keine Mehrheit hat, etwa bei der Wahl des Vizepräsidenten, dann hat man diese Mehrheit nicht. Das sind die Spielregeln. Anders wäre es, zu sagen, die dürfen überhaupt keinen Vizepräsidenten stellen. Das sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen."
Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auch weiterhin nicht geben, sagt Spahn. Die AfD sei "eine Partei, die pro Putin ist, die Extremisten in ihren Führungsrängen hat, die die Demokratie verächtlich macht, die das System ändern will." Markus Lanz fragt, was denn passieren würde, wenn die AfD irgendwann einmal mit vernünftigen Leuten für derartige Ämter kandidieren würde. "Das wäre aber eine ganz andere Partei", antwortet Spahn. Die AfD werde immer extremistischer. "Die Partei, über die Sie da reden, sehe ich nicht, und auch nicht, dass es die in absehbarer Zeit gibt. Deswegen stellt sich die Frage nicht." Die Frage ist, warum Spahn unter diesen Umständen das Thema überhaupt aufgebracht hat.
Der merkt auch, dass er sich in eine gewisse Erklärungsnot manövriert hat. Die Wähler hätten den demokratischen Parteien einen Auftrag gegeben. Die müssten nun hart arbeiten, um die Probleme zu lösen. "Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen." Bas macht dann auch klar, dass man mit der AfD nicht in einen Wettbewerb der Themen treten dürfe, weil die AfD polemisiere und mit Fake-News arbeite.
Alles in allem könnten am Ende die Kritiker recht behalten: Spahn könnte mit seinem Vorschlag versucht haben, die Bereitschaft zumindest für das eine oder andere Löchlein in der Unions-Brandmauer gegen die AfD auszutesten. Das Ergebnis: Bei den meisten Parteifreunden beißt er auf Granit. Noch.
Quelle: ntv.de