Raketen, Jets und neue Socken So soll der Wehretat die Truppe von den USA abkoppeln


Basisausbildung auf dem Truppenuebungsplatz der Panzerdivision in Munster im September.
(Foto: IMAGO/epd)
Auf Trump als Partner ist kein Verlass mehr, die Europäer müssen wehrhafter werden. Aber sie haben mit Lücken zu kämpfen - etwa bei Aufklärung, Lufttransport, Fliegerabwehr. Geht der neue Bundeshaushalt die Probleme an?
Kutschfahrt, Militärparade, Empfang auf Schloss Windsor - was hat der Prunk, mit dem die britische Regierung diese Woche Donald Trump empfng, mit dem deutschen Verteidigungshaushalt zu tun? Eine Menge. Ein entscheidender Grund für die europäischen Nato-Partner, sich den unberechenbaren US-Präsidenten durch Schmeicheleien gewogen zu halten, ist die Abhängigkeit ihrer Armeen von amerikanischen Militärfähigkeiten.
Ein Zustand, der seit Jahrzehnten anhält, aber inzwischen wohl kaum noch haltbar erscheint. Zu oft und zu grundsätzlich stellt Trumps Verhalten die Partnerschaft mit den USA für die Europäer infrage. Und wenn die Nato selbst nicht mehr an den Zusammenhalt mit dem Weißen Haus glaubt, wieso sollte Russlands Präsident Wladimir Putin das dann tun? Doch ohne Glaubwürdigkeit - keine Abschreckung.
Zur Not muss es ohne Trump gehen
Deutschland, als zweitgrößtes Nato-Mitglied und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, fühlt sich gefordert. Soll auf europäischer Ebene eine breite Bereitschaft zur Aufrüstung entstehen, dann muss Verteidigungsminister Boris Pistorius den Richtungswechsel einleiten. Mit dem Ziel, dass sich die Staaten diesseits des Atlantiks gemeinsam wehrhaft machen, um im Verteidigungsfall zur Not auch ohne Unterstützung, womöglich sogar ohne Zustimmung der USA ihr Militär einzusetzen.
In den vergangenen vier Jahren hat Deutschland 70 Prozent seiner Waffenimporte aus den USA bezogen. Dem Einsatz dieser Waffen müsste das Weiße Haus zustimmen. Deutschland und seine europäischen Partner sind also gleich zweifach abhängig von den USA: Als Bereitsteller von wichtigen Nato-Fähigkeiten, die in Europa keine Armee in dem Maße hat - wie etwa zur Satellitenaufklärung oder zur umfänglichen Truppenverlegung. Und abhängig von US-Produkten, aus denen man das eigene Waffenarsenal speist. Von beidem muss und will man wegkommen.
Deutliche Aufrüstung bei gleichzeitiger Abkopplung vom Haupt-Lieferanten. Wer das als eine Mammutaufgabe versteht, liegt ungefähr richtig. Allein, die deutschen Zahlen stimmen schon mal: 82 - 93 - 136 - 152 Milliarden Euro, so lassen sich die geplanten Verteidigungsausgaben von 2026 bis 2029 auf dem Zahlenstrahl markieren. Jährliche deutliche Steigerungen, und in diesem Jahr geht es bereits los: 62 Milliarden Euro wurden in dieser Woche per Bundestagsbeschluss für deutsche Wehrfähigkeit in den Topf gepackt. Damit muss vor allem Personal bezahlt werden, aber ein Drittel davon steht für Beschaffung bereit.
Der Wehretat 2025 ist um zehn Milliarden höher als im vergangenen Jahr. Vom einmal beschlossenen Sondervermögen soll er hinführen zu dauerhaft stabiler Finanzierung. Doch auch die Einkaufsliste selbst soll einen Richtungswechsel einleiten. Von den ehemaligen "Goldrandlösungen", speziell auf die Wünsche der Bundeswehr abgestimmt und in kleinen Stückzahlen aufwändig produziert, hin zu voll entwickelten, bewährten und mit anderen kompatiblen Systemen. Von Aufträgen vor allem an US-Rüstungskonzerne hin zu mehr europäischen Projekten, die die Abhängigkeit vom Weißen Haus weiter reduzieren. Aber gelingt das auch tatsächlich?
Die Tarnkappenjets brauchen Updates - aus den USA
Der Eurofighter trägt die europäische Herkunft schon im Namen, und zu den derzeit rund 140 Kampfjets sollen nun noch einmal 20 hinzukommen. Das bindet geschätzte drei Milliarden Euro. An dem Konsortium, das den Eurofighter vertreibt, ist Airbus für Deutschland mitbeteiligt. Dazu auch spanische, italienische und britische Hersteller. Ein Vorzeige-Gemeinschaftsprodukt also, allerdings nicht in der Lage, US-Atomraketen zu transportieren.
Dazu hat die Bundeswehr noch immer den veralteten Tornado-Jet auf dem Hof stehen. Damit der ausgemustert werden kann, hat Pistorius schon vor knapp drei Jahren 35 moderne Tarnkappenjets der fünften, mithin der neuesten Generation bestellt. Die F-35 verbirgt sich nicht nur sehr gut vor feindlichen Radaren, sie vernetzt sich auch mit anderen Systemen und kann Atomwaffen ins Ziel tragen. Allerdings - hergestellt wird sie in den USA und muss permanent vom dortigen Hersteller Updates bekommen.
