Pistorius bremst Erwartungen Voigt pocht auf Verteidigungsaufträge für Ostdeutschland
25.09.2025, 13:26 Uhr Artikel anhören
Dreistellige Milliardensummen will der Bund bis 2029 in die Aufrüstung stecken. Die boomende Rüstungsindustrie baut Jobs auf, nicht aber unbedingt im wirtschaftlich oft benachteiligten Osten. Thüringen und Sachsen machen Druck, doch Bundesverteidigungsminister Pistorius ist skeptisch.
Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer sind auf Schloss Ettersburg bei Weimar mit Bundeskanzler Friedrich Merz und weiteren Kabinettsmitgliedern zusammengekommen. Zum Auftakt der sogenannten MPK Ost forderte Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt mehr Aufmerksamkeit des Bundes für die ostdeutschen Länder. "Das ist notwendig, weil Deutschland unterschiedliche Landstriche kennt und wir natürlich auch 35 Jahre nach der friedlichen Revolution noch strukturelle Nachteile haben, die es auszugleichen gilt", sagte der CDU-Politiker bei ntv.
Bei der Bewertung des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland zeichnete der thüringische Ministerpräsident ein differenziertes Bild: "Die Lage ist sehr gemischt. Wir haben viele starke, innovative Branchen, gerade auch hier in Thüringen. Mit Optik, mit Photonik, mit innovativen Bereichen in Luft und Raumfahrt. Das sind Dinge, da wachsen die Zahlen. Aber gleichzeitig spüren wir natürlich auch in der Automobilbranche massiven Druck." Für die Automobilbranche forderte Voigt eine nationale Anstrengung: "Deutschland muss sich wieder auf seine Wurzeln bekennen. Wir sind ein Autoland, und da braucht es eine größere Anstrengung, quasi einen Comebackplan für das Auto."
Osten will Jobs durch Aufrüstung
Im Bereich Verteidigung forderte der Ministerpräsident eine stärkere Beteiligung der ostdeutschen Länder. "Wer die Freiheit bewahren will, der muss in Sicherheit investieren", betonte Voigt. Konkret erwarten die ostdeutschen Länder "in Bereichen auch der gestiegenen Verteidigungsausgaben, wenn es um unsere Energienetze geht, um die Verkehrsinfrastruktur, da Unterstützung" sowie "auch, wenn es um Aufträge geht für zum Beispiel Cyberabwehr oder andere Bereiche."
Zur Forderung seines sächsischen Kollegen Michael Kretschmer nach einer "Ostdeutschland-Komponente" bei der Auftragsvergabe sagte Voigt: "Für uns wird wichtig sein, dass der Osten stärker bedacht wird. Das ist in der Tat auch bei Auftragsvergaben in den Blick zu nehmen. Und deswegen braucht es so eine Komponente sicherlich."
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte im Anschluss an die Gespräche: "Wir sind uns total einig darüber, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um eben auch in Ostdeutschland die Standorte für Rüstungsindustrie auszubauen." Zugleich dämpfte er Erwartungen nach einer Ost-Komponente bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen. Quoten sehe das Vergaberecht nicht vor und sie "würden uns auch zeitlich in erhebliche Bedrängnis bringen". Vorrang habe momentan "vor allen Dingen die Geschwindigkeit bei der Produktion". Pistorius kündigte aber zumindest eine Konferenz zusammen mit Vertretern der Rüstungsindustrie und des Wirtschaftsministeriums an, um möglichst alle Regionen an den Aufrüstungsbemühungen zu beteiligen.
Voigt will vom Bund Ergebnisse im Herbst
Voigt verwies auf die besonderen Herausforderungen der ostdeutschen Länder: "Man darf nicht unterschätzen, dass wir natürlich auch in der Infrastruktur, in der Frage auch, wie zum Beispiel unsere Krankenhauslandschaft funktioniert oder wie wir auch im Bildungssystem aufgestellt sind, tatsächlich auch noch weitere Unterstützung brauchen. Wir haben zum Beispiel viel kleinere Unternehmen, viel mehr mittelständisch geprägt. Die großen Konzernzentralen sitzen im Westen"
Das bisherige Tempo der neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz bewertete Voigt grundsätzlich positiv: "Ich bin erst mal sehr beruhigt, dass Deutschland wieder eine Führungsrolle innerhalb Europas einnimmt und damit deutlich macht, dass die größte Industrienation auch den Anspruch hat, unseren Kontinent in dieser schwierigen weltpolitischen Lage tatsächlich gut zu vertreten." Dennoch mahnte er: "Aber es braucht jetzt im Herbst in der Tat die Beschleunigung, dass Reformen tatsächlich auch Entscheidungen werden." Als zentrale Aufgaben nannte Voigt eine "Sozialstaatsreform auch auf Bundesebene, und zwar schnell" sowie "Bürokratie abschaffen, streichen, leichter machen."
Zur Frage nach den anhaltenden Erfolgen der AfD trotz der neuen Regierung sagte Voigt: "Das hat damit zu tun, dass die Menschen Vertrauen verloren haben. Und wir können das nur zurückgewinnen, wenn Politik Worten Taten folgen lässt." Er zeigte sich dennoch optimistisch: "Wenn das geschieht, dann mache ich mir keine Sorgen. Deutschland ist ein starkes Land." An der strikten Abgrenzung zur AfD hält er fest: "Das bleibt dabei, weil unser Kompass ein anderer ist."
Quelle: ntv.de, cha/shu