Der hochwertige Flieger erhöht also die Fähigkeiten der deutschen Luftwaffe enorm, ist aber ohne Einverständnis der USA faktisch nicht zu verwenden. Abbezahlt wird die F-35 auch in diesem Jahr aus dem Sondervermögen. Im Haushalt 2025 schlagen allerdings die Kosten zu Buche, die für ihre Unterbringung im Fliegerhorst Büchel entstehen. Dort muss vieles neu gebaut werden. Mit zwei Milliarden Euro kommt die Bundeswehr wohl nicht hin.
Große Posten auf Pistorius' Einkaufsliste sind laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg die Beschaffungen verschiedener Panzertypen. Bis zu 5000 Boxer soll die Bundeswehr bekommen, hergestellt von den deutschen Rüstungskonzernen Rheinmetall und KNDS. Derzeit liegt der Bestand von Boxer und Fuchs bei etwa 2500 Fahrzeugen, er würde sich also verdreifachen.
Dazu kommen laut Plan 3500 Panzerfahrzeuge von Patria im Wert von etwa fünf Milliarden Euro. Die finnische Firma arbeitet mit KNDS und der Flensburger Fahrzeugbau GmbH zusammen, was eine weitgehende Produktion in Deutschland ermöglicht. Der Ukrainekrieg zeigt, wie sehr Logistik in einem Krieg über Niederlage oder Sieg mitentscheidet. Die Bedeutung gepanzerter Fahrzeuge will Pistorius berücksichtigen. Für beide Panzertypen gilt: Unabhängigkeit von den USA wird in allen Bereichen gefördert.
Milliarden für Munition
Im vergangenen Jahr wurden 123 Kampfpanzer Leopard 2A8 bestellt, vor allem mit Blick auf die Ausstattung der Bundeswehr-Brigade in Litauen. Die Auslieferung soll mit dem kommenden Jahr beginnen. Als Kostenpunkt fällt der Leopard im diesjährigen Haushalt nicht direkt ins Gewicht, in künftigen aber schon. Mit knapp 300 Leopard-Panzern ist der Bestand der Bundeswehr viel zu gering, Planungen sollen in Richtung 1000 weiterer Fahrzeuge gehen. Bestellt wurden die jedoch noch nicht.
Bei der Luftverteidigung ist eine Abkopplung von den USA zumindest kurzfristig kaum möglich. Zu wichtig ist das dort hergestellte System Patriot als Rückgrat der Abwehr von hochwertigen, weitreichenden Raketen. So ist im Haushalt 2025 auch Munition für Patriot veranschlagt - mit 1,3 Milliarden Euro könnten etwa 600 Lenkflugkörper beschafft werden. Jedoch fallen die Kosten wohl noch nicht komplett in diesem Jahr an. Eine Erweiterung des Bestands der Systeme von neun auf 17 Patrioteinheiten ist derzeit noch in Planung.
Auch für das deutsche IRIS-T-System ist neue Munition von Nöten und im Haushalt als Kostenpunkt vorhanden. Zudem schafft die Bundeswehr weitere Heron TP Drohnen aus Israel zur Überwachung und Aufklärung an, sowie Kampfdrohnen von zwei deutschen Herstellern.
Westen, Stiefel, Rucksäcke
Schon ein Querschnitt durch die Einkaufsliste des Verteidigungsministeriums für dieses Jahr zeigt: Viel hilft viel. Die Aufstockung des Wehretats auf 21 Milliarden allein für Beschaffung erweitert die Bestellmöglichkeiten der Bundeswehr deutlich, und die wiederum drückt aufs Tempo. Viele deutsche und europäische Hersteller profitieren, Rheinmetall und KNDS allen voran.
Auch die Klagen der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten stoßen inzwischen auf mehr Gehör als noch vor wenigen Jahren. Mehr als zwei Milliarden Euro sollen aufgewendet werden, um die Truppe voll auszustatten - von Kampfbekleidung, über Schutzwesten, Unterhemden, Feldstiefel, Rucksäcke, Kälteschutz bis hin zu neuen Socken. Wer in den kommenden Jahren Zehntausende neuer Freiwilliger anziehen will, muss in persönliche Ausstattung investieren.
Doch bedeutsam ist nicht nur, was auf der langen Einkaufsliste auftaucht, sondern auch, was dort nicht steht. Keine Neuanschaffungen sind im Bereich Transportflieger geplant. Mit den Auslieferungen einer noch bestehenden Bestellung wird die Bundeswehr schlussendlich auf 53 Flieger des Typs A400M kommen, der auch als Tankflugzeug nutzbar ist. Im Haushalt 2025 fallen da nur Modernisierungskosten an.
Wenn also in Europa sogenannte "Enabler", übersetzt am besten mit "Möglichmacher", fehlen - Fähigkeiten zur satellitengestützten Aufklärung zum Beispiel, Großflugzeuge, um Truppen zu transportieren, Tankflieger, Luftverteidigung -, dann bildet sich im Bundeshaushalt 2025 noch wenig ab. Große Projekte solcher Art brauchen mehr Vorlauf und Entwicklung mit den Partnern - erst recht, wenn auf dem Gebiet noch Boden gut gemacht werden muss.
Quelle: ntv.de